Seewölfe Paket 13. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.er uns eine Falle, aus der es kein Entweichen mehr gibt. Was wollen wir uns von dem Hundesohn eigentlich noch alles gefallen lassen?“
„Nichts mehr“, antwortete der Seewolf. „Bei unserer nächsten Begegnung – wenn das wirklich geschieht – hole ich ihn mir vor die Klinge.“
„Das sagst du immer“, brummte der alte O’Flynn. „Aber dann bist du doch wieder fair zu diesem elenden Bastard, fairer, als es ihm zustünde.“
„Mister O’Flynn, fängst du wieder an zu meckern?“
„O nein, Sir! Nur habe ich da so einen bestimmten Verdacht. Darf ich den mal aussprechen?“
„Sicher doch“, erwiderte Hasard lächelnd. „Raus mit der Sprache, Old Donegal.“
„Nun, dein schneller Abgang hängt doch sicher auch mit dem Schiffbrüchigen zusammen. Du willst ihn heil nach Zypern zurückbringen, ehe du dich auf ein längeres Gefecht einläßt, nicht wahr? Gib’s ruhig zu.“
„Ja. Ich finde, wir sind es ihm schuldig, daß wir ihn wohlbehalten zu Hause abliefern. Schließlich haben wir ihn an Bord der ‚Isabella‘ geholt, ohne ihn groß zu fragen, ob er damit einverstanden sei. Daher fühle ich mich jetzt für seine Sicherheit verantwortlich.“
Der Alte seufzte. „Hölle, Mister Killigrew, du bist wirklich unverbesserlich. Hast du denn schon vergessen, daß er es war, der Henry und Selim mit seinem Geschrei anlockte?“
„Das habe ich nicht. Aber er tat es ja nicht absichtlich. Wir werden schon noch herausfinden, warum er solche Angst vor uns hatte.“
Ferris trat grinsend näher und sah seinem Kapitän im dämmrigen Licht der Lampe ins Gesicht. „Wenn jetzt zufällig die Königin von England an Bord wäre und dich reden hören würde – ich bin sicher, sie würde dein Verhalten dem alten Fischer gegenüber als edel bezeichnen.“
„Und wie würdest du es nennen?“
„Genauso. Ich bin ja nicht für Gefühlsduselei, aber ich finde, du hast ein mächtig gutes Herz.“
„Mann, Ferris“, sagte der Seewolf grob. „Rede doch nicht so einen Blödsinn. Los, geht jetzt an die Arbeit. Blacky und Luke, ihr bleibt also hier bei unserem Klamphauer. Donegal und Dan, ihr kommt mit mir nach oben.“ Mit diesen Worten schritt er davon und ließ seine Männer stehen.
Ferris, Blacky, Luke, Dan und der Alte blickten sich grinsend an, dann schlossen sich die beiden O’Flynns dem Seewolf an, und die anderen drei konzentrierten ihre Aufmerksamkeit auf die Schäden, die ausgebessert werden mußten.
6.
Sobald ihre Einteilung zum Decksdienst es zuließ, suchten die Zwillinge wieder die Kammer im Achterkastell auf und unterhielten sich von neuem mit dem alten Mann – dieses Mal mit einem besseren Ergebnis.
Er saß aufrecht in seiner Koje und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Seine Gesichtsfarbe war jetzt nicht mehr talgig, sondern von einem blassen rötlichen Schimmer beherrscht. Er redete aufgeregt auf die Zwillinge ein und versuchte immer wieder, ihnen durch Handzeichen zu erklären, was seine Worte bedeuteten.
Sie sprachen weiterhin türkisch mit ihm, gaben sich aber Mühe, die Begriffe und Redewendungen seines eigentümlichen Dialekts zu erlernen und zu gebrauchen. Was dabei herauskam, war eine mit vielen Umlauten und zungenbrecherischen Worten gewürzte Sprache.
Der Kutscher verließ die Kammer und ging auf die Kuhl, um dem Seewolf Bescheid zu geben.
Es ging auf Mitternacht zu. Der Himmel über der „Isabella“ war von samtenem Schwarz, winzige Sterne funkelten und verkündeten, daß es so rasch keinen Wetterumschwung geben würde. Die Mondsichel jedoch war für kurze Zeit hinter einer kleinen Wolkenbank verschwunden. Nach wie vor wehte der Wind frisch bis steif aus Nordwesten und drückte die „Isabella“ auf ihrem neuen Kurs Südosten direkt auf die Insel Zypern zu, die jetzt nicht mehr fern sein konnte.
Geschäftig eilten die Männer auf der Kuhl, dem Achterdeck und der Back auf und ab. Das Hämmern und Sägen, Hobeln und Feilen überdeckte das Flü-stern des Windes in den Luvwanten und Pardunen fast völlig. Alle Schäden am Schanzkleid und an Deck wurden ausgebessert, die Gefechtsstationen mußten aufgeklart werden, und für den Fall eines neuen Zusammenstoßes mit Henry und Selim war es nur ratsam, schon jetzt wieder mit der Herstellung von Pulverpfeilen und Höllenflaschen zu beginnen. Kurz: Es gab alle Hände voll zu tun.
Der Seewolf verließ das Achterdeck und trat zum Kutscher.
„Nun?“ fragte er. „Unserem Patienten geht es schon wieder besser, nicht wahr? Ich sehe es deiner zuversichtlichen Miene an, Kutscher. Deine Essenzen und Mixturen haben eben mal wieder ihre Wirkung getan.“
„Ach wo“, sagte der Kutscher mit einem Anflug von Verlegenheit. „Wenn sein Herz tatsächlich so altersschwach gewesen wäre, wie ich ursprünglich annahm, hätte auch die beste Arznei nichts genützt. Ich dachte, die Aufregung über das Gefecht würde ihm einen neuen Schock versetzen, aber auch da habe ich mich getäuscht.“
„Er hat es gelassen aufgenommen?“
„Gelassen nicht gerade. Als wir mit Lord Henry und Selim voll im Getümmel lagen, wollte er dauernd seine Koje verlassen und auf die Kuhl laufen, aber nicht, um zu fliehen. Aus der Art, wie er auf mich einredete, ließ sich eher schließen, daß er mitkämpfen wollte.“
„Na, nun übertreibe mal nicht.“
„Sir, ich habe ein untrügliches Gefühl für so was. Zwar hab ich die Tür der Kammer abgeschlossen, damit er nicht rauskonnte, aber Angst hatte er nicht mehr – eher Vertrauen zu uns, das versichere ich dir.“
„Du hast mich neugierig gestimmt“, sagte Hasard. „Auf zu unserem Freund! Vielleicht bringen wir ja jetzt ein bißchen Licht in das Geheimnis, das ihn umgibt.“
Sie betraten die Kammer in der Hütte, und sofort hob der Alte die Hände und sprach wie beschwörend auf Hasard ein.
„Was sagt er?“ wollte der Seewolf von seinen Söhnen wissen.
„Daß er uns grenzenlos dankbar ist, weil wir uns mit Henry und Selim geschlagen haben“, antwortete Philip junior. „Er bittet, seinen Fehler von vorhin zu entschuldigen. Er wird nicht mehr zu fliehen versuchen und auch nicht mehr schreien, denn er weiß jetzt, daß wir ihm nur helfen wollen.“
„Er kennt also Lord Henry und den Türken?“
„Offenbar nicht“, erwiderte Hasard junior.
Sein Vater stemmte die Fäuste in die Seiten. „Drückt euch gefälligst deutlich aus, ihr Flöhe, oder es gibt ein Donnerwetter. Was nützt es mir, wenn ihr in Rätseln sprecht?“
„Dad, Sir!“ rief Philip. „Wir kommen ja selbst noch nicht mit ihm klar.“
„Aber ihr versteht, was er sagt?“
„So ziemlich“, entgegnete Hasard junior.
„Dann fragt ihn doch zuallererst, was ihn so weit auf die See hinausgetrieben hat und von wem er überfallen wurde.“
Die Jungen nickten, sahen sich an, und dann ergriff Philip wieder das Wort. „Er hat uns folgendes erzählt, Dad: Er ist ein Fischer aus Pomos, das im Nordwesten Zyperns liegt. Am frühen Morgen lief er mit seiner Tartane aus, um Thunfische zu fangen.“
„Allein?“
„Allein – und gegen den Willen seiner Familienangehörigen. Er scheint ein richtiger Dickschädel zu sein, einer, der noch nicht zum alten Eisen zählen will.“
Der Kutscher mußte unwillkürlich lächeln. „Erstaunlich, wie sich die Dinge im Leben oft gleichen. Wenn ich an ein gewisses älteres Rauhbein an Bord unseres Schiffes denke …“
„Kutscher“, fiel der Seewolf ihm ins Wort. „Zum Philosophieren ist jetzt keine Zeit. Deine Überlegungen sind sicher wertvoll, aber du sparst sie dir am besten für später