Seewölfe Paket 13. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 13 - Roy Palmer


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      „Und der wäre?“ Hasard nahm hinter der zweiten Drehbasse Aufstellung und visierte über den Lauf die Schebecke an, die an Backbord der „Cruel Jane“ segelte.

      „Daß Lord Henry, dieser Hundesohn, heute nacht selber dran glaubt. Ob durch eine Kugel, durch Kielholen oder durch Aufhängen an der Rah, das soll mir egal sein – Hauptsache, er fährt zur Hölle.“

      „Ein frommer Wunsch“, sagte der Seewolf. „Mal sehen, ob er in Erfüllung geht.“

      Damit war sein Dialog mit Old O’Flynn vorläufig erschöpft, denn von der Back der anrückenden Piratengaleone ertönte jetzt laut und deutlich Lord Henrys Stimme.

      4.

      Henry stand mit abgespreizten Beinen auf der Back und hatte die Hände als Schalltrichter an die Mundwinkel gelegt. Neben ihm waren Tim Scoby, der schnauzbärtige Hüne mit den Ohrringen, Dark Joe, der dunkelhaarige, krummbeinige Pirat, und der hagere, hochaufgeschossene Codfish, dessen Platz im Großmars ein anderer eingenommen hatte.

      Mechmed und dessen vier Berber hatten auf Henrys Befehl hin auf dem Hauptdeck bleiben müssen, bei der Crew. Dalida stand schmollend auf dem Achterdeck, auch ihr war es nicht vergönnt, ganz vorn mit dabeizusein und etwas von dem Triumphgefühl zu kosten, das Henry schon jetzt empfand.

      Bei dem, was unweigerlich folgen mußte, wollte Lord Henry nur seine besten Männer in seiner Nähe wissen. Ein Entermanöver – ein Blitzangriff auf die „Isabella“ mit verblüffendem Erfolg, das war etwas, wovon er schon seit langem träumte. Die Taktik, die er bei anderen Überfällen angewendet hatte, war bei den Seewölfen bislang gescheitert, doch in dieser Nacht sollte es anders sein.

      Scoby war im Gegensatz zu Lord Henry, der nur eine schwarze Hose und ein weißes Hemd trug, geradezu exotisch kostümiert. Er hatte sich ein rotes Kopftuch ums Haupthaar geschlungen, sein blaues Hemd stand bis zum Bauchnabel hin offen. Über der nackten Brust prangte ein breiter Ledergurt, in dem zwei Pistolen steckten. Er hatte die Hände in die Seiten gestemmt und blickte mit höhnischem Lächeln zur „Isabella“, deren verziertes Heck groß und größer vor ihnen aus der Nacht trat.

      Killigrew, dachte er, das gibt ein Wiedersehen.

      Der Seewolf hatte Scoby in Ribeira Grande auf der Kapverden-Insel Santo Antão überwältigt und dann dafür gesorgt, daß er in den Kerker der Festung gesperrt wurde. Nur durch eine List hatte Scoby mit Reagan, den inzwischen ein tödliches Schicksal ereilt hatte, wieder fliehen können. Scoby empfand einen schwelenden Haß auf den Mann, der ihn seinerzeit und dann auch wieder vor der Küste der Toskana und in Neapel derart erniedrigt hatte – genau wie Dark Joe.

      Dark Joe war im Hafen von Ribeira Grande durch einen einzigen Hieb des Seewolfs gefällt worden, und dafür wollte sich der flinke kleine Mann noch „auf gebührende Weise“ bedanken.

      Und die anderen? Jeder hatte seinen ganz persönlichen Grund dafür, mit den Männern der „Isabella“ abrechnen zu wollen – wegen Santo Antão, wegen Elba und wegen Neapel. Die Stunde der Rache hatte geschlagen, und kein Wunder der Welt bewahrte die „Isabella“ davor, von der Dreimastgaleone der englischen Freibeuter und von der Schebecke der türkischen Seeräuber in die Zange genommen zu werden.

      Noch segelte die „Isabella“ zu langsam und wurde obendrein durch die Tartane behindert, die sie im Schlepp hatte. Selbst wenn die Männer des Achterdecks das Tau kappten, das ihr Schiff mit dem Einmaster verband, würde es ihnen nicht gelingen, binnen kurzer Zeit die acht Knoten Fahrt zu erreichen, die sie brauchten, um vor ihren Verfolgern davonzusegeln.

      „Killigrew!“ schrie Lord Henry. „Diesmal entwischst du uns nicht! Ergib dich, du hast keine Chance mehr! Streich die Flagge!“

      Er erhielt keine Antwort.

      „Killigrew!“ brüllte er noch einmal, diesmal lauter. „Du hast mich verstanden! Hol nieder die Flagge, oder ich eröffne das Feuer!“

      Er erwartete, daß sein Feind sich wieder in Schweigen hüllte, doch er hatte sich getäuscht.

      Die Stimme des Seewolfs ertönte hell und klar: „Henry, wenn du meine Flagge haben willst, mußt du sie dir schon holen!“

      „Sei kein Narr!“ brüllte Henry. „Siehst du nicht, daß wir in der Überzahl sind?“

      „Nein! Ich sehe nur eine Meute von Idioten!“

      „Killigrew – das bereust du noch, ich schwöre es dir!“

      „Spar dir deine Worte, sie finden hier kein Gehör!“

      „Zum letzten Mal, Killigrew …“

      „Ich warte auf dich, Henry!“ schrie der Seewolf – und die Art, wie er es rief, jagte selbst dem abgebrühten alten O’Flynn, der sich neben ihm hinter seine Drehbasse geduckt hatte, einen leichten Schauer über den Rücken. Wer hier der Stärkere war, sollte sich erst noch erweisen, aber wehe, Lord Henry unterlag! Hasard würde dieses Mal nicht zögern, kurzen Prozeß mit ihm zu machen. Oft genug hatte er ihn gewarnt und dazu ermahnt, nicht mehr den Kurs der „Isabella“ zu kreuzen. Jetzt war das Maß voll, voll bis zum Überlaufen.

      „Feuer“, sagte Henry in demselben Moment, in dem Old O’Flynn dies dachte, zu Codfish, der an die linke der vorderen Drehbassen auf der Back der „Cruel Jane“ getreten war. Codfish senkte das glühende Ende der Lunte auf das Bodenstück des Hinterladers und trat zur Seite.

      Knisternd fraß sich die Glut durch den Zündkanal bis hin zu der Pulverladung hinter der Kugel. Ein Krachen erfüllte die Luft, das Rohr ruckte in der Lafette, und ein Feuerblitz zerriß die Nacht und stach auf das Heck der „Isabella“ zu.

      Gezielt hatte Codfish auf das Hennegat der „Isabella“, denn Henry wollte als erstes die Ruderanlage des Gegners zerstören. Doch die Drehbassenkugel schlug links neben der Öffnung in den Heckspiegel, gleich unterhalb der Heckgalerie. Es knackte und knirschte, und plötzlich hatte die „Isabella“ ein ansehnliches Loch, doch das Steuerruder war nicht beschädigt.

      „Verdammter Mist“, sagte Codfish und trat hinter die rechte Drehbasse. „Ich hatte gedacht, sein verfluchtes Ruder gleich zu treffen, aber mit einer Kugel ist es wohl nicht getan.“

      „Egal“, sagte Henry kalt. „Gib gleich die nächste auf ihn ab, aber nicht aufs Hennegat, sondern auf die Kampanje. Dort steht der Seewolf.“

      Codfish wollte den Befehl unverzüglich ausführen, doch jetzt leuchteten über der Kampanje der „Isabella“ zwei Mündungsfeuer auf. Codfish hielt zwar noch die glimmende Zündschnur an das Bodenstück des auf der Balustrade montierten Geschützes, aber im nächsten Augenblick mußte er sich mit Henry, Dark Joe, Scoby und den anderen ducken, denn die Drehbassenkugeln des Feindes rasten mit bedrohlichem Heulen auf sie zu.

      Die eine schlug ins Vorkastell der „Cruel Jane“ und durchbohrte zwei Querschotten, ehe sie im Nebenraum des Mannschaftslogis zu Boden polterte. Die andere saß etwas höher. Sie zerriß die Mitte der Balustrade, fegte am Fockmast vorbei und verlor sich gleich darauf an Backbord in der Nacht. Es gab ein berstendes Geräusch, als die Balustrade zu Bruch ging. Die Holztrümmer wirbelten Henry und seinen Kumpanen um die Ohren.

      „Arwenack!“ hallte der alte Kampfruf der Seewölfe von Bord der „Isabella“ herüber. „Ar-we-nack!“

      Lord Henry erhob sich und schrie: „Die Drehbassen nachladen! Anluven! Wir geben ihm unsere Backbordbreitseite zu schmecken!“ Er fuhr zum Hauptdeck herum und rief auf spanisch: „Mechmed, Selim soll das Feuer eröffnen!“

      Mechmed gab es auf arabisch an Selim weiter, und dieser ließ sofort das Buggeschütz der „Grinta“ zünden. Feuer, Rauch und Donner verließen die Schebecke. Die Kugel eilte der „Isabella“ nach, lag aber nicht im Ziel, sondern schlug dicht hinter ihrem Heck neben der Tartane ins Wasser. Rauschend stieg eine Wassersäule aus der See auf.

      Selim, der wie Henry ganz vorn auf seinem Schiff stand, quittierte diesen Fehlschuß mit wilden Flüchen, dann drehte er sich zu seinen


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