Herzensöffnung (3): Später. Hero Leander

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Herzensöffnung (3): Später - Hero Leander


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warst du der erste Mann, der sich so rührend um mich gekümmert hatte, ohne etwas von mir zu wollen.

      Dann sagtest du mir, du wolltest mich nach Hause bringen. Mir war völlig unklar wie. Ich hatte nur deinen Jogginganzug an. So war ein Verlassen des Hotels unmöglich. Und schon verfiel ich wieder in das alte Denken, dass du mich bis zum nächsten Tag bei dir im Hotelzimmer behalten wolltest. Doch mir war alles so egal. Als du mir dann aber erzähltest, wie du mit dem Portier wegen mir gestritten hattest, fühlte ich mich plötzlich in deiner Obhut so geborgen. Ich wünschte mir, dass dieser Moment nie vergehen möge. Dann legtest du noch deinen Arm um mich und ich dachte, die Welt um mich bleibt stehen. Du gabst mir meinen Lebenswillen zurück, als du so positiv von mir sprachst. Dabei wusste ich, wenn du die Wahrheit erfährst, dann würdest du dich genauso abwenden wie alle anderen. Es war zum Verzweifeln. Da gab es einen Mann, der so lieb zu mir war und trotzdem unerreichbar blieb. Danach holtest du auch noch Essen für mich. Noch nie hatte mich ein Mann so verwöhnt. Ich hätte an diesem Tag alles für dich getan. Doch du brachtest mich nach Hause, nachdem du mir auch warme Kleidung von dir geliehen hattest, denn meine war ja noch nass.

      Mein Vater schimpfte mit mir und auch mit dir. So konnte ich dich, nachdem ich mich umgezogen hatte, nur noch verabschieden. Ich war überzeugt, dass ich dich nie wiedersehen würde und die große Traurigkeit kam zurück. Doch dann kam alles ganz anders. Du hattest einiges nicht verstanden, was mein Pappa sagte, und batest mich, dich auf dem Weg zum Hotel zu begleiten. Ich tat das sehr gern. Jede Minute mit dir wollte ich in mir aufnehmen, damit ich mich dann später erinnern könnte, wenn ich wieder allein gelassen an dich denken würde. Ich fühlte, wie ich dich von Minute zu Minute immer mehr liebte. Als du dann noch darauf bestandest, dass ich alles erzählen solle, was zu dem Namen Touristen-Maria führte, brach eine Welt für mich zusammen und mir war in dem Moment alles egal. Ich erzählte von meinen Kindern und ihren Vätern. Dann wartete ich darauf, dass du dich für immer von mir verabschieden würdest. Aber du fragtest mich, ob du meine Kinder kennenlernen dürftest. Da glaubte ich, ein Engel stehe vor mir. Kein Mann dieser Welt hatte noch Interesse an mir, geschweige denn an meinen Kindern. Du aber warst ganz anders als alle anderen. In dem Moment hattest du Hoffnungen bei mir geweckt, die ich schon lange begraben hatte. Als du mir dann noch sagtest, dass du dir ein Leben mit mir vorstellen könntest, wollte ich nichts anderes mehr, als nur noch für dich da zu sein.“

      Maria endete ihre Erzählung. Ihre Augen standen unter Wasser. Wolfram rückte, so nah es die Wanne hergab, an sie heran und nahm sie in seine Arme. „Arme Maria. Ich fühlte schon damals, dass du eine wundervolle Frau bist. Du warst so voller Leid und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb hast du mein Herz berührt. Als du mir dann noch von deinen Kindern erzähltest, öffnete sich mein Herz und du zogst dort ein. Ich war dagegen völlig machtlos. In dem Moment erkannte ich, dass du die Frau warst, nach der ich schon so lange suchte. Nichts sollte uns mehr trennen. Und so liebe ich dich heute immer noch.“

      Wieder schloss er sie in seine Arme und Maria genoss diese Umarmung. Das war es, weshalb sie diesen Mann so liebte. Er hatte sie von Anfang an verstanden. Die Traurigkeit verließ sie langsam wieder und machte einem Glücksgefühl Platz. Nun küsste sie ihn, wusch die Tränen flüchtig ab und lächelte wieder.

      „Ich erinnere mich aber auch, wie du uns dann den einfachen Angestellten vorgespielt hast. Es war so perfekt, dass wir alle darauf reingefallen sind. Trotzdem war es eine schöne Zeit, die ich um nichts missen möchte. Seit ich dich kenne, weiß ich erst, was man unter Glücklichsein versteht. Vor allem, seit wir hier in Sonnenberg sind. Und das hat nichts mit der Villa und deiner Firma zu tun. Ich war auch schon glücklich, als wir noch unten in Brünners Häuschen wohnten.“

      Nun erzählten sie, bei welchen Gelegenheiten sie immer wieder naiv gewesen und Wolframs Spiel auf den Leim gegangen waren. Der Wein wirkte auch langsam und so wechselte diese Unterhaltung immer mehr in belanglose Neckereien.

      Am Nachmittag, als die Kinder aus der Schule kamen, stand Maria schon wieder in der Küche und kochte die Makkaroni als Mittagessen, auf die sie in der Wanne verzichten musste. Ansonsten war alles wie immer. Den drei Mädchen fiel allerdings auf, dass Mutti viel fröhlicher als sonst war. Sie wunderten sich zwar, wollten aber auch nicht nach dem Grund fragen. Dieser Tag war ein Feiertag für Vati und Mutti. Das wussten sie.

      Am Abend setzten sie sich alle zusammen und stießen auf den Tag an. Inzwischen gab es schon drei Weintrinker in der Familie. Die beiden Kleinen mussten auch weiterhin mit Saft leben. Wie jedes Jahr erzählten Mutti und Vati vom Winter in Håp Land, vom Fjord und von ihrer kleinen Brücke. Für Laura waren diese Erzählungen schon etwas ermüdend. Sie hatte dieses „Aufwärmen“ der Vergangenheit noch von Omas Geburtstag im Ohr. Eva hingegen fand es immer wieder romantisch. Sie hätte stundenlang zuhören können.

      Der Februar verging und die Natur erwachte rings um ihre Villa. So fand man die Familie jetzt öfters draußen auf der Wiese oder in dem kleinen Wäldchen, was besonders den beiden Hunden gefiel. Für sie, die fast immer draußen waren und das Grundstück bewachten, war es eine willkommene Abwechslung, wenn sich die Kinder um sie kümmerten. Auch Maria und Wolfram spazierten jetzt öfter über ihr Gelände. Da nahmen sie ihre Hunde natürlich immer mit. Die beiden Katzen verließen selbstständig das Haus durch eine Katzenklappe. Sie waren ebenfalls meist draußen. Abends hingegen kamen sie oft rein und legten sich bei einem der Familie auf den Schoß, um ihre Streicheleinheiten abzuholen. Den Hunden war das nicht möglich. Sie konnten nur bis in einen extra für sie zurechtgemachten Kellerraum, in den sie durch eine Hundeklappe gelangten.

      Am 4. April wurde Julia vierzehn Jahre alt. Maria hatte schon lange gemerkt, dass ihre jüngste Tochter langsam in das Lager der Erwachsenen wechselte. Die Jungs waren plötzlich nicht mehr die blöden Kerle und ihr Wunsch, Laura in die Disko zu begleiten, wurde auch immer größer. Das gemeinsame Spielen mit Wolfram Junior gab es immer weniger; es sei denn, es handelte sich um Tischtennis im Keller. Das war etwas anderes, denn hier spielten oft auch ihre beiden großen Schwestern mit und manchmal sogar Mutti und Vati.

      Auch Julias Wünsche wurden immer erwachsener. An ihrem Ehrentag wünschte sie sich schon lange keinen Milchreis mehr als Mittagessen. Heute stand ein Drei-Gänge-Menü auf der Wunschliste, mit Kerzen und Weingläsern auf dem Tisch. So, wie sie es bei Laura an ihrem vierzehnten Geburtstag vor drei Jahren gesehen hatte.

      An diesem Tag merkte auch Wolfram, dass ihre Julia kein Kind mehr war. Dementsprechend waren auch die Geschenke. Auf Julias Geburtstagstisch lagen ausschließlich moderne, ausgesuchte Textilien. Wolfram bremste immer mal, wenn sie zu ausgefallen waren. Er achtete stets darauf, dass sie möglichst im normalen Bereich blieben.

      An diesem Tag gab es wie immer das Mittagessen nicht im Speise-, sondern im Klubzimmer. Tante Dagmar und Onkel Manfred feierten auch wieder mit. Der Tisch war schon vorbereitet, als die Kinder aus der Schule kamen. Julias Platz war mit vielen Blumen geschmückt. Ein Strauß weißer Rosen stand zwischen zwei wunderschönen Kerzenleuchtern auf einem weißen Tischtuch. Alles war sehr festlich. Als der erste Gang auf dem Tisch stand, stießen sie auf Julias Gesundheit an. Diesmal war auch in Julias Weinglas richtiger Wein. Das hatte sie sofort bemerkt. Sie hätte auch darauf aufmerksam gemacht und darauf bestanden, wenn dies nicht so gewesen wäre. Schließlich war sie ja jetzt vierzehn Jahre alt und kein Kind mehr. So hatten nur noch der große und kleine Wolfram Saft im Glas. Als sie aber auf Julias Gesundheit anstießen, verzog das Geburtstagskind dann doch etwas den Mund. Der gewohnte Saft war viel süßer als der Wein.

      Nach dem Essen stellte ihr Vati fest: „Jetzt hast du den ersten Schritt ins Erwachsensein gemacht. Nun kommen aber nicht nur mehr Rechte auf dich zu, sondern auch Pflichten. Das solltest du dabei nicht übersehen. Dafür darfst du jetzt aber abends länger aufbleiben.“ Bei dem letzten Satz strahlte Julia wieder.

      Da das Wetter es gut mit Julia meinte, machten sie einen Verdauungsspaziergang runter zum See. Als Julia die Leine von einem der beiden Hunde nehmen sollte, kam zum ersten Mal ein offener Protest. So nahm ihr Vater den Hund, sagte ihr aber gleich, dass es so eine Ausnahme nur an ihrem Geburtstag gäbe.

      Nachdem die Eltern etwas zurückgefallen waren, sagte Wolfram zu seiner Frau: „Julia wird auch immer schwieriger.“

      Da lachte Maria und meinte: „Sie ist kein Kind mehr! Das wird jetzt immer


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