Abenddämmerung im Westen. Wieland Becker

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Abenddämmerung im Westen - Wieland Becker


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Die neugewählte Regierung unter Patrice Lumumba entschied sich für eine Verstaatlichung der in ausländischer Hand befindlichen Industrieanlagen. Der Kongo galt damals als das Land mit den meisten natürlichen Reichtümern des Kontinents. Deshalb war dieser Schritt für die einstige Kolonialmacht nicht hinnehmbar. Mit Hilfe der CIA und politischer Gegner Lumumbas im Kongo wurde er entmachtet, mit zwei Gefährten verhaftet, gefoltert und im Beisein belgischer Offiziere erschossen. Am folgenden Tag wurde sein Leichnam wieder ausgegraben und mit Säure zersetzt und „verstreut“. Es war ein unmissverständliches Signal des Kapitals. Der Kongo war – wie schon gesagt – ein an Bodenschätzen und Industrieanlagen reiches Land. Schon lange ist das seither von Bürgerkriegen und Machtkämpfen zerrissene Land eines der Ärmsten in Afrika.

      Nigeria und Biafra, der Sudan, Äthiopien, Mozambique, Ruanda, Somalia, Mali, Zentralafrika – Länder, in denen entweder Konflikte zwischen unterschiedlichen Volksgruppen oder aggressive, radikalisierte islamische Gruppierungen immer neue Bürgerkriege auslösen, die zu mörderischen Machtkämpfen und Vernichtungsfeldzügen werden, zu Massakern unter der Zivilbevölkerung, wo Millionen Menschen zu flüchten versuchen vor den todbringenden Formationen mit und ohne Uniform…

      Der Subkontinent war nach 1945 ein Eldorado US-amerikanischer Firmenimperien, die (mit Unterstützung einheimischer Latifundienbesitzer) geradezu modellhaft die Ausbeutung der Bauern und der Arbeiter in der Weiterverarbeitung betrieben. Da die Länder aber über eine längere nationalstaatliche Geschichte verfügten, traf die Herrschaft der US-Monopole auf Kritik und Widerstand von Seiten der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter wie auch der Landarbeiter, der Intelligenz und der Kunst- und Kulturschaffenden. Dort, wo sich diese Kräfte vereinigten (unter Mitwirkung der meist kleinen kommunistischen Parteien), ihre Forderungen erhoben und damit auf die Straße gingen, geschah immer das Gleiche. Ob Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien oder kleinere Staaten von Bolivien bis El Salvador: Wuchs der Widerstand, den die bürgerlichen Regierungen nicht zerschlagen konnten oder wollten, dann war umgehend – mit dem stillen Segen oder mit Hilfe der CIA – eine Militärjunta „bereit“ die Macht zu übernehmen und diese mit größtmöglicher Brutalität zu sichern. Die „Todesschwadronen“ und die mörderischen Geheimdienste wurden zum Synonym dieser Diktaturen, willkürliche Verhaftungen, Folter und spurloses Verschwinden von Inhaftierten gehörten zum Alltag.

      Mit allen Diktatoren – ob Stroeßner, Duvallier oder Pinochet –, die in ihren Ländern als „Bollwerke gegen den Kommunismus“ skrupellos, korrupt und mörderisch agierten, fühlten sich die USA, der „Hort der Freiheit“, über Jahrzehnte eng verbunden. Und so waren die alltägliche und radikale Missachtung der Menschenrechte auch für die westeuropäischen Demokratien völlig bedeutungslos. Heute will sich in der freien Welt der Industrienationen kaum jemand an die Mitschuld allein durch das Schweigen erinnern. Der Kampf gegen den Kommunismus rechtfertigte jedes Mittel. Dabei waren schließlich auch nicht wenige Angehörige des Klerus der katholischen Kirche, die sich dem mit ihrer „Theologie der Befreiung“ entgegenstellten.* Und niemand benennt die Zahl der Toten und für immer Verschwundenen oder das mörderische Schuldkonto der CIA.

      Der Widerstand formierte sich in Guerillakämpfern wie den Sandinisten in Nicaragua oder einer Gruppierung wie „Der leuchtende Pfad“. In Kolumbien herrschten seit den 50er Jahren ein ständiger – nur zeitweise unterbrochener – Bürgerkrieg und ein blutiger Kampf der Drogenkartelle.

      Nach 1990 schienen sich die politischen Bedingungen in Lateinamerika zu verändern, war doch die Gefahr kommunistischer „Infiltration“ gebannt und Diktaturen „nicht mehr notwendig“. Dafür sahen sich einige Staaten einer neuen Gefährdung des inneren Friedens ausgesetzt: Drogenkartelle und ihr alltäglicher Krieg untereinander und gegen die Staatsmacht führten zu Destabilisierung, Mord, Korruption. Drogenkriege machten aus einem Staat wie Mexico, einst ein ungewöhnliches Beispiel für Liberalität, kulturelle und künstlerische Vielfalt, ein Land, dessen Bürger im permanenten Ausnahmezustand überleben müssen.

      Keine andere Region war nach 1945 (bis heute) derart von Konflikten – Kriegen und Bürgerkriegen – geprägt wie der Nahe Osten. Der Gründung des Staates Israel 1948, dem eine Massenflucht arabischer Einwohner Palästinas vorausging, folgte ein massiver Angriff der arabischen Staaten mit dem Ziel, den israelischen Staat zu vernichten. Weitere Kriege folgen 1956, 1967, 1973, in denen die israelische Armee siegt und bestimmte Regionen besetzte. Ungelöst bleibt das Problem der palästinensischen Flüchtlinge (bis heute). 1964 wird die PLO gegründet und unter Führung Jassir Arafats die „Al-Fatah“. Es entstehen weitere organisierte militante Gruppen, die sich als Fedajin bezeichnen. Ständige militärische und zunehmend terroristische Aktionen prägen die Folgezeit. 1979 kommt es zum Friedensschluss zwischen Israel und Ägypten; die militanten Palästinenser werden aus Jordanien vertrieben, Israel besetzt ganz Jerusalem. Es sind die Jahre des Terrors der „Al-Fatah“ und anderer Gruppen. Der Libanon wird zum Schauplatz von Bürgerkrieg und Machtkämpfen zwischen christlichen Milizen und Palästinensern, das Land wird zerstört…Anfang der 90er Jahre scheiterten die bis dahin erfolgversprechenden Friedensbemühungen zwischen Arafat, Peres und Rabin, die vom US-Präsidenten Clinton mitgestaltet wurden, als Itzak Rabin nach einer Friedenskundgebung am 4. November 1993 in Israel ermordet wurde. Mit dem Machtwechsel 1979 im Iran, als die Herrschaft des Schahs beendet wurde und eine islamische Republik unter Führung des Ayatollah Khomeini entstand, erhielt Israel einen neuen mächtigen Gegner.

      Ein haltbarer Friedensschluss und die Schaffung eines Palästinenserstaates scheinen in noch weitere Ferne gerückt …

      *

      Waren es einst die Briten, so sind es seit Jahrzehnten die USA, die in der erdölreichen Region dominierten. Bis 1979 konnten sie sich auf drei der großen Staaten stützen. Zum einen auf den Iran mit seiner überwiegend schiitischen Bevölkerung, zum anderen auf den Irak, in dem Saddam Hussein, eine diktatorische Herrschaft der sunnitischen Minderheit über die schiitische Bevölkerungsmehrheit sicherte und schließlich auf Saudi-Arabien, ein sunnitisches Königreich, ein repressiver Staat, in dem die Wahhabiten als extremistische religiöse Gruppierung für die Sicherung feudaler Machtverhältnisse stehen. Die Feindschaft zwischen Schiiten und Sunniten gehört zur Geschichte des Islam.

      1979 verloren die USA mit der Machtergreifung der Ayatollahs im Iran ihren einzigen schiitischen „Partner“ und sahen sich mit einem zunehmenden Anti-Amerikanismus konfrontiert, der sich weiter verschärfte, als sie den Irak unter Saddam Hussein dazu „bewegten“, den Iran militärisch besiegen zu wollen. Der Krieg begann 1980 und endete nach furchtbaren Verlusten in den Wüstengebieten 1988. Ausgerechnet in Saudi-Arabien, dem letztlich einzig verbliebenen Bündnispartner der USA, wurde in diesen Jahren ein terroristisches Netzwerk gegründet, das „El Quaida“ genannt wurde und sich in einer Vielzahl von Gruppen und Gruppierungen über die Welt ausbreitete. Mit Selbstmordattentaten und Bombenanschlägen auf Militäreinrichtungen und öffentliche Gebäude versuchen religiös motivierte Fanatiker und manipulierte junge Männer Angst und Schrecken zu verbreiten und für islamische „Gottesstaaten“ zu kämpfen. Als Saddam Hussein nach dem gescheiterten Irankrieg Kuwait besetzte, griff sein einstiger Bündnispartner, die USA, unterstützt von Truppen anderer NATO-Staaten ein, befreiten mit einem Mandat der UN Kuwait und stießen nach Bagdad vor, zogen sich dann aber zurück. Der Irak wurde weiter als Gefahr für den Weltfrieden gesehen und mit Sanktionen belegt, die – wie immer – vor allem die Bevölkerung trafen. Dann folgte der 11. September 2001 mit der Zerstörung der Twintowers in New York. Die Bush (jr.)-Administration entschied sich für einen Militärschlag gegen den Irak mit dem Ziel, Saddam Hussein zu entmachten, dem Irak die Demokratie zu bringen, Husseins BC-Waffenarsenale zu vernichten und „El Quaida“ zu zerschlagen. Das Resultat: Hussein wurde gehängt, BC-Waffen nicht gefunden; ebenso ging der Schlag gegen “El Quaida“ ins Leere, die, von Hussein bekämpft, im Irak nicht existent war. Und die Zielsetzung, dem Irak die Demokratie bringen zu wollen verlor sich sehr schnell im Wüstensand. Dafür begann ein bis heute andauernder Bürgerkrieg zwischen Schiiten und Sunniten…

      Das alles muss im Zusammenhang mit dem Desaster der USA in Afghanistan


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