Im Austausch mit der Welt. Andrea Franc

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Im Austausch mit der Welt - Andrea Franc


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trug die Schweiz im Rahmen der Geistigen Landesverteidigung unter der Losung «Schweizerart ist Bauernart» durch den Zweiten Weltkrieg und prägte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Europapolitik. Vorortsdirektor Gerhard Winterberger unterschrieb Briefe an seinen Mentor, den in Genf unterrichtenden Ökonomieprofessor Wilhelm Röpke, mit «Ihr Hirtenknabe» und gab sich damit selbst unumwunden die Rolle Davids. Dass die umliegenden europäischen Grossmächte und die sich gerade bildende EWG Goliath sei, steht ebenso in Winterbergers Schriften: Ein Beitritt der Schweiz zur EWG würde «der Schweiz den Todesstoss versetzen und unsere politische Lebensform auslöschen», schrieb Winterberger 1960. Der «geistige Habitus der Bergbauern» habe die Schweiz erfolgreich durch die Jahrhunderte getragen, während die europäischen Adligen auf die Schweizer als Bauerntölpel heruntersahen, aber eigentlich neidisch waren auf deren Freiheit. Diesen Neid der europäischen Aristokratie auf die freien Schweizer hat Friedrich Schiller in seinem Theaterstück über Wilhelm Tell der Stauffacherin in den Mund gelegt, die ihren Mann anstachelt:

      Er ist dir neidisch, weil du glücklich wohnst,

      ein freier Mann auf deinem eignen Erb’.

      Denn er hat keins.

      Vom Kaiser selbst und Reich trägst du dies Haus zu Lehn,

      du darfst es zeigen.

      Dieses Bild des einfachen Bauern, Hirten oder Holzfällers, der lieber in Armut lebt und hart arbeitet, als vor fremden Vögten niederzuknien, bestimmt bis heute die Wirtschaftspolitik der Schweiz. Die Beschwörung der Widerborstigkeit der einfachen, aber freien Eidgenossen war insbesondere in der Zeit des Absolutismus und der politischen Wirren bedeutsam, als Schweizer Kaufleute sich nicht an die merkantilistischen Schutzgesetze der Grossmächte hielten und exportieren fast zwangsläufig schmuggeln bedeutete. Geschmuggelt haben Schweizer Kaufleute im Ancien Régime nicht nur Indiennes (bunt bedruckte Baumwollstoffe), Uhren und Tabak, sondern auch in Europa verbotene oder zensurierte Bücher. Wirtschaft und Weltanschauung, der Austausch von Waren oder Ideen, waren untrennbar miteinander verbunden. Die Französische Revolution von 1789, die dem Zeitalter des Absolutismus buchstäblich die Halsschlagader durchtrennte, machte den Export von Waren und Ideen aus der Schweiz für die kommenden zwei Jahrzehnte noch lebensgefährlicher. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren viele Regionen der Schweiz trotz halsbrecherischer Schmuggeltätigkeit der Schweizer Kaufleute verarmt. Napoleons Wirtschaftsblockade war noch effektiver als seine militärischen Verwüstungen.

      Die Französische Revolution brachte nicht nur – wie alle europäischen Revolutionen – innert weniger Jahre Tausende von Flüchtlingen in die Schweiz, sondern auch neue Ideen, die von Schweizer Politikern vertreten und mancherorts freiwillig, mancherorts erst nach dem Einfall französischer Truppen unter Zwang umgesetzt wurden. Im April 1798 löste die Helvetische Republik die Alte Eidgenossenschaft ab. Laut der neuen Verfassung waren alle eidgenössischen Kantone politisch gleichgestellt, und alle über zwanzigjährigen Männer – mit Ausnahme der Juden – erhielten das Aktivbürgerrecht. Die Helvetik, die Umbruchphase zwischen 1798 und der Mediation Napoleons 1803, setzte den vielen verschiedenen, über Jahrhunderte gewachsenen regionalen politischen Abhängigkeiten sowie den unterschiedlichsten Rechtsformen für Einwohner der Schweiz ein radikales Ende. Die Helvetische Republik drohte im Bürgerkrieg zu zerfallen. Die neuste historische Forschung geht davon aus, dass die Mediationsverfassung Napoleons für den Weiterbestand der Schweiz als Staat in Europa verantwortlich ist. Hauptsächlich machte Napoleon die Zentralgewalt in der helvetischen Verfassung rückgängig und verfügte wiederum eine föderale Form, das heisst die Souveränität der Kantone. Es ist somit eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet der Föderalismus, das Alleinstellungsmerkmal des Schweizer Staates, von einem der blutigsten Diktatoren der europäischen Geschichte bestimmt wurde.

      Der Begriff Subsidiarität ist die juristische Bezeichnung für das Prinzip der Selbstverwaltung auf kleinstmöglicher Ebene. In der Moderne wurde die Theorie der Subsidiarität zunächst in der katholische Soziallehre von Papst Pius XI. im Jahr 1931 formuliert. In diesem Kontext stand Subsidiarität zunächst ethisch-anleitend; der Einzelne sollte für sein Tun Verantwortung übernehmen. Danach wurde die Idee von liberalen Ökonomen wie Friedrich August von Hayek weiterentwickelt, die das Recht des Einzelnen auf Freiheit sowie dessen Bedeutung für ökonomische Effizienz und für die Bewahrung des Marktes als Entdeckungsverfahren hervorhoben. Das Subsidiaritätsprinzip ist ein zentrales Element des ordnungspolitischen Konzepts der Sozialen Marktwirtschaft, wie es in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg umgesetzt wurde. Das Subsidiaritätsprinzip ist in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union von Maastricht von 1992 sowie in Artikel 5.a in der neuen Schweizerischen Bundesverfassung von 1999 verankert. Souveränität, oder landläufig Selbstbestimmung, bezeichnet die ausschliessliche rechtliche Selbstbestimmung.

      Die mit Abstand älteste Handelskammer der Schweiz ist die Industrie- und Handelskammer St. Gallen-Appenzell. Im ausgehenden Mittelalter schloss sich eine Gruppe St. Galler Kaufleute in der Notenstein-Gesellschaft zusammen, um ihren europaweiten Leinwandhandel zu organisieren. Ein erstes Mitgliederverzeichnis datiert vom 15. August 1466. Die Kaufmannsfamilie Zyli, seit Beginn Mitglied der Notenstein-Gesellschaft, stieg im Laufe des 18. Jahrhunderts ins Bankgeschäft ein. Sitz des Unternehmens war das Haus zum Notenstein beim Brühltor, am Rand der St. Galler Altstadt. In den 1630er-Jahren war die mittelalterliche Gesellschaft zu Notenstein mit ihren wenigen Mitgliedfamilien überholt. Die gesamte städtische Unternehmerschaft konstituierte sich neu in einer Generalversammlung und in den kommenden Jahren entstand die kaufmännische Corporation St. Gallen, die von einem Direktorium geführt wurde. Das kaufmännische Directorium St. Gallen – wie es von da an noch bis in die 1990er-Jahre genannt wurde – nahm lokale markt- und finanzpolitische Aufgaben wahr und vertrat die handelspolitischen Interessen der St. Galler Kaufleute gegenüber den eidgenössischen Orten sowie dem Ausland. Konkurrenz erwuchs den St. Gallern aus dem Appenzell. Im 18. Jahrhundert prägte die reformierte Familie Zellweger den Handel mit Leinwand, später mit Rohbaumwolle und Baumwollgeweben. Die Familie führte erfolgreiche Textilunternehmen mit Filialen in Lyon, Genua und Barcelona. Während der napoleonischen Kontinentalsperre zu Beginn des 19. Jahrhunderts setzten sich insbesondere die St. Galler und Appenzeller Kaufleute für die Bewahrung des Freihandels ein. Der St. Galler Kaufmann Carl Emil Viktor von Gonzenbach, 1863 bis 1886 Präsident des Directoriums, war massgeblich an der Gründung des Schweizerischen Handels- und Industrievereins beteiligt. Da die kaufmännische Corporation nur Bürger der Stadt St. Gallen zuliess, erfolgte 1875 die Gründung eines kantonalen Handels- und Industrievereins, der 1887 nebst dem Directorium ebenfalls Mitglied des SHIV wurde. Im 20. Jahrhundert war der St. Galler Textilunternehmer Ueli Forster Mitglied des kaufmännischen Directoriums und nach dessen Fusion mit dem Handels- und Industrieverein zur Industrie- und Handelskammer St. Gallen-Appenzell 1991 ihr erster Präsident. 2001 übernahm Forster das Präsidium der neu gegründeten Economiesuisse.

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      Das Haus der Gesellschaft zum Notenstein neben dem Brühltor in St. Gallen, 17. Jahrhundert.

      Die napoleonische Kontinental­sperre (1803–1813)

      Die Schweiz im globalen Wirtschaftskrieg

      Die napoleonischen Kriege kosteten nicht nur Millionen Menschen das Leben, die Zeit der napoleonischen Herrschaft war auch ein über Jahre andauernder Wirtschaftskrieg, insbesondere gegen England, der den europäischen Kontinent verarmen liess. Während zehn Jahren hatten nach der Französischen Revolution 1789 in Frankreich bürgerkriegsähnliche Zustände geherrscht, sodass die Herrschaft Napoleons in der Geschichtsschreibung oft in positivem Licht erscheint. Napoleon trat 1799 als einer von drei Konsuln an die Spitze Frankreichs, 1804 liess er sich zum Kaiser krönen, 1815 verbannten ihn die Alliierten auf die britische Insel Elba.

      Während die einstmalige Wirtschaftsmacht Frankreich im 18. Jahrhundert unter dem Sonnenkönig Ludwig XIV. und seinen


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