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Gesundheit, bei der davon ausgegangen wird, dass sich Gesundheit über die gesamte Lebensspanne täglich verändert.

       Gesundheit im Spannungsfeld

      Ein drittes Spannungsfeld entsteht zwischen der körperlichen sowie der psychischen und sozialen Perspektive. Diese sind durch die jeweiligen wissenschaftlichen Fachdisziplinen geprägt, z. B. durch Medizin, Psychologie, Soziologie, Rechtswissenschaft oder Gesundheitswissenschaften. Die vierte Spannungslinie ist mit der Frage verknüpft, ob die Entstehung von Gesundheit oder Krankheit in den Blick genommen wird.

      Selbstlernaufgabe: Setzen Sie folgenden Satz für sich fort: „Ich bin krank, wenn…“. Welche Merkmale Ihres persönlichen Krankheitsverständnisses können Sie für sich festhalten?

      Ein bio-psycho-soziales Modell von Gesundheit und Krankheit etabliert sich im Fachdiskurs. In der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung aus dem Jahr 1946 (World Health Organisation [WHO] Europa 1986) wurde Gesundheit definiert als “a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity”.

      Darin ist eine deutliche Abkehr von einem rein biomedizinisch orientierten Gesundheitsverständnis zu erkennen. Kritisch kann an dieser begrifflichen Festlegung die darin enthaltene Statusannahme (state) sowie der Anspruch auf Vollständigkeit, wie er im Wort complete enthalten ist, gesehen werden.

      Mit dem bio-psycho-sozialen Modell von Gesundheit und Krankheit wurde eine Abkehr vom ausschließlich biomedizinischen Modell mit seinem reduktionistischen Erklärungsmodell eingeleitet (Engel 1976, Wesiack 1988, Franke 2012). Das bio-psycho-soziale Modell geht davon aus, dass Biologisches, Psychisches und Soziales in einer dynamischen Beziehung verbunden sind. Es kann mittlerweile als sehr verbreitet angesehen werden. Die Betrachtung von medizinischen Publikationen zeigt jedoch noch immer eine Dominanz der biologisch-medizinischen Wissenschaft (Hurrelmann / Richter 2016).

       Der Mensch als System

      Die Wurzeln des bio-psycho-sozialen Modells liegen in der systemtheoretischen Betrachtung des Menschen (Egger 2005). Diese Sichtweise wurde von Engel (1976) begründet, der das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell entwickelt hat. Der Grundgedanke ist dabei, dass die Natur in hierarchisch aufeinander aufbauenden Systemen geordnet ist. Auf jeder Hierarchieebene existiert ein dynamisch organisiertes System mit spezifischen Qualitäten und Beziehungen. Nichts existiert isoliert. Alle Organisationsebenen reagieren vernetzt, und Veränderungen auf einer Systemebene haben immer Auswirkungen auf alle anderen Teilsysteme. Die Person als System mit ihrer Körperlichkeit, ihren organischen Strukturen sowie ihrem Erleben und Verhalten wird als Ganzheit verstanden, die sich aus Subsystemen zusammensetzt, die wiederum hierarchisch aufgebaut sind (Egger 2005). Sowohl mentale als auch körperliche Phänomene werden durch physiologische und physikalisch-chemische Ereignissen erzeugt, sind jedoch nicht auf diese reduzierbar.

       Hierarchie im System

      Phänomene, die auf der höheren Hierarchieebene existieren, sind auf einer niedrigeren Ebene noch nicht vorhanden. Auf neurobiologischem Niveau können komplexe Erlebens- und Verhaltensweisen nicht erklärt werden. Beispielsweise lässt sich Empathie nicht durch vielfältige nervale, biochemische Erregungsmuster verstehen. Es werden keine adäquaten Erklärungen für die Komplexität der seelischen Phänomene gegeben (Egger 2005). Das bedeutet, dass die Entstehung von Symptomen, die Ätiologie von Erkrankungen sowie die Behandlung von gesundheitlichen Störungen immer sowohl biologisch als auch psychologisch (Egger 2005) zu betrachten sind. Egger definiert Gesundheit wie folgt:

       „Im bio-psycho-sozialen Modell bedeutet Gesundheit die ausreichende Kompetenz des Systems „Mensch“, beliebige Störungen auf beliebigen Systemebenen autoregulativ zu bewältigen. Nicht das Fehlen von pathogenen Keimen (Viren, Bakterien etc.) oder das Nichtvorhandensein von Störungen / Auffälligkeiten auf der psycho-sozialen Ebene bedeuten demnach Gesundheit, sondern die Fähigkeit, diese pathogenen Faktoren ausreichend wirksam zu kontrollieren“ (Egger 2005, 5).

      In der Erweiterung des Modells von Engel schlägt Egger (2005) bei der Betrachtung von gesundheitlichen Fragestellungen in Diagnostik und Therapie die Untersuchung der biomedizinischen, psychologischen und ökosozialen Ebene vor. Auf der biologischen Ebene werden biomedizinische Daten erhoben und physikalische, medikamentöse oder chirurgische Interventionen eingesetzt.

       Diagnostik und Therapie

      Bei der psychologischen Betrachtung werden individuelles Erleben und Verhalten sowie der subjektive Lebensstil untersucht. Therapeutisch erfolgen psychologische bzw. ärztliche Beratung, psychophysische Regulationsverfahren oder Psychotherapie. Die ökosoziale Diagnostik nimmt familiäre, beruflich-gesellschaftliche und umweltbezogene Lebensbedingungen in den Blick. Als Behandlungsformen werden PatientInneninformation, die Vermittlung von Hilfe in der Familie, am Arbeitsplatz, bei den zuständigen Behörden und psycho-soziale Beratung und Vereinsangebote vorgeschlagen (Egger 2005).

      Selbstlernaufgabe: Übertragen Sie das bio-psycho-soziale Modell nach Egger (2005) auf Ihre eigene gesundheitliche Situation.

      In der ICF (International Classification of Function, Disability and Health) hat die WHO (World Health Organization) das bio-psycho-soziale Verständnis erweitert und spezifiziert. Die ICF wurde in Ergänzung der ICD (International Classification of Diseases) entwickelt. Die ICF gehört zu den von der Weltgesundheitsorganisation entwickelten Instrumenten der Klassifikationen von unterschiedlichen Aspekten der Gesundheit.

       Funktionelle Gesundheit (ICF)

      Die ICD stellt ein Klassifikationssystem für die Einordnung von Störungen der Gesundheit dar. Funktionsfähigkeit und Behinderung, verbunden mit einem Gesundheitsproblem, sind Thema der ICF. Die WHO beschreibt Gesundheit als Wechselwirkung zwischen den Komponenten Aktivitäten, Teilhabe, Umweltfaktoren (gleichbedeutend mit Kontextfaktoren) und personalen Faktoren. Es besteht eine dynamische Wechselbeziehung und durchgängig vielschichtige Interaktion zwischen diesen Komponenten der funktionalen Gesundheit (Abb. 3).

      Abb. 3: Wechselwirkungen zwischen den Komponenten der ICF (DIMDI 2005, 23)

      Die ICF versteht unter dem Begriff Körperstrukturen die anatomische Basis des menschlichen Körpers, wie z. B. Organe, Muskelskelettsystem. Unter Körperfunktionen werden die physiologischen Funktionen von Körpersystemen (einschließlich der mentalen Funktionen) verstanden (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005).

      Körperstrukturen und -funktionen können beeinträchtigt werden, so dass diese von der Norm abweichen oder sogar verloren gehen (Begriff der Schädigung) (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005). Mit der Komponente Aktivität wird die Durchführung einer Aufgabe oder Handlung (Aktion) durch einen Menschen beschrieben (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005). Partizipation (Teilhabe) beschreibt das Einbezogensein des Menschen in eine Lebenssituation. Sind Aktivitäten beeinträchtigt, kann eine Person Einschränkungen bei der Durchführung einer Handlung haben.

       Förder- / Barrierefaktoren

      Eingeschränkte Handlungsfähigkeit kann ein Barierrefaktor beim Einbezogensein in eine Lebenssituation darstellen (Beeinträchtigung der Partizipation / Teilhabe). Die Komponente der Umweltfaktoren oder auch Kontextfaktoren beschreibt die materielle, soziale und einstellungsbezogene Umwelt, in der Menschen ihr Dasein führen. Umweltfaktoren können gesundheitsförderlich sein (Förderfaktoren) oder als gesundheitliche Barrieren (Barrierefaktoren) eingeschätzt werden (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005).

      Personenbezogene


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