Bio-psycho-soziales betriebliches Gesundheitsmanagement für Sozial- und Gesundheitsberufe. Ruth Haas
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Abb. 6: Gesundheit als Wechselspiel von Anforderungen und Ressourcen (nach Becker 2006)
Störungen der Gesundheit werden nach Becker als Passungsstörungen zwischen Mensch und Umwelt betrachtet. Die jeweiligen krankheits- bzw. gesundheitsbezogenen Sichtweisen entsprechen subjektiven Wirklichkeitskonstruktionen, die es abzugleichen gilt. Gesundheit steht in engem Zusammenhang mit der Befriedigung von physiologischen, emotionalen und psychosozialen Bedürfnissen auf der Basis von internen und externen Ressourcen (Becker 2006).
Gesundheit als Bedürfnisbefriedigung
Es stellt sich die Frage, ob die Lebensbereiche ausreichend Ressourcen anbieten, um interne oder externe Anforderungen zu bewältigen. Unter internen Anforderungen werden Bedürfnisse verstanden. Dazu gehören physiologische Bedürfnisse, Explorations- und Selbstaktualisierungsbedürfnisse sowie nach Sicherheit, Orientierung und Kontrolle. Soziale Bedürfnisse nach Liebe, Bindung, Achtung und Wertschätzung werden ebenso den internen Anforderungen zugeordnet (Becker 2006).
Interne und externe Anforderungen
Ziele, Wünsche, Ich-Ideale, Werte, Normen und Regeln wirken zudem als interne Anforderungen. Anforderungen, die von der Umwelt ausgehen, wie z. B. soziale Regeln, Normen, Vorschriften werden als externe Anforderungen (Becker 2006) verstanden. Diese lassen sich unterschiedlichen Lebensbereichen zuordnen (Becker 2006): Ausbildung, Beruf, Arbeit, (Kern)Familie und Partnerschaft, Freundeskreis und Freizeit.
Interne und externe Ressourcen
Externe Ressourcen können in den Lebensbereichen Familie, Soziales Netzwerk, Arbeit, Ausbildung zu finden sein. Um Ressourcen von außen nutzen zu können, benötigen Menschen interne Ressourcen (Becker 2006):
■ Wissen und Intelligenz
■ Soziale Kompetenzen
■ Körperliche Fitness und Attraktivität
■ Persönlichkeitseigenschaften: Extraversion / Offenheit, Verträglichkeit, Gewissen, Kontrolliertheit, emotionale Intelligenz, hohes Selbstwertgefühl
■ Hohe internale Kontrollüberzeugung und Selbstwirksamkeitserwartung
Gesundheit steht in engem Zusammenhang mit der Befriedigung von physiologischen, emotionalen und psycho-sozialen Bedürfnissen auf der Basis von internen und externen Ressourcen.
Selbstlernaufgabe: Wie unterscheidet sich das Salutogenese-Modell von Antonovsky von dem SAR-Modell von Becker? Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede sind feststellbar?
1.3 Auf dem Weg zu einem integrativen und interdisziplinären Gesundheitsverständnis
Zur Entwicklung eines integrativen und interdisziplinären Gesundheitsverständnisses, das disziplinübergreifend konsensfähig ist, definieren Hurrelmann / Richter (2013) acht Leitsätze für eine begriffliche Annäherung:
„Maxime 1: Gesundheit und Krankheit ergeben sich aus einem Wechselspiel von sozialen und personalen Bedingungen, welches das Gesundheitsverhalten prägt“ (Hurrelmann / Richter 2013, 139).
Das Gesundheitsverhalten wird nicht der alleinigen Verantwortung des Individuums zugeschrieben, sondern steht in einer Wechselbeziehung mit der Lebenswelt, der Gesellschaft und der Persönlichkeit des Menschen. Dies erklärt, warum Menschen sich entgegen ihres kognitiven Wissens teilweise nicht gesundheitsorientiert verhalten und gesundheitliche Risiken eingehen.
Für die betriebliche Gesundheitsförderung lässt sich davon ableiten, dass diese Wechselbeziehung in den Blick genommen werden sollte. Das bedeutet, dass sowohl das individuelle Verhalten als auch die Arbeitsverhältnisse in die Betrachtung einbezogen werden müssen.
„Maxime 2: Die sozialen Bedingungen (Gesundheitsverhältnisse) bilden den Möglichkeitsraum für die Entfaltung der personalen Bedingungen für Gesundheit und Krankheit“ (Hurrelmann / Richter 2013, 140).
Soziale Bedingungen ermöglichen oder behindern die Entfaltung von personellen Gesundheitspotentialen oder Defiziten.
Mit der Digitalisierung ist ein hohes Maß an Sitzen an Büroarbeitsplätzen verbunden. Dies sorgt möglicherweise dafür, dass Menschen, die grundsätzlich gerne körperlich aktiv sind, psychisch ermüdet nach Hause kommen und keine Energie mehr zu körperlicher Aktivität aufbringen. Umgekehrt kann eine Berufswahl, die mit körperlicher Aktivität verbunden ist, dafür sorgen, dass sich ein Mensch ausreichend bewegt, obwohl Sport nicht zu seinem Interessenspektrum gehört.
„Maxime 3: Gesundheit ist das Stadium des Gleichgewichts, Krankheit das Stadium des Ungleichgewichts von Risiko- und Schutzfaktoren auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene“ (Hurrelmann / Richter 2013, 141).
Faktoren, die das Risiko für das mögliche Auftreten einer Erkrankung fördern, wie zum Beispiel Rauchen oder Bewegungsmangel stehen in einer Wechselbeziehung mit anderen körperlichen, psychischen und sozialen Schutz- und Risikofaktoren.
So kann Rauchen einerseits zu einem subjektiv wahrgenommenen Entspannungsempfinden führen, da die Person, den Arbeitsplatz verlässt, sich austauscht, um sich gedanklich von belastenden Einflüssen der Arbeit für kurze Zeit zu lösen.
„Maxime 4: Gesundheit und Krankheit als jeweilige Endpunkte von Gleichgewichts- und Ungleichgewichtsstadien haben eine körperliche, psychische und soziale Dimension“ (Hurrelmann / Richter 2013, 142).
Gesundheit wird als Gleichgewichtsprozess von körperlichen, sozialen und psychischen Faktoren verstanden. Gleichgewichts- oder Ungleichgewichtssituationen auf der körperlichen, psychischen und sozialen Ebene beeinflussen sich gegenseitig.
Eine körperliche Einschränkung am Bewegungsapparat kann zu körperlicher Inaktivität führen, die wiederum körperliche, aber auch psychische und soziale Auswirkungen zur Folge hat. Die Wahrscheinlichkeit für eine Zunahme des Körpergewichtes erhöht sich, soziale Kontakte, die über die Teilnahme an sportlichen Aktivitäten gepflegt wurden, gehen zurück und das Selbstwertgefühl wird möglicherweise negativ beeinflusst.
„Maxime 5: Gesundheit ist das Ergebnis einer gelungenen, Krankheit einer nicht gelungenen Bewältigung von inneren und äußeren Anforderungen“ (Hurrelmann / Richter 2013, 143).
Ein Mensch muss sich mit Anforderungen auseinandersetzen, die er sich selbst stellt und mit solchen, die aus der Umwelt an ihn herangetragen werden (Kap. 1.2.3). Eine erfolgreiche Bewältigung stärkt die Gesundheit, während Misserfolge in der Bewältigung von Anforderungen zu Stresserleben (Kap. 5.1.1) führen können.
Eine Person, die hohe Leistungsanforderungen an sich stellt und nicht in der Lage ist diese zu befriedigen, kann dies als Belastung empfinden oder eine resignative Einstellung entwickeln.
Niedrige äußere Anforderungen, d. h. langanhaltende Unterforderung kann eine psychische Fehlbelastung für eine Person darstellen (Kap. 3.3.3).
„Maxime 6: Persönliche Voraussetzung für Gesundheit ist eine körperbewusste, psychisch sensible und umweltorientierte Lebensführung“ (Hurrelmann / Richter 2013, 144).
Erfolgreich bewältigte Anforderungen gehen häufig mit einem Maß an Lebenszufriedenheit und positiven Befinden einher. Besonders bedeutsam bewerten Hurrelmann / Richter (2013) eine positive Einstellung zu den Belastungen des Alltagslebens und eine optimistische Einstellung zur Zukunft sowie ein hohes Maß an Akzeptanz der eigenen Körperlichkeit und der eigenen Person (Kap. 1.2.2).
„Maxime 7: Die Bestimmung der Ausprägungen