Bio-psycho-soziales betriebliches Gesundheitsmanagement für Sozial- und Gesundheitsberufe. Ruth Haas
Читать онлайн книгу.und der positiven Bewältigung von belastenden Lebensereignissen gibt (Benight / Bandura 2004). Menschen mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung empfinden sich als weniger verletzlich und ihre Umwelt als weniger bedrohlich. Sie initiieren bei der Konfrontation mit schwierigen Ereignissen lösungsorientierte Strategien. Damit geht ein höheres Maß an Zutrauen zur eigenen Selbstregulationsfähigkeit sowie der kognitiven und emotionalen Kontrolle einher. Der Schutzfaktor Selbstwirksamkeitserwartung ist neben der sozialen Unterstützung am besten empirisch belegt (Bengel / Lyssenko 2012).
Positive Emotionen
Menschen, die häufig positive Stimmungen und Gefühle erleben, wie z. B. Freude, Stolz, Neugier, Lust und Zufriedenheit, werden als glücklich bezeichnet. Positive Emotionen weisen einen hohen Zusammenhang mit beruflichem Erfolg, erfüllenden Sozialbeziehungen und Gesundheit auf. Dabei zeigt sich deren Regelmäßigkeit und die Relation zu negativem Emotionserleben bedeutsam (Lyubomirsky et al. 2005). Das Erleben positiver Emotionen konnte in empirischen Studien als protektiv nachgewiesen werden (Benge / Lyssenko 2012). Euthyme Tätigkeiten tragen zu mehr Wohlbefinden bei. Genießen wird dabei gleichsam als euthymes Erleben in Reinform bezeichnet (Viehauser 2000). Genuss wird definiert als sinnliche, lustvolle und reflexive Art des positiven Erlebens. Genuss grenzt sich von Sucht durch eine Fähigkeit zur Kontrolle des eigenen Verhaltens ab. Genießen erfordert eine Aufmerksamkeitsfokussierung auf eine sinnliche Erfahrung.
Im betrieblichen Kontext kann mit kleinen Auszeiten und Erinnerungen an emotional positiv besetzte Situationen die Stimmungslage verbessert werden.
Sinn und Bedeutsamkeit
Für eine Erhöhung des Wohlbefindens ist es elementar, dass Menschen den Ereignissen ihres Lebens Sinn zuschreiben können. Menschen benötigen Aktivitäten, Beziehungen und Aspekte in ihrem Alltag, die es wert sind, sich dafür zu engagieren, um ihre Lebensgestaltung danach auszurichten.
Die berufliche Tätigkeit sollte sinnhafte Aspekte beinhalten, die über den rein ökonomischen Aspekt hinausgehen. Mangelnde Sinnhaftigkeit der beruflichen Tätigkeit kann in der Freizeit teilweise durch subjektiv bedeutsame Betätigungen ausgeglichen werden.
Somato-psychische Regulationskompetenz
Das Bild vom eigenen Leib und der Umgang mit ihm ist geprägt durch sitzende Tätigkeiten und Dominanz elektronischer Kommunikation, die Instrumentalisierung des Körpers und die scheinbar umfassende Kontrollierbarkeit des Körpers durch kosmetische Eingriffe sowie durch sportliche Aktivitäten. Die Fähigkeit, psychisches Befinden über körperliche Aktivität sowie körperliches Befinden durch psychische Prozesse zu beeinflussen, ist eine wesentliche Lernaufgabe zur Stärkung gesundheitsförderlicher Ressourcen.
Betriebliche Rahmenbedingungen erschweren die Wahrnehmung des eigenen Körpers teilweise. Das Bewusstsein für die leiblichen Erfahrungen in der Arbeit bietet Ansatzpunkte für Veränderungen der Arbeitsverhältnisse. Dazu gehören ergonomische Optimierungen(z. B. an den Bildschirmarbeitsplätzen), die Verbesserung der Arbeitsumgebung (z. B. Lärm, Temperatur, Raumklima, Gestaltung der Arbeits- und Pausenräume) oder Veränderungen der Arbeitsorganisation (z. B. Arbeitsabläufe, Wechsel von Tätigkeiten, Pausengestaltung) sowie die Wahrnehmung von psycho-sozialen Bedürfnislagen (z. B. Kommunikation).
Aufmerksamkeitsfokussierung
Csikszentmihalyi (2017) beschreibt die Erfahrung, sich ganz auf Tätigkeiten und Situationen zu konzentrieren, mit dem Begriff Flow-Erleben. Die Person weiß jederzeit und ohne nachzudenken, was zu tun ist. Die Beanspruchung der Person ist passend. Das Geschehen wird von einem sicheren Gefühl der Kontrolle begleitet. Die Konzentration auf die Sache erfolgt selbstverständlich. Die Zeit wird vergessen und die Personen gehen ganz in ihrer Tätigkeit auf. Flow-Erleben eröffnet die Möglichkeit des genussvollen Erlebens und kann das Selbstwertgefühl positiv unterstützen.
In Arbeitszusammenhängen kann Flow-Erleben gestärkt werden, wenn Anforderungen und Fähigkeiten im Einklang sind. Unter- und Überforderungen quantitativer und qualitativer Art sind zu vermeiden.
Erholungsfähigkeit
Die Fähigkeit, sich nach Belastungen ausreichend erholen zu können, stellt eine wichtige Ressource dar. Erholung unterstützt die Wiederherstellung von Handlungsvoraussetzungen. In Abhängigkeit von der Art der Belastungen unterscheiden sich die erforderlichen Erholungsmaßnahmen. Dies kann z. B. bedeuten, nach monotonen Tätigkeiten etwas Anregendes zu tun, nach psychischem Stress zur Ruhe zu kommen oder Spannung motorisch abzubauen. Die Sensibilität für Erholungsbedarfe kann aufgrund einer Senkung der Wahrnehmungsschwelle für körperliche Signale bei Stress vermindert sein (Kap. 5.1).
Erholungsmaßnahmen im Arbeitskontext können institutionalisierte Bewegungsmöglichkeiten, erholungsgerechte Pausengestaltung oder Stärken des sozialen Miteinanders darstellen. Tätigkeiten können umgestaltet werden (z. B. Aufgabenwechsel oder die Festlegung eines individuell angemessenen Ausgangsniveaus). Personenbezogene Erholungsmaßnahmen werden dann bedeutsamer, wenn die Tätigkeiten oder Umweltbedingungen sich als nicht veränderbar erweisen. Eine Erholungsbereitschaft muss geschaffen und adäquate Beanspruchungs- und Belastungszyklen hergestellt werden. Eine individualisierte Vorgehensweise ist geboten, um individuell erholsame Aktivitäten herauszufinden.
Körperliche Aktivität
Die Datenlage zeigt, dass körperliche Aktivität die Gesundheit stärkt (Schlicht / Brand 2007, Schlicht et al. 2013). Das Risiko einer koronaren Herzkrankheit sowie an Diabetes zu erkranken wird vermindert. Die Gefahr der Fettleibigkeit wird durch regelmäßige moderate körperliche Aktivität um 50% und das Risiko des Bluthochdruckes um 30% reduziert. Für den Prozess des Älterwerdens ist die Stärkung der Knochenmasse und der Erhalt der motorischen Grundeigenschaften bedeutsam, um den funktionellen Abbau der Organe und des Halte- und Bewegungsapparates zu vermindern. Somit kann die Selbständigkeit von älteren Menschen länger bewahrt werden. Körperliche Aktivität wirkt sich auch auf die psychische Gesundheit aus. Das Erkrankungsrisiko für affektive Störungen wird reduziert. Selbstachtung und psychisches Wohlbefinden werden gefördert (Schlicht / Brand 2007, Schlicht et al. 2013).
Soziale Unterstützung
Sozial isolierte Menschen weisen ein höheres Erkrankungsrisiko auf als Personen mit einem stabilen sozialen Netzwerk. Studien auf psychophysischer Ebene zeigen, dass soziale Unterstützung auch das körperliche Stressniveau senkt (Ditzen / Heinrichs 2007). Dies zeigt sich beispielsweise in einer Senkung des Blutdruckes und der Herzsequenz. Sowohl die tatsächlich erhaltene Hilfe als auch ein soziales Netzwerk im Hintergrund (wahrgenommene Unterstützung) erweisen sich als gesundheitsrelevant. Soziale Unterstützung verringert das Mortalitätsrisiko und stärkt insbesondere die psychische Gesundheit und ein positives Gesundheitsverhalten. Soziale Unterstützung beinhaltet strukturelle Aspekte und eigene Verhaltensanteile (Franzkowiak 2018a). Die Ebene der sozialen Organisationen, in die ein Mensch integriert ist, sowie die quantitative und qualitative Ausprägung von sozialem Beistand und sozialer Anerkennung erweisen sich als Teilaspekte dieses Schutzfaktors. Art, Qualität und Umfang der Sozialbeziehungen sind für die Gesundheit eines Menschen von zentraler Bedeutung. Soziale Bindungen und Netzwerke können einen Menschen vor dem Auftreten von Belastungen schützen, zu positiver Verarbeitung und Toleranzsteigerung beitragen (Franzkowiak 2018a).
Selbstlernaufgabe: Welche gesundheitlichen Schutzfaktoren können im betrieblichen Kontext gestärkt werden?
Bengel, J., Lyssenko, L. (2012): Resilienz und psychologische Schutzfaktoren im Erwachsenenalter: Stand der Forschung zu psychologischen Schutzfaktoren von Gesundheit im Erwachsenenalter. BZgA, Köln
1.2.3 Das Systemische Anforderungs- und Ressourcen (SAR)-Modell
Becker (2006) gelingt mit seinem Systemischen Anforderungs-Ressourcenmodell (SAR-Modell) der Gesundheit eine Verknüpfung der Person-Umwelt-Interaktionen. Die Grundannahme dieses Modells besagt, dass die Gesundheit