Bio-psycho-soziales betriebliches Gesundheitsmanagement für Sozial- und Gesundheitsberufe. Ruth Haas

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Bio-psycho-soziales betriebliches Gesundheitsmanagement für Sozial- und Gesundheitsberufe - Ruth Haas


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die sich auf die betrachtete Person beziehen, wie beispielsweise Alter, Geschlecht, sozialer Status, Lebenserfahrung usw. Diese werden in der ICF nicht klassifiziert (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI). Kontextfaktoren können Förderfaktoren oder Barrieren darstellen. Als Förderfaktoren werden Faktoren in der Umwelt einer Person klassifiziert, welche die Funktionsfähigkeit eines Menschen unterstützen (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005). Zu den Förderfaktoren gehören z. B. die

       „Verfügbarkeit relevanter Hilfstechnologie, positive Einstellungen der Menschen zu Behinderung, sowie Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze, die darauf abzielen, alle Menschen mit Gesundheitsproblemen in alle Lebensbereiche einzubeziehen“ (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005, 147).

      Als Barrieren bezeichnet die ICF Faktoren in der Umwelt einer Person, welche die Funktionsfähigkeit einschränken, wie zum Beispiel eine unzugängliche materielle Umwelt oder negative Einstellungen zu Menschen mit Gesundheitsproblemen. Barrieren und Förderfaktoren können vorhanden sein oder fehlen.

      Sind in einem Betrieb Aufzüge vorhanden, können Menschen mit Schmerzen in den unteren Extremitäten (Körperfunktion) mit oder / ohne Schädigung einer Körperstruktur (wie z. B. des Kniegelenkes) die Aktivität Gehen ausführen und somit ihre Arbeit behalten (Teilhabe).

      Die Erfassung von Gesundheitsproblemen unter Bezug auf die ICF wird im Folgenden an Beispielen erläutert.

      Herr X. hat heftige Rückenschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule und kann deshalb nicht mehr alltagsrelevant heben und tragen (Aktivität). Eine differenzierte Untersuchung durch den Arzt (Kontextfaktor) zeigt, dass er eine Schädigung der Bandscheibe hat (Körperstruktur), die jedoch durch physiotherapeutische Maßnahmen zu kompensieren ist. Die Physiotherapie wird von seiner Krankenkasse in ausreichendem Umfang bezahlt (Kontextfaktor). Herr X kann bereits nach kurzer Zeit seine beruflichen und privaten Aufgaben wieder bewältigen. Hinzu kommt, dass er. eine aktive Person ist und auch zu Hause die physiotherapeutischen Aufgaben übt (personale Faktoren).

      Selbstlernaufgabe: Wie kann das ICF-Modell der Gesundheit zur Erfassung von gesundheitlichen Problemlagen im betrieblichen Kontext eingesetzt werden? Beleuchten Sie ein selbst gewähltes Fallbeispiel mit der ICF.

      Im folgenden Kapitel werden Modellvorstellungen über die Entstehung und Veränderung von Gesundheit dargelegt. Pathogenetisch ausgerichtete Modelle werden nicht vorgestellt, da im Zentrum dieses Buches die Förderung von Gesundheit steht und nicht die Vermeidung von Krankheit (Prävention) (Kap. 2.1).

       Saluto- vs. Pathogenese

      Aus pathogenetischer Perspektive wird Gesundheit als Normalzustand betrachtet und Krankheit hingegen als Abweichung von dieser Norm. Es wird nach objektivierbaren Faktoren gesucht, die zu dieser Abweichung beitragen und die es zu vermindern gilt. Die salutogenetische Betrachtungsebene sieht Gesundheit und Krankheit als Pole eines Kontinuums, auf dem sich ein Mensch sein Leben lang und jeden Tag bewegt. Es wird nach Faktoren gesucht, die objektiv und subjektiv dazu beitragen, dass ein Mensch gesund bleibt und sich subjektiv betrachtet wohl fühlt. Um den jeweiligen gesundheitlichen Ist-Stand zu erfassen, werden aus pathogenetischer Sicht Krankheitssymptome erfasst, zu Diagnosen summiert und nach der ICD klassifiziert.

      Ein salutogenetischer Blick analysiert gemeinsam mit dem betroffenen Menschen seine Lebensgeschichte, die Einflüsse der eigenen Person und der Lebenswelt auf den Prozess seiner Gesundheit.

      Die Frage, wie Gesundheit entsteht, anstatt allein nach den Ursachen von Erkrankungen zu fragen, entspricht der Denkrichtung von Antonovsky / Franke (1997) in seinem Ansatz der Salutogenese. Er ist der Frage nachgegangen, warum manche Menschen trotz großer Belastungen und einschneidender Lebensereignisse gesund bleiben. Für Antonovsky (1979) besitzen Patho- und Salutogenese eine komplementäre Beziehung. Er fordert, dass nicht nur nach den Krankheitsursachen geforscht wird, sondern die gesamte Lebensgeschichte eines Menschen untersucht werden sollte.

      Die zentrale Frage des Autors lautet, welche Faktoren dazu führen, dass eine Person auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum in Richtung Gesundheit einzuordnen ist. Die Erforschung und Behandlung pathogener Faktoren sollte durch die Suche nach den Ursachenzusammenhängen von Gesundheit ergänzt werden.

      Die salutogenetische Orientierung schlägt vor, die Stelle zu suchen, an der sich die jeweilige Person zum jeweiligen Zeitpunkt auf dem Kontinuum von Gesundheit und Krankheit befindet (Antonovsky / Franke 1997). Das zentrale Konstrukt in diesem Modell stellt das Kohärenzsinn / -gefühl (sence of coherence = SOC) dar (Antonovsky 1979, Antonovsky / Franke 1997).

       Kohärenzsinn

      Antonovsky definiert das Kohärenzgefühl als

       „a global orientation that expresses the extent to which one has a pervasive endouring dynamic, feeling of confidence that one’s internal and external environments are predictible and that there is a high probability that things will work out as well as can reasonably be expected“ (Antonovsky 1979, 10).

      Der SOC umschreibt eine globale Orientierung, die ausdrückt, inwieweit jemand ein überdauerndes, allgegenwärtiges Vertrauen darauf empfindet, dass die Ereignisse der äußeren und inneren Umwelt vorhersagbar und bewältigbar sind. Zudem bedeutet es, dass die Ressourcen als ausreichend für die Erfüllung der aus den Ereignissen erwachsenden Anforderungen empfunden werden. Dazu gehört auch, dass die Anforderungen als positive Herausforderungen wahrgenommen werden, welche die Investition und das Engagement wert sind (Antonovsky 1979, Antonovsky / Franke 1997). Demnach enthält der Kohärenzsinn kognitive, pragmatische und emotionale Bestimmungsgrößen, nämlich die Verstehbarkeit, die Handhabbarkeit und die Sinnhaftigkeit (Antonovsky 1979, Antonovsky / Franke 1997).

       Verstehbarkeit

      Comprehensibility beschreibt die Fähigkeit, die aus der internalen und externalen Umgebung wahrgenommenen Reize als Information einordnen und strukturieren zu können. Comprehensibility beinhaltet ein stabiles Urteilsvermögen bezüglich der Realität. Die zweite Komponente, die Fähigkeit zur Handhabung und Bewältigung (manageability), beinhaltet die Überzeugung, dass die eigenen verfügbaren Ressourcen den zukünftigen Erfordernissen gerecht werden können. Eine Person mit einem hohen Maß an manageability wird sich nicht als Opfer der Ereignisse fühlen.

       Handhabbarkeit

      Das motivationale Element wird mit dem Teilaspekt der Sinnhaftigkeit eingeführt. Es ist wichtig, dass Lebensbereiche und -ereignisse als sinnhaft erlebt werden, d. h. eine emotionale und kognitive Bedeutung besitzen.

       Sinnhaftigkeit

      Herausforderungen werden als das Engagement und die Investition wert und somit als sinnvoll betrachtet. Der SOC ist die zentrale koordinierende Kraft im Konzept von Antonovsky (1979, Antonovsky / Franke 1997), die die Wirkung von Stressoren, von Widerstandsquellen und die Verarbeitung der Lebenserfahrung maßgeblich beeinflusst. Ein Mensch ist nicht abhängig von externalen und internalen Widerstandsquellen und der Einwirkung von Stressoren (Abb. 4). Vielmehr beteiligt er sich mittels des Kohärenzsinnes aktiv an der Gewichtung und Bewältigung der Stressoreneinflüsse.

       Stressoren

      Einwirkungen bzw. Stimuli, deren Ursachen in der externalen und internalen Umwelt liegen, werden durch ihren Grad an Intensität oder die Zeitdauer ihrer Einwirkung zu Stressoren. Auf sie kann ein Mensch nur durch verstärkte Energieaufwendung und nicht automatisiert reagieren. Der Autor unterscheidet endogene und exogene Stressoren von körperlichen und biochemischen Stressoren.


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