Tatort Bodensee. Eva-Maria Bast
Читать онлайн книгу.auf. Unterhauser! Sein Intimfeind und früherer Chef der Polizeidirektion Ulm, der er nicht zuletzt wegen diesem den Rücken gekehrt hatte. Unterhauser trieb seit einiger Zeit sein parteipolitisches Unwesen beim LKA in Stuttgart und sorgte dafür, dass die Beamten nicht mehr in erster Linie nach Qualifikation, sondern vor allem nach Parteibuch ins Landeskriminalamt berufen wurden. »Was hat der denn wieder mitzumischen?«
»Sie wissen doch, der Herr Unterhauser ist überall – überall dort, wo es gilt, die Parteifreunde aus der Schusslinie zu hieven, und dafür ist ihm auch jedes Mittel recht!« Steiner breitete die Karten in ungewohnter Offenheit vor Horst aus. Donnerwetter! Wie musste ihm also die ganze parteipolitische Mauschelei auf die Nerven gehen, wenn er so eindeutig vor Horst aus der Deckung ging! »Was glauben Sie, wie sehr in den letzten Tagen die Telefondrähte geglüht haben, zwischen Konstanz und Stuttgart! Das ist eine einzige Seilschaft: einer vom anderen abhängig! Und wenn einer fällt, dann fallen sie alle. Und deshalb fällt eben keiner! Schon gar nicht der Herr Dr. Hefter, der seine Finger bekanntlich überall drin hat – hauptsächlich in den Medien – und deshalb aber auch das Unschuldslamm persönlich spielt!« Mit einer unwirschen Handbewegung fegte Steiner imaginäre Staubkörnchen von seinem Schreibtisch. »So – und nun erzählen Sie mir noch mal aus Ihrer Warte, was eigentlich genau passiert ist, seit Sie in Meersburg die Kollegen alarmiert haben. Ich würde das gerne mal – ganz ungefiltert – von Ihnen selbst erfahren!«
Horst fiel ein Stein vom Herzen. Er spürte, dass dies keine Finte war. Hier hatte er endlich einen Verbündeten gefunden, dem er tatsächlich die Sache so schildern konnte, wie sie sich zugetragen hatte. Und vielleicht konnte einem Steiner ja aufgrund seiner langjährigen Erfahrung und vielen Verbindungen einen Tipp geben, wie es jetzt noch weitergehen konnte. Denn aufgeben, darüber war er sich mit Protnik einig gewesen, aufgeben kam auf gar keinen Fall in Frage.
Horst atmete noch einmal tief durch und erzählte Steiner dann den Rest der Geschichte. Nachdem das Polizeilabor in Friedrichshafen den eindeutigen Nachweis hatte erbringen können, dass es sich bei dem mandelartigen Zusatz in den Getränken tatsächlich um Zyankali gehandelt hatte, überstürzten sich die Ereignisse.
Eine zweite Hausdurchsuchung beim Kiesbaron fand daraufhin statt, nur dass der Durchsuchungsbefehl doch etwas länger auf sich warten ließ als beim ersten Mal. Es war halt nun die Polizeidirektion in Friedrichshafen zuständig, und auch der zuständige Staatsanwalt hatte sich den Fall erst haarklein schildern lassen, bevor er sein Okay für die Durchsuchung gab.
Anhand des Bildes von der Jubiläumsfeier hatte Horst den »Schnauzbart« eindeutig als denselben identifiziert, der sie bei der Fahrt von der Heiligenberger Steige in Lebensgefahr gebracht und auch beim gescheiterten Giftanschlag in der Meersburger Eisdiele mitgemischt hatte. Hefter, dessen anfangs wie immer freundlich lächelndes und angeblich so kooperatives Maskengesicht sich im Lauf der Durchsuchung allmählich in eine finstere Verweigerungshaltung verwandelt hatte, war natürlich außerstande, den Mann auf dem Foto zu identifizieren. Das könne nur der Geschäftsführer oder einer der Angestellten, aber heute (es war früher Sonntagmorgen, als sie in Gottmadingen eintrafen) um diese Uhrzeit sei natürlich keiner von denen anwesend. Und er selber? Du meine Güte, was glaubten sie eigentlich, wie viele Firmen zu seinem Imperium gehörten, mit wer weiß wie vielen Mitarbeitern?! Hauptsächlich im Niedriglohnsegment, also bei den Fahrern der Müllautos, sei die Fluktuation enorm: Da könne man sich einfach nicht jedes Gesicht merken und schon gleich gar nicht auch noch jeden Namen dazu. Und außerdem: Wozu habe man schließlich einen Geschäftsführer, der im Übrigen seiner Firma die ganze Malaise eingebrockt habe. Er, Hefter, habe von den gesamten Schweinereien, also von dem zu tief ausgegrabenen Baggersee wie von der Geschichte mit den illegal im See entsorgten radioaktiven Abfällen doch gar keine Ahnung gehabt. Deshalb habe man, wie gesagt, schließlich einen Geschäftsführer …
Den Geschäftsführer habe er noch am Tag der Entdeckung der Umweltstraftaten fristlos gefeuert, allerdings sei es ihm nicht möglich gewesen, dem Übeltäter die Kündigung höchstpersönlich zu überbringen, denn seitdem sei der Mann spurlos verschwunden! Und jetzt bleibe der ganze Ärger also an ihm, Hefter, kleben, der doch von nichts jemals gewusst habe, was er auch glaubhaft belegen könne. Wenn da nur nicht die – in Teilen zumindest noch – übelgesonnene Presse wäre … Aber wozu habe man andererseits gute Freunde wie den Konstanzer Polizeidirektor oder den Landrat; die hätten schon der Staatsanwaltschaft gegenüber mehr als deutlich dargelegt, wo der Hund in Wirklichkeit begraben liege …
Der Geschäftsführer auf der Flucht, kein Angestellter anwesend, den man hätte befragen können! Die Beamten der Kripo Friedrichshafen hatten daraufhin das Jubiläumsbild mitgenommen und es in die Meersburger Eisdiele gebracht, wo nach anfänglichem Leugnen schließlich die Wahrheit ans Licht kam: Bei dem Müllwagenfahrer handelte es sich um einen Italiener namens Giuseppe Voltera, seit drei Jahren in Deutschland und – interessanterweise – schon einmal wegen gefährlicher Körperverletzung zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Vorsatz hatte man ihm damals nicht nachweisen können, doch die Urteilsbegründung hatte von schwerwiegenden Zweifeln an der Version des Angeklagten gesprochen, der einen Fußgänger mit seinem Auto auf dem Gehweg überfahren und schwer verletzt hatte. Doch der Fußgänger selbst hatte – weshalb auch immer – bei seiner Aussage vor Gericht plötzlich seine früher vorgebrachten Anschuldigungen nicht mehr wiederholen können oder wollen, worauf dem Richter nichts anderes übrig geblieben war, als im Zweifel für den Angeklagten und gegen den Antrag der Staatsanwaltschaft lediglich gefährliche Körperverletzung (aber ohne Vorsatz) zu erkennen.
Dieser Voltera sei – so sagte der sichtlich um seine Existenz und sein Leben fürchtende Besitzer der Eisdiele aus – ein entfernter Verwandter, der ab und an in der Hochsaison an Wochenenden vorbeikomme und ihnen im Eiscafé aushelfe. So sei das auch an diesem Samstag gewesen, doch kein Mensch habe natürlich ahnen können, dass da ein Verbrechen vorbereitet worden und ausgerechnet der Vetter aus Catania zu solch einer Tat fähig sei.
»Tja«, der Polizeioberrat rieb sich nachdenklich das Kinn. »Das wäre es dann wohl endgültig gewesen! Denn der Hefter hat viel zu gute Beziehungen, als dass da auch nur ein Fünkchen Verdacht auf ihm belassen werden könnte. Der hat das, ich muss das trotz allem schon so sagen, wirklich hervorragend eingefädelt und sein Netz aus Einflussnahme, Abhängigkeiten und Dreistigkeit derart eng gesponnen, dass wir ihm, denke ich, nie und nimmer nachweisen können, er habe irgendetwas mit der illegal im Baggersee versenkten Ladung zu tun. Das wird auf dem Geschäftsführer haften bleiben: Der war sicherlich gut beraten, rechtzeitig die Flucht zu ergreifen. Denn dem drohten einerseits entweder jahrelanges Gefängnis und vielleicht sogar eine Mordanklage, oder aber er würde von Hefter und seinen Komplizen um die Ecke gebracht werden, wenn das nicht sogar bereits geschehen ist!«
Horst pflichtete seinem Chef bei. »Sehe ich auch so. Wenn es tatsächlich Hefter ist, der hinter allem steckt, dann brauchen wir jetzt unbedingt den Geschäftsführer, der uns die nötigen Beweise liefert. Fraglich allerdings«, dabei kratzte er sich sorgenvoll an der Stirn, »ob wir selbst dann je beweisen können, dass Hefter hinter all den Aktionen persönlich steckt. Da steht dann maximal Aussage gegen Aussage, und immerhin ist die Unterschrift des Geschäftsführers – wie auch immer – unter den gerichtsrelevanten Akten zu finden und niemals die von Hefter. Schon unglaublich, wie er das eingefädelt hat!«
»Es hilft nur eins: Die Kollegen müssen den Italiener finden und gewaltig unter Druck setzen. Das ist die einzige Chance, noch an Hefter heranzukommen. Wenn der Italiener zugibt, dass Hefter sein Auftraggeber war, dann haben wir einen entscheidenden Trumpf in der Hand! Aber erst dann!«
Überrascht musterte Horst seinen Vorgesetzten. Der hatte tatsächlich von »wir« gesprochen, also hatte auch er den Fall mittlerweile zu seinem gemacht! Steiner hob bedeutungsvoll die Augenbrauen. »Schauen Sie mich nicht so an, als hätte ich ein Känguru verschluckt! Ja, ich finde schon, dass wir, die Polizei, jetzt gemeinsam im Boot sitzen und der Geschichte auf den Grund gehen müssen. Schließlich hat das alles in gewisser Weise auch mit der Ehre und dem Ruf der Polizei zu tun, und da ist in der letzten Woche schon viel zu viel passiert, was so im Grunde genommen bei einer seriösen Ermittlungsarbeit nie hätte passieren dürfen!«
»Allerdings!« Horst konnte da nur aus ganzem Herzen zustimmen. »Aber den Italiener zu kriegen, wird nicht