Wörterbuch zur Sicherheitspolitik. Ernst-Christoph Meier
Читать онлайн книгу.von Konventionellen Streitkräften in Europa (KSE) vor. Grundsatzartikel »Konventionelle Rüstungskontrolle«
Charta von San Francisco
Atlantik-Charta
Chauvinismus
Übersteigerter, meist blinder Patriotismus, der den Nationalismus bis zur Missachtung der Rechte anderer steigert. Daraus entstehende Spannungen können zur Unterdrückung von Minderheiten bis hin zum Krieg oder Bürgerkrieg führen. Flüchtlinge
Chemische Kriegführung
Einsatz chemischer Kampfstoffe, um Menschen oder Tiere zu töten, zu verletzen oder für eine bestimmte Zeit einsatzunfähig zu machen oder um die Nutzung von bestimmten geografischen Räumen, Einrichtungen bzw. den Einsatz von Waffen und Ausrüstung zu verhindern oder einzuschränken. Die Vereinten Nationen (VN) haben 1996 ein umfassendes, weltweites Verbot chemischer Waffen durchgesetzt. Chemische-Waffen-Übereinkommen
Chemische Waffen (CW)
In Rahmen des Chemische-Waffen-Übereinkommens werden als ~ bezeichnet:
•toxische Chemikalien und ihre Ausgangsstoffe,
•Munition und Vorrichtungen, die eigens entworfen wurden, um die toxischen Eigenschaften von chemischen Kampfstoffen, die infolge der Verwendung solcher Munition oder Vorrichtungen freigesetzt würden, den Tod oder sonstige Schäden herbeizuführen oder
•jede Ausrüstung, die eigens für den unmittelbaren Einsatz im Zusammenhang mit der Verwendung solcher Munition und Vorrichtungen entworfen wurde.
Gemäß Art. II Nr. 2 Chemische-Waffen-Übereinkommen versteht man unter einer toxischen Chemikalie jede Chemikalie, die durch ihre chemische Wirkung auf Lebensvorgänge den Tod, eine vorübergehende Handlungsunfähigkeit oder einen Dauerschaden bei Mensch oder Tier herbeiführen kann.
Chemische Waffenfreie Zone (CWFZ)
Durch Verträge und sonstige Vereinbarungen definierter Raum, in dem die Entwicklung, Herstellung, die Lagerung und der Einsatz von ~ verboten oder geächtet ist. Als rüstungskontrollpolitische Vorstellung sollte durch die Entwicklung solcher Zonen die Stabilität gefördert und langfristig der Weg zu einem weltweiten Verbot von ~ geebnet werden. Chemische-Waffen-Übereinkommen; Mendoza-Deklaration
Chemischer Kampfstoff
Bezeichnung für toxische und nichttoxische Wirkstoffe, die zu kriegerischen Zwecken Verwendung finden können.
Toxische Chemikalien
Ungeachtet ihrer Herkunft oder der Art ihrer Herstellung können ~ Menschen und Tiere durch ihre chemische Wirkung auf deren Lebensvorgänge töten, vorübergehend handlungsunfähig machen oder dauernden Schaden zufügen. Zu den ~ werden auch die entsprechenden Ausgangsstoffe gezählt. Im Wesentlichen werden folgende ~ unterschieden:
•Nervenkampfstoffe: Sarin, Soman, VX;
•Hautkampfstoffe: Lewisit, Lost-Lewisit-Gemisch, N-Lost, S-Lost;
•Cyanid-Kampfstoffe: Blausäure, Chlorcyan;
•Lungenkampfstoffe: Diphosgen, Phosgen;
•Psychokampfstoffe: BZ (Benzinsäureester), LSD (Lysergsäurediäthylamid), Haschisch, Meskalin.
Nichttoxische Chemikalien
Als nichttoxische Chemikalien gelten solche,
•die für industrielle, landwirtschaftliche, medizinische, pharmazeutische, für Forschungs- oder sonstige friedliche Zwecke bestimmt sind sowie für Polizeimaßnahmen und für militärische Zwecke, bei denen die Mittel der Kriegführung nicht von den toxischen Eigenschaften der Chemikalien abhängen,
•die für den Schutz, insbesondere gegen chemische Waffen bestimmt sind, soweit sie nach Art und Menge mit dem angestrebten Zweck vereinbar sind.
Die Bundesrepublik Deutschland (DEU) hat am 23. Oktober 1954 auf die Herstellung, den Besitz und die Lagerung von ~ im eigenen Land verzichtet. Im Zwei-plus-Vier-Vertrag hat D grundsätzlich seinen Verzicht in umfassender Form einschließlich des Verzichts auf biologische und nukleare Waffen bestätigt. Chemische-Waffen-Übereinkommen
Chemische-Waffen-Übereinkommen (CWÜ)
Übereinkommen über das Verbot chemischer Waffen
Das am 13.–15. Januar 1993 in Paris von 130 Staaten gezeichnete und am 29. April 1997 in Kraft getretene »Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen« verbietet den Vertragsstaaten die Entwicklung, Herstellung, Beschaffung, Besitz, Weitergabe sowie den Einsatz chemischer Waffen und verlangt, dass innerhalb von zehn Jahren nach seinem Inkrafttreten, also bis zum 29. April 2007, alle im Besitz der Vertragsstaaten befindlichen chemischen Waffen zu vernichten und deren Produktionsanlagen zu zerstören sind. Mittlerweile hat das ~ 193 Vertragsstaaten, darunter alle europäischen und NATO-Staaten. Vier Staaten – Ägypten, Israel, Nordkorea und Südsudan – sind noch nicht beigetreten. Nur die Vereinigten Staaten von Amerika besitzen noch nicht zerstörte, deklarierte Chemiewaffenbestände.
Mit dem ~ wurde die in Den Haag ansässige Organisation für das Verbot der chemischen Waffen (OVCW) geschaffen. Ihre wesentlichen Organe sind die jährliche Konferenz der Vertragsstaaten, der Exekutivrat (41 Mitglieder, darunter Deutschland) und das Technische Sekretariat. Mit ihrem Technischen Sekretariat überwacht die OVCW die Verifikation des ~, also seine Umsetzung und Einhaltung. Sie sammelt die Meldungen der Vertragsstaaten, inspiziert die gemeldeten Lagerbestände, frühere Produktionsstätten und Vernichtungseinrichtungen und überprüft durch Routineinspektionen die vertragsgemäße Nutzung von Chemikalien in Industrie und Handel. Der Verifikation des ~ unterliegen damit sowohl militärische als auch zivil-industrielle Anlagen. Deutschland stellt mit dem Wehrwissenschaftlichen Institut für Schutztechnologien – ABC-Schutz – und dem Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr zwei designierte OVCW-Referenzlabore, auf die sich die OVCW bei der Untersuchung von Proben nach einem mutmaßlichen CW-Einsatz stützen kann. Durch die umfassenden Verifikationsbestimmungen wird das ~ zu einem der effizientesten Abrüstungs- und Nichtverbreitungsverträge.
Gegen das ~ ist in den vergangenen Jahren allerdings mehrfach durch Russland und Syrien verstoßen worden. Auch nach dem Beitritt von Syrien zum ~ am 14. September 2013 wurde nachweislich Chlorgas als Waffe sowie der Nervenkampfstoff Sarin und der Hautkampfstoff Senfgas durch syrische Streitkräfte eingesetzt. Dies konnte durch die von der OVCW eingesetzte »Fact Finding Mission« (FFM) und einen »Joint Investigative Mechanism« (JIM) nachgewiesen werden. Mit Beschluss einer Sonderkonferenz der Vertragsstaaten am 27. Juni 2018 hat sich die OVCW zudem mit Mehrheit und gegen massiven russischen Widerstand den »Investigation and Identification Team« (ITT) einen Attributionsmechanismus für Syrien geschaffen, der erstmalig die Frage der Verantwortlichen für die Chemiewaffeneinsätze klären soll. Er ist seit Juni 2019 einsatzbereit.
Russland hat nicht nur die Verantwortlichkeit der syrischen Regierung für die zahlreichen Chemiewaffeneinsätze geleugnet und kontinuierlich die unparteiliche Arbeit des Technischen Sekretariats der OVCW diskreditiert, es hat auch selbst in den letzten Jahren mehrfach chemische Kampfstoffe eingesetzt. Bei einem Angriff auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Skripal am 4. März 2018 in Salisbury (Großbritannien) wurde ein Nervengift aus der Gruppe der sogenannten Nowitschok-Kampfstoffe eingesetzt. Am 20. August 2020 wurde der russische Oppositionelle Nawalny in Russland ebenfalls durch einen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet. Beide Anschläge stellten einen schwerwiegenden Verstoß gegen das ~ dar.
Die Bundesrepublik Deutschland besitzt keine chemischen Waffen. Sie hat das ~ am 12. August 1994 ratifiziert und vernichtet