Indienfahrt 1965. Klaus Heitmann

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Indienfahrt 1965 - Klaus Heitmann


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an, ob man für die Reparatur des Wagens gebrauchte Teile verwenden solle. Als erfahrener Autokenner habe er natürlich gewusst, dass dies falsch gewesen sei. Nachdem aber alle froh gewesen seien, eine billige Lösung unseres Problems gefunden zu haben, habe er geschwiegen. Dieses Ausmaß an Kritiklosigkeit machte mich fassungslos, zumal ich den Verdacht nicht los wurde, dass Vikram mit dieser Argumentation nicht zuletzt seine eigene Immunisierung gegen Kritik betrieb. Erregt warf ich ihm vor, es sei eine Schweinerei, wenn er uns sehenden Auges in eine Falle habe laufen lassen. Daraufhin drehte Vikram den Spieß kurzerhand herum und stellte fest, dass ich das ganze Desaster zu verantworten habe. Schließlich hätte ich unter Berufung auf meine große Erfahrung mit VW-Motoren die überhöhten Grenzgeschwindigkeiten für den Gangwechsel durchgedrückt, indem ich die Mitglieder der Gruppe auf eine Weise beeinflusst habe, die ihren Willen ausgeschlossen habe. In der Annahme, dass ich auch in ihrem Sinne gesprochen habe, suchte ich Hilfe bei Franz und Werner. Franz mogelte sich aber aus der Sache mit dem Argument heraus, er könne sich nicht mehr daran erinnern, wie die Entscheidung seinerzeit zustanden gekommen sei. Und Werner, der gerne den überlegenen Weltmann gab, tat, wie immer bei unseren Streitereien, als ginge ihn dies alles nichts an. Gertrud hielt natürlich zu Vikram und Jitendera spitzte den Streit mit der Behauptung zu, ich hätte Vikrams Fahrstil ganz allgemein kritisiert, wozu ich nicht das Recht habe. Er wurde hektisch und verfiel wieder in jene geradezu kindlich-eigensinnige Verhaltensweise, in der er sich verteidigte, als ginge es um sein Leben. Damit war der Sündenbock eindeutig bestimmt und sein Status in unserer zusammen gewürfelten Truppe vorläufig definiert. Man verlangte von mir, dass ich künftig schweigen solle, was ich um des lieben Friedens willen unter Aufrechterhaltung eines mentalen Vorbehaltes konzedierte.

      Über diese Diskussionen begann unser Abstieg vom Hochland hinunter zum Schwarzen Meer. Die Landschaft wurde wieder grün und vielfältig, was auch die Stimmung hob. Bei Samsun erreichten wir die Küste, wo wir uns, da es inzwischen dunkel geworden war, direkt am Strand niederließen. Im Mondlicht leuchteten die sich brechenden Wellen auf.

      12

      Der Weg führte nun einige hundert Kilometer entlang der Küste des Schwarzen Meeres. Nach fruchtbaren Niederungen kam das Gebirge hart an die Küste heran, wodurch die Strasse auf- und abstieg und sich wunderbare Blicke eröffneten. In Ordu machten wir Pause in einem Teehaus. Wie immer bei unseren Teepausen versammelten sich eine Menge freundlicher Leute um uns herum. Einige Männer knackten Haselnüsse, die Hauptfrucht dieser Region, und versorgten uns reichlich damit. Als wir unsere Rechnung begleichen wollten, bedeutete man uns, dass diese schon bezahlt sei. Nach Ordu machten wir Rast an einem kleinen Strand, der malerisch von Felsen eingerahmt war, und tobten uns in den Wellen aus. Das Stimmungsbarometer stieg auf ein lange nicht gekanntes Hoch. Danach wurde die Strasse immer schlechter, die Landschaft dafür immer besser. Hohe Pässe waren zu überwinden, Halbinseln zu überqueren und Buchten zu umfahren. Sehr viel Strecke legten wir auf diese Weise natürlich nicht zurück. Ein Türke hielt uns aus dem Auto heraus an und kam freudestrahlend auf uns zu. Er hatte in Berlin studiert und war ganz begeistert darüber, Deutsche zu sehen. Er lud uns ins nächste Teehaus ein und erzählte enthusiastisch von seinem Aufenthalt in Deutschland und wie sehr er das Land liebe. Auf dem Weg nach Trabzon trafen wir fünf Deutsche aus Münster, die ebenfalls mit einem Bulli nach Indien unterwegs waren. Es war immer wieder beruhigend festzustellen, dass wir nicht die Einzigen waren, die eine solche Idee hatten. Jeder hatte seine Erfahrungen gemacht und Informationen gesammelt und diese wurden bereitwillig ausgetauscht. Von der uralten Stadt Trabzon, die einige Gebäude aus byzantinischer Zeit hat und überhaupt malerisch sein muss, haben wir im Dunkeln nur wenig gesehen. Ein Stück dahinter hielten wir für die Nacht in einem Tal an einem rauschenden Bach.

      13

      Am Morgen ging es wieder hinauf auf die anatolische Hochebene. Die Strasse führte abenteuerlich steil und kurvenreich durch ein grandioses Tal von alpiner Schönheit und Frische. Immer wieder eröffneten sich spektakuläre Blicke. Da der Motor unseres Wagens trotz der morgendlichen Kühle bedenklich heiß wurde, beschlossen wir, die Wagenmannschaft auf zwei Personen zu reduzieren. Die anderen sollten auf weiteres per Anhalter fahren. Zu den Ausgelagerten gehörte auch ich. Damit verstieß ich gegen eine der Vorgaben, unter denen meine Eltern mir die Erlaubnis für die Reise gegeben hatten. Wir wurden zunächst von einem Landrover mit sehr netten Leuten mitgenommen. Der Fahrer fuhr reichlich schwungvoll um die Kurven, beruhigte uns aber, als er unsere verängstigten Gesichter sah, damit, dass er fünf Kinder habe. Man machte extra einen nicht unerheblichen Umweg für uns und lud uns in frischer Bergluft zum Tee ein. Ein weiteres Stück der märchenhaft schönen Strecke fuhren wir auf der Ladefläche eines Lastwagens, der kaum weniger rasant als der Landrover fuhr. Unsere Stimmung war bestens und tendierte zum Übermut. Oben auf der Passhöhe, die auf 2000 Meter lag, war es angenehm kühl. Dann ging es wieder steil den Berg hinab. Als die Bremsen des Lastwagens zu rauchen begannen, zogen wir es vor, das Fahrzeug zu wechseln. Ein Stück fuhren wir auf einem Armeelaster mit, der sich im Schneckentempo die Strasse entlang quälte. Die Landschaft wurde indessen immer wilder und urwüchsiger. Kahle steile Felsen ragten über uns in die Höhe. Nach Gümüsane, wo uns freundliche Türken zum Essen einluden, fuhren wir wieder einmal ein Stück gemeinsam, um uns zum Erklimmen eines 2400 Meter hohen Passes wieder zu trennen. Vikram und Werner fanden einen Jeep, der sie über den Pass bringen konnte. Auf dem Weg zum Pass trat das ein, was wir unbedingt vermeiden wollten. Der Motor stellte seine Tätigkeit ein. Er rührte sich einfach überhaupt nicht mehr, und das zu einem Zeitpunkt, wo unser Bordmechaniker irgendwo auf der anderen Seite des Passes war. Taxi- und Lastwagenfahrer kamen zur Hilfe und bastelten drei Stunden an der Zündung, der Zündspule, dem Verteiler und den Zündkabeln herum. Sie hatten keinen Erfolg. Rajindra fuhr nun per Anhalter weiter, um die Vorhut von unserem Missgeschick zu informieren. Unterdessen kam ein Deutscher mit einem VW und bot seine Hilfe an. Wir bauten dessen Zündkabel versuchsweise in unseren Motor ein, konnten, da sich nichts änderte, damit aber nur ausschließen, dass ein Defekt des Kabels die Ursache der Panne war. Schließlich kam ein findiger Türke und fummelte mit einem Draht im Verteiler herum. Er hatte plötzlich eine kleine Feder in der Hand, die er als den Grund des Übels identifizierte, und der Motor sprang, wenn auch mit einem merkwürdigen Geräusch wieder an. Inzwischen brach die Abenddämmerung an und wir standen vor der Frage, ob wir uns in einer wilden Berggegend bei Nacht mit einem Fahrzeug, dessen Fitness keinesfalls gesichert war, auf die Suche nach den drei anderen machen sollten. Wir hatten gerade beschlossen, dass dies trotz des Umstandes, dass wir ihre Schlafsachen hatten, keinen Sinn machte, als sie mit einem Armeefahrzeug erschienen. Auch die Soldaten, eine äußerst lustige Truppe, versuchten sich an unserem Motor, ohne die Ursache unseres Problems zu finden.

      Die Frage war, wo wir die Nacht verbringen konnten. Angesichts der erheblichen Kühle - wir waren hoch in den Bergen - verbot es sich im Freien zu schlafen. Man fragte ein paar Straßenarbeiter, die gerade beim Gebet waren. Sie räumten uns bereitwillig Platz in ihrem Verschlag ein. Dies war allerdings mit einer Luftqualität verbunden, die mich veranlasste die Nacht unter einem Vordach und dick eingehüllt dann doch im Freien zu verbringen.

      14

      Vikram schraubte schon ab 5 Uhr an unserem Motor herum. Um 7 Uhr hatte er ihn so weit, dass er sich nicht mehr bewegte. Ein Pakistani kam vorbei, der ein Automechaniker zu sein schien. Jedenfalls brachte er den Wagen nach etwa einer Stunde wieder in Gang. Er meinte aber, dass man den Motor in Erzerum noch einmal überprüfen müsse. Im Übrigen berichtete er, dass er jedes Jahr einmal alleine mit dem Auto von Pakistan nach Deutschland und zurück fahre. Dies gab uns die langsam schwindende Hoffnung zurück, dass wir es wenigstens ein Mal schaffen könnten. Zur Schonung unseres Motors nahm der Pakistani bis Erzerum drei Mann von uns in seinem Wagen mit. Es erwies sich, dass er ein rechter Draufgänger war. Die türkischen Fahrer erschienen geradezu sediert gegen ihn. In Erzerum wimmelte es nur so vor Autospezialisten. Jeder, der an der Tankstelle vorbeikam, an der wir angehalten hatten, behauptete ein ausgebildeter Automechaniker zu sein. Alle wussten sofort, welches Problem wir hatten, aber keiner konnte es lösen. Zum ersten Mal fragte ich mich ernsthaft, warum zum Teufel ich mich in der Osttürkei herumtreibe, während ich mir im sicheren Europa ein


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