Kopfsprung ins Leben. Marc Lindner
Читать онлайн книгу.Wenn mir jemand zuwinkte, zuckte ich mit den Schultern und zeigte, dass ich beschäftigt war. Mir zwang sich ein Grinsen auf. Manchmal muss man etwas warten, bis einem klar wird, was man an seinem besten Freund hat. Und Sebastian hatte ein Händchen für Timing und Dramaturgie.
Sebastian schlängelte sich eng an den kleinen Gruppen vorbei und zog mich mit sich. Dabei kannte ich ihn gut genug, um zu wissen, dass er genau wusste, wo er hin wollte. Unsere Reise zog er bewusst in die Länge und er zeigte überall, wie eilig wir es hatten.
Meine Stimmung hob sich mit jedem Schritt.
Als Sebastian stehen blieb, musste ich meinen Blick heben. Fritz hatte endlich Anschluss gefunden und war fleißig dabei etwas zu erzählen, als Sebastian ihm auf die Schulter klopfte. Fritz war voll in Fahrt gewesen. Verwirrt sah er sich um und blickte hinunter in Sebastians Gesicht. Seine Miene verdüsterte sich kurz, bevor er sich fing und etwas gequält zurücklächelte. Wieder sah es unbeholfen aus, wie er dastand. Zu allem Überfluss bemerkte er es und machte den typischen Fehler. Er trat einen Schritt seitwärts und gab Sebastian die Bühne frei. Ein Ungeschick, das Sebastian gleich ausnutzen würde. Nicht uninteressiert sah ich dem Schauspiel zu. Sebastian drängte sich in den Kreis und Felix drohte ausgeschlossen zu werden. Entnervt wandte er sich ab. Doch Sebastian schien etwas vorzuhaben. Er merkte wie Felix drauf und dran war, sich davon zu stehlen. Sebastian griff zügig an dessen Brust und zog ihn an seinem Hemd zurück.
„Dann lauf doch nicht immer gleich weg“, lachte Sebastian. Er war darin Meister die Wahrheit zu verdrehen.
Felix fühlte sich schlagartig unwohl in seiner Haut und ließ sich von Sebastian heranziehen und sah dabei recht verloren aus. Sein Auftreten war mit verlegen wohlwollend umschrieben und hatte rein gar nichts mit dem Felix zu tun, der er vor wenigen Minuten noch gewesen war.
Ich schmunzelte vergnügt und trat nun ebenfalls in den Kreis und bekam bereitwillig Platz gemacht.
Sebastian gab sich als Felix' Mentor und täuschte geschickt vor, dass sein Schützling dieser Hilfe bedurfte. Er erzählte von sich und stellte immer wieder Fragen um Felix in ein Gruppengespräch zu verwickeln, das – wie es Sebastians Talent war – durchweg als Monolog bezeichnet werden konnte. Andere sprachen, wenn es ihm in den Sinn kam. Weil Felix über seine Unsicherheit, die ihn seit Sebastians Erscheinen, ergriffen hatte, hinweg täuschen wollte, gab er bereitwillig Antwort. Auch hierbei brillierte Sebastian damit, den Neuling auszufragen und unsere aller Neugier zu stillen.
Es war amüsant mit anzusehen, wie Felix auf den über einen Kopf kleineren Sebastian herab sah und dieser doch nach Herzenslust mit ihm spielen konnte.
„Langweilig!“ Max polterte heran und verlangte Aufmerksamkeit.
Während alle sich ihm zuwandten, konnte ich sehen, dass Felix einmal kräftig durchatmete.
„Hab ich dich endlich.“ Max stolperte in unseren Kreis und legte seine Arme mir und Sebastian um die Schulter. Dabei legte er nicht wenig von seinem Gewicht uns zulasten. Sebastian musste mit ansehen, wie Max' Glas neben seinem Gesicht bedrohlich schwappte und ihm unerwünschte Erfrischung versprach.
Wir kannten Max und überließen ihm die Bühne. Ansonsten wäre er niemals ruhig zu bekommen.
„Wieso ist es hier so ruhig?“, beklagte sich Max und ließ seinen Blick rundum von Einem zum Anderen schweifen. Dabei konnte er es nicht lassen, gelangweilte Grimassen zu schneiden.
„Weil du so rumlärmst, Prolet!“ Ich sah zur Seite und sah ein Mädchen frech zurück grinsen. Ah, Sarah war also auch hier gewesen, dachte ich und musste lachen.
Max sah mich finster an.
„Jetzt lacht der auch noch. Und dabei bist du an allem schuld“, rügte er mich für mein Benehmen.
„Sicher doch!“, entgegnete ich ihm gelassen.
Max nickte zustimmend und freute sich über meine rasche Einsicht.
„Woran denn?“, neckte ich ihn und riss ihn aus seiner Selbstbewunderung.
Max war fassungslos und wollte sein Glas ansetzen, merkte aber dass es an Sebastians Schulter für ihn unerreichbar war. Er hob seinen Arm und hätte Felix das Glas beinahe ins Gesicht gestoßen, wenn dieser seinen Kopf nicht zurückgezogen hätte. Dann trank er bedächtig einen großen Schluck aus seinem Glas, bis dieses leer war. Er schüttelte den Kopf und sah mich wieder an.
„Langweilig!“, protestierte er.
Sarah kicherte vergnügt.
„Das sagtest du bereits du Hohlbirne.“
Max Blick verirrte sich über meine Schulter hinweg an mir vorbei. Irgendwie bewunderte ich diesen Kerl dafür, wie leicht er Niederlagen ignorieren konnte. Er tat einfach als gingen sie ihn nichts an.
„Da stimmt etwas mit dem Wasser nicht“, stellte er erstaunt fest.
„War es vorhin nicht noch blau gewesen?“ Er betrachtete verwundert sein leeres Glas. „Und jetzt ist es Türkis.“ Er sah uns der Reihe nach an. „Oder hab ich was an der Optik?“
Ich freute mich schon auf all die Bewunderung, die mein Meisterwerk nun erhalten würde. Alle sahen hinüber zum Pool. Selbst Sarah hatte vergessen, Max zu provozieren.
„Das ist wirklich toll gemacht mit diesen Unterwasserspots. Die Illusion ist verblüffend echt. Finde es schön, dass der Übergang so dezent ist. Ich habe beim ersten Mal nicht schlecht gestaunt. Ehrlich gesagt hätte ich dir das nicht zugetraut.“ Amanda lächelte mir freundlich zu.
„Acht echt? Das ist so eine Spielerei von meinem Vater. Ich hab nicht viel übrig für so einen Kinderkram.“
Kaum hatte ich es ausgesprochen, verkrampfte sich mein Magen. Eilends wandte ich mich ab und schubste Max von mir weg, der immer noch an mir hing.
„Du bist aber heute recht anhänglich.“
„Mir ist langweilig!“
„Oh wie süß. Kommt lasst uns alle Max kuscheln, ihm ist langweilig.“ Sarah war wieder zu Stelle um Max abzuklatschen.
„Oh, man, mach dich nicht lustig. Ich will, dass mal was passiert.“
Sarah trat auf ihn zu. „Dann küss mich.“
Max grinste breit. „So gefällt mir das.“
Er beugte sich nach vorne.
Doch bevor Max auch nur in die Nähe ihrer Lippen kam, nahm sie Schwung und schupste ihn nach hinten.
Max stolperte. Seine Arme ruderten durch die Luft. Doch alles was ihm Halt bot, war das Glas, das er in der Hand festhielt. Er verlor endgültig das Gleichgewicht und stürzte rückwärts in den Pool.
„Dann kannst du jetzt mal deine Optik testen.“ Sarah lachte herzhaft und wir fielen in ihr Lachen mit ein.
Max rang nach Luft, als er wieder auftauchte. Er tat als wäre er ganz verwundert darüber, wie er dorthin gekommen war, und blickte sich um. Erst als er merkte, dass unser Gelächter nicht abebbte und er uns nicht länger ignorieren konnte, blickte er zu uns auf.
„So gefällt mir das“, lachte Sarah ihn aus.
Max nahm tief Luft und tauchte ab. Unser Grölen wurde nur noch lauter.
Als er wieder an die Oberfläche kam, tat er völlig gelassen. Er schien nachgedacht zu haben und fügte sich seinem Schicksal. Er schwamm als hätte er niemals etwas Anderes vorgehabt zur Seite des Beckens und stieg bei der Leiter aus.
Seine Kleider sahen aus, als wären sie ihm mindestens zwei Nummern zu groß. Wasser lief nur so an ihm herab und bildete hinter ihm kleine Bäche auf den Fliesen, während er auf uns zu schritt. Wir konnten uns vor lauter Losprusten kaum noch auf den Beinen halten. Er hielt sein nun wieder gefülltes Glas vor sich als würde er eben von der Bar kommen. Mit etwas schwerfälligen Schritten kam er auf uns zu. Er baute sich vor Sarah auf. Wir waren gespannt, wie er sich diesmal zum Clown machen würde und so verstummte vorerst unser Lachen. Sarah zeigte sich von seinem Auftritt nicht im Mindesten