Das Gasthaus an der Diego Cao, der ehemaligen Sklavenküste Togos am Golf von Guinea. Tony Schmid
Читать онлайн книгу.Mission, hatte sich darauf spezialisiert, die Luxuswagen und Harleys von Leuten, die dem Materialismus entsagen wollten und ins Ashram gingen, für wenig Geld abzuluchsen: „Ich wäre ja blöd wenn ich das nicht machen würde!“ Die gekauften Fahrzeuge wurden dann aufpoliert, was zu Jacks Aufgaben gehörte, technisch fit gemacht, wenn nötig zum Autosattler gebracht und anschließend für teures Geld verkauft. Der geschäftstüchtige Besitzer der Garage war also nicht gerade besonders spirituell und zudem Kettenraucher, was sich schlecht mit Meditation verträgt. Da Jack für diese Arbeit, bei der er auch oft mit einem Geschäftswagen neue Ersatzteile von Checker Autoparts und gebrauchte von teilweise ziemlich weitentfernten Autofriedhöfen besorgen musste, brauchte er dringend einen amerikanischen Führerschein. Mit Unterstützung seiner Mitbewohner büffelte er für die Theorieprüfung, fahren konnte er ja schon. So ging er also zur Prüfstelle, setzte alles auf eine Karte, gab seine Wohnadresse an und wies sich mit seinem Pass ohne Visa aus. Das fiel dort aber überhaupt nicht auf oder wurde gar nicht nachgeschaut. Er bestand die Prüfung, erhielt den Ausweis und konnte sich fortan unbehelligt zwischen USA und Kanada hin und her bewegen, hatte er doch nun eine Legitimation mit dem Status einer Identitätskarte. Kitty Bright, eine sehr nette Mitbewohnerin in der Wohngemeinschaft und Tochter eines Direktors des Chryslerkonzerns, borgte Jack für die ganze Zeit seines Aufenthalts ihren neuen Plymouth Dart, da sie diesen für sich selbst nicht unbedingt brauchte. So konnte Jack wundervolle Ausflüge in die nahen Rocky Mountains machen. Sie war es auch, die Jack dazu einlud, sie und ihren Freund in dessen Jeep weit hinauf in die Rockys zu begleiten, abseits der Zivilisation. So erreichten sie das zweitletzte Dorf, für Westernfilme im Originalzustand belassen, von wo aus noch ein originaler Zug mit Dampflock zum letzten Ort fuhr. Dieser diente ebenfalls als Wildwestkulisse. Vor einem Saloon parkten unzählige tolle Harley und Indian Bikes. Drinnen wurde Cowboymusik geboten. Am Ende des Orts hörte die Strasse auf, Kittys Freund legte die Untersetzung ein und über Stock und Stein ging es Steil den Berg hinauf. Sie erreichten in beträchtlicher Höhe das Blockhaus eines mit ihnen befreundeten Aussteigers. In der Nähe standen noch die Fragmente einer ehemaligen Goldgräberstadt, jetzt eher eine Geisterstadt. Jack betrat ein mehrstöckiges Holzhaus, das innen wie aussen von Moos überzogen war und vor sich hinmoderte. Er wollte eben die Treppe erklimmen, als ein heftiges Knarzen Gefahr ankündigte. Er schaffte es gerade noch das Gebäude zu verlassen, bevor dieses wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzte. Ein anderes Mal fuhren Jack und seine Freunde mit einem Van an den Oberlauf eines Flusses. In Schläuchen von Lastwagenreifen liessen sie sich den wilden Bergfluss hinuntertreiben, auch über kleinere Wasserfälle. Das machte grossen Spass, jedoch erschrak Jack, als eine lange, schwere Schlange neben ihm vorbeischwamm. Das musste eine illegal ausgewilderte Python gewesen sein. In dem alten Haus der WG, bei der er wohnte, klagten Mitbewohner immer wieder, sie würden nachts von Geistwesen geweckt oder gar berührt. Als Jack einmal spätabends im Lotussitz auf dem Sofa vor dem Kamin des Salons meditierte, erhoben sich vor ihm plötzlich zwei Astralwesen aus dem Boden, er erkannte einen alten Mann und eine alte Frau. Nun hatten aber alle genug gesehen und nachdem sie in Erfahrung gebracht hatten, dass in diesem Haus vorher ein Geschwisterpaar von Geburt an bis zum Tod gelebt hatte, bisher aber scheinbar keinen Frieden fand, bestellten sie eine Schamanin, diese sollte dem Spuk ein Ende bereiten. Nach dem Aufhängen von viel Knoblauch und anderen Ritualen wie dem Aufstellen von mit Salz gefüllten Töpfen der Schamanin, um deren einen Oberarm sich eine echte Schlange wand, kam es schliesslich zu einer Rückkehr zur Normalität. In dieser Zeit verliebte sich Jack auch in ein Indianermädchen namens Spring, also Frühling. So eine Ausstrahlung versprühte sie auch. Sie stammte vom Stamm der Apachen, die in Colorado gut vertreten sind. Genauso wie Jack erging es einem guten Freund von ihm, der hiess Bobby und hatte ein braunes und ein grünes Auge. Jedoch war es bei ihm echt, nicht so wie bei David Bowie. Vielleicht wegen dieser sehr speziellen Eigenheit erhielt er die Zuneigung von Spring. Absolut kein Problem für Jack. Er gönnte es ihm auf jeden Fall von Herzen, eine solch tolle, aussergewöhnliche Frau gefunden zu haben. Zu dieser Zeit herrschten in den Staaten noch sehr apartheidähnliche Zustände. Wenn Jack Sound von schwarzen Musikern hören wollte, weil er diesen nun einmal bevorzugte, musste er sich zwangsläufig in von den Weissen getrennte Lokalitäten begeben. Interessierte Weisse hatten hier wohl Zutritt, für sie mussten gemäss Behördenauflagen von den Betreibern extra Toiletten für Weisse gebaut werden, umgekehrt hatten Schwarze in Lokalitäten von Weissen überhaupt keinen Zutritt. Am Eingang hiess es nur: “No Dogs, no Indians, no Blacks!” Also Apartheid pur auch in den USA. Der freundschaftliche Umgang Jacks mit Menschen aller Hautfarben war vielerorts sowieso nicht gern gesehen. In der Absicht, in Orlando ein Guru Festival zu besuchen und später wieder nach Denver zurückzukehren, hatte er sich aufgemacht, via New Mexico und Texas Richtung Florida zu reisen. In New Mexiko nahm ihn ein älteres Ehepaar in einem Pickup mit. Der Mann schien arg betrunken, denn er konnte kaum die Spur halten. Als ihn dann aber Jack zum fahren ablöste, was die Leute in der Regel von mitgenommenen Fahrgästen erwarteten, merkte er schon bald, dass die Lenkung der alten Karre über zehn Zentimeter Spiel hatte. Kein Wunder also, wurde er alsbald von der Polizei angehalten, mit entsprechen-den Fragen zu seinem Fahrstil. Der Wagenbesitzer erklärte die Sache und sie konnten weiterfahren. Dann war Jack mit zwei Typen ebenfalls wieder in einem Pickup unterwegs. Darauf angesprochen, wo sie denn hin wollten, gaben sie zur Antwort: „We are going down to Birmingham to get fucked and sucked!“ Manchmal staunte Jack ja schon über das befremdliche, schroffe Benehmen vieler Amerikaner. Die hatten absolut keine Hemmungen das zu sagen, was ihnen gerade in den Sinn kam. Ihm fiel auf, dass, je südlicher er kam, in Bibliotheken fast nur noch schwarzmagische und okkulte Bücher auslagen. In Alabama musste er dann mit der dortigen Rotnackenmentalität Bekanntschaft machen. Einmal war er von jemandem, der ihn per Anhalter mitgenommen hatte, an einer Kreuzung mitten in einem Laubwald ausgesetzt worden. Nach kurzer Zeit tauchte entgegen Jacks Route ein Pickup Truck mit zwei finsteren Gesellen mit Texashüten auf, die mit hämischem Grinsen auf die hinter ihnen hängenden Repetiergewehre zeigten und drohten, dass sie Jack gleich erschiessen würden. Sie fuhren noch ein kleines Stück weiter um zu wenden. Jack wusste nicht wie mehr was er tun sollte, wäre er von der Strasse weg in den Wald geflüchtet, hätten sie wohl leichtes Spiel gehabt ihn zu erwischen. Er blieb also, in der Hoffnung auf ein Wunder, wie angewurzelt stehen und plötzlich, wirklich im allerletzten Moment, tauchte ebenfalls auf der Gegenfahrbahn ein Wagen auf, der noch vor den beiden Fratzen wendete und eine Frau ihn aufforderte, sofort einzusteigen. Auf dem Rücksitz sassen drei kleine Kinder. Sofort klärte die gute Frau Jack auf, dass er sich auf allerübelstem Ku-Klux-Klan Gebiet befände, wo Schwarze und Langhaarige für diese Rassisten, die die Sklaverei am liebsten nie abgeschafft hätten, eine beliebte Zielscheibe abgäben. Sie fuhr mit ihm noch viele Kilometer in die Richtung, die er wollte und lud ihn obendrein zum Essen ein. Dann reiste Jack via Mobile Alabama weiter Richtung Florida. Unterwegs an der Küste kam er durch einen Ort, der eine Woche zuvor von einem Hurrikan heimgesucht worden war. Die meisten Häuser waren zerstört und die Palmen entwurzelt. Eine weitere Mitfahrgelegenheit ergab, dass der Fahrer, der wie ein verrückter fuhr, eben aus dem Gefängnis entlassen worden war. Jack erkundigte sich nach dem Inhaftierungsgrund und erfuhr, dass dieser Autos geklaut hatte. So verwundert es kaum, dass der Wagen, den er jetzt fuhr, auch gestohlen war. Jack war froh, als er endlich wieder aussteigen konnte. Mit sehr netten Leuten erreichte er bald Tampa in Florida und schliesslich Orlando. Dort fand wie gesagt ein sogenanntes Guru Puja statt. Auf einem künstlichen See, der zur riesigen Anlage des dortigen Disney World Parks gehört, hatte man am Ufer eine Bühne in Form einer geöffneten Muschel errichtet. Als man dann mit den Festivitäten angefangen hatte, donnerte plötzlich vom anderen Ende des Sees ein amerikanisches Schnellboot heran und sprang über eine Schanze auf einen am Ufer aufgebauten Schaumgummiberg. Der blumenbekränzte Guru stieg aus und betrat die Bühne. Dann hörten zigtausende seiner Ansprache zu, interessanterweise hatte es Zuschauer jeder Art. Besonders war Jack eine Gruppe von orthodoxen Würdenträgern in ihren schwarzen Roben und mit ihren schwarzen, glockenförmigen Schirmen aufgefallen. Was die hier wohl suchten? Jack hatte einen Schnellkurs bei den Security Leuten absolviert und stand deshalb am letzten Tag beim sogenannten Darshan, bei dem die Anhänger des Gurus ihm die Füsse, beziehungsweise die Socken küssten, direkt vis-à-vis dem Guru und schaute diesem, soweit er seinen Blick erwiderte, direkt in die Augen. Jack missfiel sein Gehabe sehr, dass der sich von seinen Anhängern wie ein Gott verherrlichen liess und wollte ein Zeichen setzen, dass ihm diese Huldigungen nicht wirklich zustehen würden. In Orlando traf Jack auch noch zwei alte Freunde aus Luzern, die ihn dazu überredeten,