Das Gasthaus an der Diego Cao, der ehemaligen Sklavenküste Togos am Golf von Guinea. Tony Schmid

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Das Gasthaus an der Diego Cao, der ehemaligen Sklavenküste Togos am Golf von Guinea - Tony Schmid


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vom Meer her eine üble, sehr schmerzhafte Entzündung des Mittelohrs. Am darauffolgenden Tag überquerten sie die prächtige Golden Gate Bridge. Nur einige Kiliometer zuvor beobachteten sie noch eine Verfolgungsjagd der Polizei, die mit mehreren Wagen und heulenden Sirenen hinter einer schwarzen Limousine her war. „Look, like in a movie!“, meinten die Leute zum schmunzelnden Jack. Endlich angekommen in San Francisco, fand er bald eine Unterkunft bei einem kriegsversehrten Vietnamveteran, der wie er ein Mitglied von Divine Light Mission war. Jack gefielen in Frisco einerseits die alten, pastellfarbenen Holzhäuser mit ihren Penthouses, welche das grosse Erdbeben von 1906 und die daraus resultierende, verheerende Feuersbrunst, überstanden hatten. Es faszinierten ihn zudem auch einige Wolkenkratzer und er versuchte, jeweils ganz oben hin zu gelangen. Er hielt auch Ausschau nach einer Arbeitstelle, ein Jobangebot für San Francisco sollte er jedoch grotesker Weise erst viel später nach seiner Rückkehr in die Schweiz erhalten. Bei seinen vilen Streifzügen durch die Stadt hatte er auch festgestellt, dass er in der damaligen Hochburg der Schwulen gelandet war. Da Jack jedoch absolut solidarisch mit diesen war, störte ihn das überhaupt nicht , solange man ihm nicht an die Wäsche wollte. Bald trampte er weiter in Richtung Los Angeles. Unterwegs besuchte er noch ein Openair im wunderschönen Santa Cruz, wo er zufälligerweise Zeuge der Dreharbeiten von Jaws, also dem weissen Hai wurde. Dann reiste er weiter die Küste hinunter und erreichte eines Abends das mondäne Malibu Beach. Als er dann das Ortschild sah, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Schon Monate zuvor hatte er von diesem geträumt, ein klassisches Déja-vu also und da er ja wie gesagt keine gültige Aufenthaltsbewilligung hatte, musste er notgedrungen am Meer hinter den Dünen schlafen. Dort traf er dann auf einen jungen Afroamerikaner, der zusammen mit seinem Hund auch dort übernachten wollte. Kaum war Jack eingeschlafen, fing hinter ihm ein heftiges Klappern an: „Don‘t move!“, sagte der junge Mann, Jack solle sich ja nicht bewegen und versuchen, so unmerklich wie möglich zu atmen. Leichter gesagt als getan! Im Nacken Jacks rollte sich eine Klapperschlange, er war angespannt wie nie zuvor, ihm stockte das Blut, aber glücklicherweise zog sie sich nach einigen Minuten wieder zurück. Jack kam es trotzdem vor wie eine Ewigkeit und er erlitt, wen wunderts, wegen seiner Todesangst seinen zweiten Nervenzusammenbruch, noch heftiger als beim ersten Mal. So begab er sich mit dem jungen Mann in ein 24-Stundenlokal, wo sich seine Anspannung in Form von heftigem Schüttelfrost langsam wieder entlud. Dass Jack sich wegen seinem illegalen Status so vorsichtig verhalten musste, stand in krassem Gegensatz zu der Tatsache, dass Guru Maharji selbst in Malibu seinen persönlichen Hauptsitz hatte und dort eine äusserst feudale Villa bewohnte. Am nächsten Tag ging Jack weiter in Richtung Hollywood, von dort hatte er die Adresse einer Wohngemeinschaft. Er durchquerte das weitläufige, von dickem Smog überzogene L.A. mit seinem Tramperrucksack zu Fuss und plötzlich stand er in einem elenden Armenviertel vor einer Gruppe grimmig dreinschauender Afroamerikaner, die ihn fragten: „Do you want to die?“ Also ob er sterben wolle. Nachdem ihnen Jack erkärt hatte, er sei hier fremd und komme aus der Schweiz, antworteten diese wie aus einem Munde und wie alle anderen Amerikaner: „Ah, from Sweden!“ Sie liessen ihn unbehelligt weiterziehen. Schliesslich erreichte Jack das Haus der WG, von wo aus er direkten Blick auf das bekannte Hollywood Schild in den Hollywood Hills hatte. Wieder ging Jack auf Jobsuche und traf eines Tages auf dem Hollywood Boulevard auf John Wayne, der in seinem weissen Rolls-Royce Convertible am Strassenrand parkte und ihn sehr freundlich mit dem typisch amerikanischen „Howdy“, abgekürzt für „How do you do?“, grüsste. Trotzdem Jack noch nie Fan dieses Schauspielers gewesen war, grüsste er ihn respektvoll zurück. Der schwer krebskranke John Wayne lebte von diesem Zeitpunkt an nur noch zwei Jahre. Jack ging weiter auf dem Sunset Boulevard und wurde unterwegs von einer kräftigen Prostituierten in ihr als Arbeitsplatz dienendes Häuschen gezerrt. Mit einem Schubs landete er auf ihrem Bett und schon hielt sie ihm eine Preisliste über ihre Dienstleistungen unter die Nase. Jack lehnte dankend ab, er sei selbst auf Jobsuche. Die blieb dann allerdings erfolglos, mehrere Angebote als Pornodarsteller lehnte er ab. Hätte es sich um heterosexuelle Filme gehandelt, hätte er womöglich zugesagt, es ging aber vorwiegend um homosexuelle Darstellungen, was absolut nicht seiner Veranlagung entsprach. Da die einst früher so populäre Kulissenfimerei nicht mehr angesagt war und deshalb die meisten früheren Aufnahmestudios leer standen, wurden zu dieser Zeit in Hollywood praktisch nur noch solche Filme gedreht. So verliess Jack entnervt L.A. und reiste weiter via Las Vegas, das ihm gar nicht gefiel und ihm wie ein riesiger Rummelplatz vorkam, weiter durch die Wüste Nevada mit ihren eigentümlichen, kegelförmigen Bergen, vorbei am riesigen, trockenen Salzsee in Utah bis Salt Lake City und weiter in Richtung Denver Colorado. Unterwegs hatte ihn auch ein sehr interessanter Sheriff in seinem Wagen mitgenommen. Der Aschenbecher seines Wagens war vollgestopft mit vorgedrehten Marihuanajoints und er forderte Jack immer wieder auf, sich zu bedienen. Jack, eigentlich Nichtraucher, wollte nicht unhöflich sein und tat, wie ihm geheissen. Er war aber doch überrascht über diesen liberalen, aussergewöhnlichen Ordnungshüter. Dann kam Jack zu einer einmaligen Fahrt mit einem amerikanischen Rennboot, das dem Fahrer des nächsten Wagens gehörte. Dies mit hoher Geschwindigkeit auf einem brettharten, kalifornischen See. Am Ufer glitzerte es überall und Jack wollte wissen, was das sei. „Das ist Gold, lohnt sich aber trotzdem nicht zum Abbauen!“, antwortete der nette Mann, der aus Manitoba stammte. Der nächste Autofahrer, der ihn mitnahm, war ein echter Cowboy und so wollte Jack wissen, ob hier solche Jobs zu haben seien . Der Mann riet ihm von dieser Arbeit eindeutig ab, diese sei enorm anstrengend und habe nichts mit alten Wildwestfantasien zu tun. Nach Utah kam er nach Wyoming und endlich in Denver, fand er wiederum ein Zimmer in einer WG. In dem Haus lebten drei junge Männer, einer davon mit zwei Hunden, einem alten Neufundländer und einem weissen Pudel, dann drei Frauen, eine davon mit ihrer kleinen Tochter. Der kleine Pudel, namens Cotton, war einst von einem Auto angefahren worden und der Ärmste hatte deshalb einen gehörigen Dachschaden davongetragen. Er pinkelte sich regelmäßig ans vordere, rechte Bein. Jack hatte von Anfang an Mitleid mit dem armen Tierchen und wusch ihn jeweils in der Dusche mit Hundeshampoo. Da er mit weit geöffneten Augen verwirrt dreinschaute, so, wie die Pferde des Streitwagens, die Jack zuvor auf einem Bild von Krishna mit Arjuna gesehen hatte, taufte Jack ihn bald treffend „Krishnahorse“. Ihm gefiel die Hauptstadt Colorados auf Anhieb, trotz ihrer Lage im Flachland, liegt sie nahe bei den Rocky Mountains und erinnerte ihn irgendwie an seine Heimat. Zu seinem Erstaunen befand sich in seinem Zimmer ein Fernseher mit Baujahr 1952, der bereits über eine richtige Fernbedienung verfügte. Die hatte ein viel grösseres Gehäuse als es heutige Geräte haben, darauf befand sich ein Drehknopf für die Senderwahl und das Ding hatte eine externe Antenne. Beim Umschalten gab sie ein bizarres Zischgeräusch von sich. Im Zentrum der Stadt fand Jack einen Laden, in dem Wintersportartikel verkauft wurden. Dort sah er ein Inserat, in dem man Skilehrer für Aspen und Loveland suchte. Er traute sich zumindest zu, Anfänger gut unterrichten zu können. Als er den Ladenbesitzer darauf ansprach, entpuppte sich dieser als Schweizer: „Haben sie überhaupt ein Schweizer Skilehrerpatent? Sonst wird nichts aus dem Job!“ Da Jack kein solches vorweisen konnte, war die Sache gelaufen. Er war aber schon erstaunt, dass ausgerechnet ein Landsmann darüber bestimmen sollte. Es war jedoch in der Zeit, als die damals weltberühmten Schweizer Skiakrobaten Roger Staub und Art Furrer, für einige Jahre in Colorado lebten und somit als absolute Könner den Takt vorgaben. Dann, nach längerem Suchen, fand er endlich dank der guten Beziehungen eines seiner Mitbewohner eine körperlich sehr harte Arbeit auf dem Bau. Damals wurde gerade ein neuer, ziemlich grosser Flughafen für Denver gebaut und Jack bekam dort den Auftrag, mit dem Grabenstampfer etliche Wege zu planieren. Von diesem schweren Gerät, das wie eine Heupferd rauf und runter hüpft, dabei den ganzen Körper des Haltenden durchschüttelt und -vibriert, träumte Jack auch noch nachts und sah das Ding vor sich rumhopsen. Bald fand Jack einen besseren Job. Etwas ausserhalb Denvers war ein neues Quartier mit Appartement- und Reiheneinfamilienhäusern entstanden. Dort wurden auch künstliche Seen angelegt, auf denen sich bald Wasservögel wie Enten, Schwäne und Blaesshühner ansiedelten. Nun hatte ein gewiefter Geschäftsmann eine tolle Idee: Die Neuzuzüger der vielen Häuser würden Zimmerpflanzen brauchen und so liess der Mann etliche Sattelschlepper voll mit exotischen Pflanzen wie Gummibäumen, Zimmerpalmen und dergleichen aus Mittelamerika herankarren. Damit füllte er eine grosse, angemietete Halle. Jack half beim Abladen, beim Verkauf und war schon zuvor mit einer Gruppe von Helfern beim Verteilen der entsprechenden Reklameflyer in dem riesigen Vorort von Denver beteiligt gewesen. Als dann der Tag des Verkaufs kam, war die Halle in windeseile ausverkauft und Jack seinen Job natürlich somit wieder los. Zum Glück fand er bald
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