Das Gasthaus an der Diego Cao, der ehemaligen Sklavenküste Togos am Golf von Guinea. Tony Schmid

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Das Gasthaus an der Diego Cao, der ehemaligen Sklavenküste Togos am Golf von Guinea - Tony Schmid


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fand jede Woche zweimal sogenannter Satsang statt, bei dem die Premies über ihre Meditationserfahrungen berichteten. Erstaunlicherweise hatten jetzt Jacks guter, alter Freund Thundy und seine aufgeschlossene, sich seit jeher vegetarisch ernährende Mutter, ebenfalls dazu gefunden. So sah Jack Thundy wieder öfter, worüber er sich sehr freute. Während dieser Zeit besuchten einige seiner Mitbewohner einen Naturheiler im Luzerner Hinterland, der gleichzeitig auch ein Medium war. Er offenbarte ihnen nebst anderem Wissen: „Gebt in Zukunft gut acht auf euren Mitbewohner Jack, der hat einen direkten Draht zu Gott und wird während der kommenden Apokalypse wissen, wo rechtschaffene Menschen hingehen müssen! Er wird mit riesigen Raumschiffen und all seinen Seelenverwandten diesen Planeten verlassen!“ Die Zuhörer waren sehr erstaunt über diese Aussagen, auch darüber, dass dieses Medium Jack noch nie gesehen hatte und trotzdem seinen Namen wusste. Nach ihrer Rückkehr in die WG berichteten sie den anderen Mitbewohnern und Jack darüber, der zurecht annahm, dass für sie das Ganze in ein paar Jahren wohl wieder vergessen sein würde. „Bis das passiert, wird noch viel Zeit vergangen sein und ihr werdet euch dann wahrscheinlich überhaupt nicht mehr an mich erinnern!“, sagte Jack, aber staunte trotzdem, dass es noch so sensitive Leute wie diesen Naturheiler gab, die wie er vieles voraussahen, sich ihrer Vorleben bewusst waren und Kontakt zu göttlichen Wesen pflegten. Seltsamerweise wurde dann urplötzlich die Einrichtung dieses Hauses von Tag zu Tag üppiger, entweder kamen wertvolle Möbel und Teppiche, Gemälde, Skulpturen oder vergoldete Spiegel und barocke Engelsfiguren hinzu. Als Jack sich nach der Herkunft der Schätze erkundigte, sagte man zu ihm: „Das sind dank der Gnade des Gurus alles Schenkungen von Verwandten! Er wird bei seinem nächsten Besuch in der Schweiz bestimmt unser Gast sein!“ Es ging dann nicht lange und es war ein Polizeikommando zu Gast. Die vermeintlichen Schenkungen erwiesen sich als Diebesgut, drei männliche Mitbewohner Jacks, der es kaum glauben konnte, wanderten nebst zwei weiteren Mittätern, auch Mitglieder der selben Organisation, für zwei Jahre hinter Schloss und Riegel. Tatsächlich waren sie zuvor in Villen namhafter Persönlichkeiten, prunkvolle Hotels, die nur zur Hauptsaison geöffnet waren und alte Kirchen eingebrochen. Das Diebesgut hatten sie jeweils mit einem VW-Bus abtransportiert und waren mit diesem bei einem Einbruch in eine Kirche von einem Spaziergänger, der mit seinem Hund Gassi ging, gesehen worden. Kurzzeitig nach der Verhaftung der naiven Täter, die ihrer Organisation mit diesen Untaten natürlich einen erheblichen Imageschaden beschert hatten, besuchte Jack ein Gurufestival in Kopenhagen. Dieses fand neben der Freistadt Christiania, einem damaligen Mekka der europäischen Hippies, statt. Da es Sommer war, ging zum Erstaunen Jacks erst nachts um elf die Sonne unter, um eins am Morgen aber schon wieder auf. Während des Satsang, also dem Vortrag des Gurus, bei der er sich selbst als Retter der Menschheit darstellte, begehrte plötzlich eine Gruppe von Jesus People auf und protestierte lauthals, dieses Götterprädikat würde nur einer Person, nämlich Jesus Christus, zustehen. „Wie wahr!“, dachte Jack,der seine bisherigen spirituellen Erfahrungen auch mit diesem Mann gemacht hatte, bei sich, die Aufbegehrenden aber wurden von der Sicherheitsleuten unsanft nach draussen befördert. Dann arbeitete er eine Zeit lang für die katholische Kirche. Es war ein lockerer Job, den vorher ein Mann gemacht hatte, der eben in Rente gegangen war. Jack musste Bettelbriefe für Kirchenrenovationen maschinell falten, dann ebenfalls mit Maschinen couvertieren und adressieren. Diese Aufgabe, für die sein Vorgänger jeweils einen Monat gebraucht hatte, erledigte er in zwei bis drei Wochen. Es blieb ihm eine Menge Freizeit, gut für seine kreativen Projekte. Sein Chef, ein bärtiger Hüne von über zwei Metern war nebenbei auch Zauberkünstler, der mit weissen Tauben Tricks vorführte. Die hielt er sich jedoch in Käfigen, welche im Maschinenlärm von Jacks Arbeitsplatz standen, was der überhaupt nicht begreifen konnte. Kein Wunder waren sie deshalb aggressiv wie Raubvögel. Eines Tages wurde die Arbeit Jacks durch einen Computer der damaligen Zeit ersetzt und er verspürte grosse Lust, demnächst eine abenteuerliche Reise zu tun.

      Reise durch Nordamerika

      So kam es, dass Jack mit seinem Freund Jean-Luc eine Flugreise nach Indien plante. Da aber zu diesem Zeitpunkt kein Günstigflug in Sicht war, beschlossen die Beiden, zuerst nach Montreal in Kanada, wo Jean-Luc geboren war, zu fliegen. „Jetzt werde ich endlich deine Heimat sehen, Buffalo Bill!“, sagte Jack zu Jean-Luc. Er nannte ihn oft so, weil er wie jener schwarzhaarige Buffalo Bill aus dem gleichnamigen Bastei Comix aussah. Von Montreal aus hatten sie die Absicht Kanada zu durchqueren, um dann in Vancouver auf einem Schiff anzuheuern, welches sie nach Indien bringen sollte. So zogen sie, nachdem sie mehrere Nächte im preisgünstigen YMCA Hotel übernachtet hatten, sich das ehemalige Expo Gelände und den der Stadt den Namen gebenden Mont Royal angesehen hatten, zudem einige Verwandte und Freunde von Jean-Luc in Montreal besucht hatten, per Anhalter los. Schon die erste Mitfahrgelegenheit in Québec erwies sich bald als furchterregend: Ein indianischer Schamane, unterwegs mit seiner Frau, hatte die Beiden zum Übernachten in seinem Blockhaus, weitab der Zivilisation an einem See, eingeladen. Sie blieben ein paar Tage da und verstanden sich recht gut mit den Leuten. Diese lebten seit Jahren von Sozialhilfe, besassen aber trotzdem eine Wohnung in Montreal, dieses Blockhaus und zwei Autos. Kanada war damals unter dem amtierenden Präsidenten Trudeau das sozialste Land der Welt. Eines Abends sassen die Beiden auf einem wuchtigen Sofa, wie es sie dort damals gab, als der Schamane plötzlich vor ihnen stand und sie samt Sofa mit seiner geistigen Kraft, ihnen kam es vor wie eine wahnsinnige Wallung, über einen Meter in die Luft hob. Was er damit sagen wollte war ihnen nicht klar, aber zumindest Jack packte die nackte Angst: „Jean-Luc, lass uns abhauen, mir ist das gar nicht geheuer!“ Deshalb ging er am darauf folgenden Tag schon frühmorgens zu Fuss los in den nächsten Ort und kaufte sich dort, trotzdem weder er noch Jean-Luc einen Schweizer Führerschein hatten, ein zehnjähriges Chevy Impala Coupé. Dann evakuierte er seinen Freund Jean-Luc und fuhr mit ihm in das Reservat der Ottawas in Ontario. Dort machten sie eine Wochentour mit einem Kanu. Die beiden waren fasziniert von der Schönheit der kanadischen Landschaft. Auf diesen Touren fährt man mit dem Kanu überall wo man kann, Zwischendurch muss man es aber auch mal ein Stück über Land tragen. Jack stritt sich am Anfang mit Jean-Luc. Der sass hinten und ruderte rechts. Da er viel kräftiger als der vorne links rudernde Jack war, hatte das Kanu ständig einen Rechtsdrall. Jack reklamierte: „Ich kann mich nicht auf dich einstellen, du aber dich auf mich!“ Angekommen auf einem See ereignete sich ein sehr ungewöhnlicher Zwischenfall: Jack sprang in den See und tauchte unter. Als er wieder auftauchte, hatte er sich für einen Moment in einen Häuptling in voller Montur verwandelt. Jean-Luc erschrak sehr, war aber von dem Mirakel trotzdem sehr angetan: „So was habe ich noch nie erlebt! Wie ist das nur möglich?“ Jack wusste

      auch keine Antwort darauf, hatte er doch eben den Moment eines früheren Lebens wieder erlebt. Sein Vorleben als Häuptling Pontiac, einst Häuptling des Ottawa Stammes, welcher zuletzt verraten und erstochen worden war, hatte sich zurückgemeldet. Wie das bei solchen Erfahrungen so ist, hatte Jack ein ganzes Leben in Sekundenbruchteilen nachvollzogen. Während ihres Aufenthalts war Jack bereits negativ aufgefallen, dass die Ureinwohner in Kanada besonders diskriminiert wurden und viele von ihnen dem Alkohol verfallen waren. Sie sind rein schon von ihrem Aussehen her viel markanter als etwa die in den Staaten lebenden Apachen, die eher wie Mischlinge aussehen. Sie haben anders als diese kantige Adlernasen und verfügen über keinen in den Hosen sichtbaren Po, vielleicht war das mit ein Grund. Jean-Luc und Jack reisten dann via Toronto, wo viele Schweizer leben, weiter bis nach Niagara, wo sie sich die berühmten Wasserfälle anschauten. Ihr alter Chevy verbrauchte plötzlich fast so viel Öl wie Benzin und schliesslich funktionierte nur noch der Rückwärtsgang, bevor er endgültig den Geist aufgab. Kaufen wollte diese Kiste auch niemand mehr, so liessen sie das kaputte Ding einfach irgendwo stehen und reisten dann vorerst mit dem kanadischen Pendant des amerikanischen Greyhound Bus weiter. Als sie in einer kleinen Ortschaft in Ontario wieder einmal auf den Bus warteten, ereignete sich ein bisher nur von wenigen Menschen erlebtes Phänomen: Am tiefblauen, absolut wolkenlosen Himmel über ihnen manifestierte sich aus dem Nichts die sogenannte „weisse Wolke“, in Form einer riesigen Hand, von den Ureinwohnern auch die Hand Manitus genannt, und entfachte einen heftigen Sturm. Innert kurzer Zeit waren die beiden völlig durchnässt und standen demütig in der Prärie. Sie waren völlig baff, hatte ihnen die Hand doch erst noch freundlich zugewinkt. Es sollte übrigens noch


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