Blauer Himmelsstern. Bianca Wörter
Читать онлайн книгу.setzte mich langsam auf, roch an dem Inhalt und kostete einen kleinen Schluck. So sehr die Flüssigkeit im Becher nach Kräutern gerochen hatte, so bitter schmeckte sie auch.
„Trink alles leer. Es wird dir helfen schneller gesund zu werden", versprach mir Don‘kar.
War ich krank? Ich nahm noch einen Schluck und genoss das Brennen in meinem Hals, fühlte, wie es sich meine Speiseröhre hinunterzog und in meinem Magen eine wohlige Wärme erzeugte. Nachdem ich den Becher bis auf den letzten Tropfen geleert hatte, fühlte ich mich tatsächlich ein wenig besser, entnahm dem schwindeligen Gefühl, das meinen Kopf ergriff, dass etwas Alkoholhaltiges dem Kräutertrank beigemengt war. Don‘kar hatte mich die ganze Zeit über interessiert betrachtet und war enttäuscht, dass ich bei dem bitteren Geschmack und dem Brennen im Hals keine Miene verzogen hatte.
„Was war das für ein Getränk, es hat sehr gut geschmeckt", fragte ich ihn und schmunzelte innerlich, dass ich ihn ein wenig angeschwindelt hatte.
„Ein Kräuterwein. Ich habe ihn selbst gemacht."
Fast hatte ich diese Antwort erwartet. Ich fühlte mich nun stark genug, um aufzustehen, schlug die Felle zurück und erhob mich langsam. Mein Kleid war zerknittert, meine Beine fühlten sich wachsweich an, mein Kopf dröhnte, es drehte sich alles um mich herum - ansonsten ging es mir recht gut, redete ich mir lakonisch ein und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Don‘kar fixierte mich immer noch, als ob er jeden Moment damit rechnete, dass ich umfallen und er mich mit seinen starken Armen auffangen müsste. Aber den Gefallen tat ich ihm nicht.
Ich blieb noch einen Moment ruhig stehen, versuchte das schwindelige Gefühl in meinem Kopf zu ignorieren und drehte mich schnell um, als ich Don‘kars Frage hörte: "Wie ist dein Name?"
Seine Augen leuchteten so blau wie die Don‘kars, sie strahlten das gleiche warme Licht aus, sein Haar war so weich, wie von dem Mann, den ich auf der Erde als „Bewohner" des blauen Himmelssternes kennengelernt hatte und doch - er wusste nicht wer ich war!
„Crisca."
„Ein sehr schöner Name."
Ich las die Frage in seinen Augen, woher ich seinen Namen kannte. Oh Don‘kar, was war nur geschehen?
Er erinnerte sich an sein Angebot vor meinem Erholungsschlaf und führte mich zum Holztisch. Ich setzte mich auf einen der Holzstühle und Don‘kar nahm mir gegenüber Platz. Vor mir stand ein Holzteller und darauf lagen zwei Scheiben dunkles Brot, eine große Scheibe Käse, die goldgelb glänzte und mir das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ sowie ein großes Stück gepökelten Fleisches. Daneben stellte Don‘kar meinen Becher und schenkte mir aus einer Holzkaraffe noch Kräuterwein ein.
„Du kannst ruhig essen, ich habe schon. Entschuldige, ich hatte großen Hunger und wollte nicht mehr warten."
„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, ich habe schließlich keinen Anspruch darauf und bin dir sehr dankbar, dass du mich bei dir aufgenommen hast", beschwichtigte ich ihn.
Dann probierte ich von dem Fleisch: der salzige, leicht rauchige Geschmack tanzte auf meiner Zunge, der Käse schmeckte herrlich reif und das dunkle Brot bot eine passende Ergänzung zu dem kalten Mahl an. Ich hatte großen Hunger und binnen weniger Minuten war alles aufgegessen, ich trank in großen Schlucken den Becher Kräuterwein leer und genoss die wohlige Wärme und das angenehm satte Gefühl in meinem Magen.
Behaglich lehnte ich mich an die Stuhllehne: "Wie lange habe ich geschlafen?"
Wieder wusste ich nicht, welche Antwort ich zu erwarten hatte, aber ganz sicher nicht seine Offenbarung: "Zwei Tage."
Ich fiel aus allen Wolken. Nahmen die Unglaubwürdigkeiten, die schockierenden Ereignisse nicht mehr ab, wurden sie immer größer?
Ich musste ziemlich entsetzt ausgesehen haben, Don‘kar schritt sofort um den Tisch herum, nahm meine Hände in seine und beugte sich zu mir herunter: "Der Schlaf hat dir gut getan, du hast dich schneller erholt, als ich angenommen hatte. Normalerweise sterben Menschen an so hohem Fieber."
„Ich hatte Fieber? Ich hätte sterben können?"
Und das sagte er mir einfach so? Ich stand auf, wankte zum Bett hinüber und setzte mich auf die weiche Kante. Das musste ich erst einmal verdauen!
„Don‘kar. Ich hab eine Bitte an dich. Erzähl mir jetzt genau der Reihe nach, was alles passiert ist, bevor du mich mit weiteren Aussagen von einem Entsetzen ins nächste stößt."
Es war übertrieben, aber ich wollte es einfach wissen und nicht weiter wirren Vermutungen in Gedanken nachhängen.
Don‘kar tat mir den Gefallen:
Er war auf der Jagd in der Eiswüste gewesen, als sein Pferd Ralin aufgeregt wieherte. Es hatte ein gutes Gespür für Beutetiere, was die Jagd erleichterte. Also ritt er in die Richtung, die Ralin anstrebte. Je mehr er sich dem dunklen Punkt näherte, den er am Horizont erblickt hatte, umso merkwürdiger kam ihm das Aussehen und Verhalten des vermeintlichen Beutetieres vor. Es war untypisch in seiner Farbe - jedes Lebewesen in der Eiswüste verfügte zur Tarnung über ein helles Fell. Ihm fiel auf, dass das Tier nicht versuchte wegzulaufen. Dabei musste es längst die Witterung von ihm und Ralin aufgenommen haben. Sein erster Verdacht war, dass das Tier verletzt, krank oder tot war. Er trieb sein Pferd zu immer größerer Eile an und erkannte endlich, dass es sich bei dem Tier um einen Menschen handelte.
„Soviel dazu, dass du mich schon von Weitem als Mensch erkannt hast!", feixte ich.
Don‘kar schmunzelte ertappt, äußerte sich aber nicht weiter dazu, sondern fuhr in seinem Bericht fort: „Was sucht ein Mensch in dieser Wüste, noch dazu ohne Fell?"
Der Mensch fiel zur Seite und tauchte beinahe ganz im Schnee unter.
‚Hoffentlich erreiche ich ihn noch rechtzeitig‘, dachte er voller Entsetzen, als er sich vor seinem inneren Auge ausmalte, dass er den Menschen nur noch tot bergen würde.
Als er sein Pferd neben dem Menschen zügelte, stieg er rasch ab und ihn traf erneut das Entsetzen: "Eine Frau!"
Schnell zog er sein Fell aus, hüllte sie von Kopf bis Fuß darin ein, nahm von Ralins Rücken sein Ersatzfell und warf es sich selbst über. Nachdem er die Frau auf Ralins Rücken gezogen hatte und selbst hinter ihr aufgestiegen war, überlegte er nicht lang, sondern beschloss, sie mit zu sich nach Hause zu nehmen.
Ihn quälten auf dem langen Ritt viele schwere Gedanken: ‘Vielleicht ist sie entführt worden und hier zum Sterben ausgesetzt worden oder sie ist geflohen und bekam das Fell geraubt? Oder wollte sie hier sterben? Wie ist sie dann so weit gekommen und wo ist das Fell? Ob sie es vergraben hat?‘
„Dann bin ich mit dir hierher geritten, das weißt du noch, oder?", beendete Don‘kar seine Erzählung.
„Ja, das weiß ich noch", bestätigte ich ihm.
„Du fielst in einen tiefen Schlaf mit hohem Fieber, hast ständig meinen Namen gerufen - dass ich nicht weggehen soll. Dabei war ich die ganze Zeit über bei dir. Am ersten Tag dachte ich, du würdest innerlich verbrennen. Ich hab versucht, das Fieber mit Hilfe von Schnee zu senken, allerdings ohne Erfolg. Ich dachte, du würdest es nicht überleben. Am zweiten Tag sank das Fieber schnell - nun bist du wieder gesund", erzählte er ungläubig.
Naja, gesund fühlte ich mich noch lange nicht.
„Warum hast du meinen Namen gerufen?", wollte er wissen.
Ich schüttelte bedauernd den Kopf: "Ich weiß es nicht mehr. Ich kann mich an keinen Traum erinnern."
Mir wurde richtig schwindelig, doch an diesen Zustand hatte ich mich schon gewöhnt. Nur diesmal wusste ich, warum mir schwindelig war: Es war die Wirkung des Kräuterweines und Don‘kars Blick, der mir durch und durch ging und wenn ich Don‘kars Gedanken zeitweise hörte, wusste ich, dass es ihm genauso erging.
„Jetzt ruh dich noch ein wenig aus. Leg dich hin. Ich brauch auch ein wenig Schlaf, ich war die ganzen zwei Tage wach."
Der Wein musste wohl hochprozentiger gewesen