Edgar Wallace - Gesammelte Werke. Edgar Wallace
Читать онлайн книгу.zurückkam und daß sich seine Pistole beim Auspacken durch eine Fahrlässigkeit entlud.«
Mr. Pinner nickte und verließ schnell den Raum.
Gonsalez ging zum Sofa, wo Eder lag. In diesem Augenblick schlug der junge Mann die Augen auf und schaute erregt von Manfred zu Gonsalez.
»Mein lieber Freund«, sagte Leon sanft, als er sich über den Verwundeten beugte, »es ist Ihnen ein Unglück passiert – verstehen Sie mich? Ihre Wunde ist nicht lebensgefährlich. Gleich wird der Krankenwagen kommen, um Sie abzuholen. Beruhigen Sie sich, ich werde Sie jeden Tag im Hospital besuchen.«
»Wer sind Sie denn?« fragte Mr. Eder mit leiser Stimme.
»Ich bin Ihr Nachbar«, erwiderte Leon lächelnd.
»Aber der Brief!« stieß Mr. Eder atemlos hervor.
Leon legte ihm begütigend die Hand auf die Stirn.
»Den habe ich in meiner Tasche. Sie bekommen ihn zurück, wenn Sie wieder gesund sind. Sie haben also verstanden, daß Ihnen ein Unglück passiert ist?«
John Eder nickte.
Eine Viertelstunde später fuhr der Krankenwagen vor, und Mr. Eder wurde fortgebracht.
Als die beiden Freunde wieder in ihrer eigenen Wohnung waren, öffnete Leon in aller Seelenruhe den Brief und las ihn.
»Nun?« fragte Manfred.
»Unser junger Freund kam von Südafrika mit siebentausend Pfund zurück, die er sich in acht Jahren durch harte Arbeit erspart hat. Die ganze Summe verlor er in weniger als acht Stunden in einer Spielhölle, die er nicht näher bezeichnet. Er ist nicht nur um seine ganzen Ersparnisse gekommen, sondern hat anscheinend noch Schecks geschrieben, um größere Spielschulden zu decken.«
Leon strich sein Kinn.
»Wir müssen in seinem Zimmer noch genauer Umschau halten. Hoffentlich hat Mr. Pinner nichts dagegen.«
Der Hauswirt war sehr zuvorkommend und gestattete gern, daß Leon die Wohnung Mr. Eders durchsuchte, bevor die Polizei auf der Bildfläche erschien. Leon fand denn auch bald das Scheckbuch, das in der inneren Brusttasche von Mr. Eders Frack steckte, und nahm es mit sich nach unten.
»Er hat keinen Namen auf die Scheckabschnitte geschrieben«, sagte er enttäuscht. »Es steht immer nur ›bar‹ darauf. Natürlich hat er alles derselben Person übergeben. Er hat ein Konto bei der Third National Bank of South Africa. Die Londoner Niederlassung dieser Bank ist in der Throgmorton Street.«
Er notierte sorgfältig die Nummern aller Schecks – es waren im ganzen zehn.
»Zuerst müssen wir ein Telegramm an die Bank schicken, um die Auszahlung dieser Schecks zu verhindern. Natürlich kann er verklagt werden, aber Spielschulden brauchen nach dem Gesetz nicht bezahlt zu werden. Und bevor man ihn wegen der Nichteinlösung der Schecks belangt, kann sich noch manches ereignen. Auf jeden Fall gewinnen wir dadurch Zeit.«
Am nächsten Nachmittag ereignete sich denn auch schon etwas. Leon hatte strikte Anweisung gegeben, daß jeder, der nach Mr. Eder fragte, an ihn gewiesen würde. Um drei Uhr erschien ein tadellos gekleideter junger. Mann an der Tür.
»Ist dies die Wohnung von Mr. Eder?«
»Nein, das gerade nicht«, entgegnete Gonsalez. »Hier wohne ich mit meinem Freund, aber wir sind bevollmächtigt, Mr. Eder zu vertreten.«
Der Besucher runzelte argwöhnisch die Stirn.
»Sie haben Vollmacht? Nun gut, dann können Sie mir ja einige Auskünfte geben. Warum sind denn die Schecks bei der Bank gesperrt worden? Mein Chef ist heute morgen zur Bank gegangen, um die Beträge abzuheben, und die Bank weigerte sich, sie auszuzahlen. Weiß Mr. Eder hierüber Bescheid?«
»Wer ist denn Ihr Chef?« fragte Leon liebenswürdig.
»Mr. Mortimer Birn.«
»Und seine Adresse?«
Der junge Mann nannte sie. Mr. Mortimer Birn besaß offensichtlich ein Inkassobüro und zog für eine Reihe von Leuten die Schecks ein, die sie nicht durch ihre Banken gehen lassen wollten. Der junge Mann behauptete mit Nachdruck, daß die Schecks das Eigentum mehrerer Personen seien.
»Ein sonderbarer Zufall, daß alle zehn Schecks an Mr. Birn gelangt sind«, meinte Leon lächelnd.
»Ich möchte lieber Mr. Eder persönlich sprechen«, sagte der Angestellte Mr. Birns unliebenswürdig.
»Sie können ihn nicht persönlich sprechen, er hat einen Unglücksfall gehabt. Aber ich werde Ihren Mr. Birn aufsuchen.«
Das kleine Büro Mr. Birns lag in der Glasshouse Street. Die Art des Geschäftes war weder unten am Eingang noch oben an der Bürotür näher angegeben. Aber Leon Gonsalez sah sofort, als er eintrat, daß er es mit einem Geldverleiher zu tun hatte.
In dem äußeren Raum befand sich niemand. Es war hier gerade Platz genug für einen kleinen Tisch und einen Stuhl. In Kopfhöhe war eine hölzerne Trennungswand eingezogen, um den wenig beneidenswerten Mann, der in diesem Raum arbeiten mußte; vor Zug und unmittelbarer Sicht zu schützen. Aus diesem kleinen Zimmer führte eine Tür in das Privatbüro Mr. Birns.
Leon lauschte, denn er hörte Stimmen.
»... hierherkommen, ohne telefonische Anmeldung, was? Sie kommt immer morgens, habe ich Ihnen das nicht schon hundertmal gesagt?« brüllte jemand.
»Sie kennt mich nicht«, sagte ein anderer unwirsch.
»Sie braucht nur Ihr Haar zu sehen ...«
In diesem Augenblick kam der junge Mann durch die Tür, dem Leon in der Jermyn Street aufgemacht hatte. Eine Sekunde lang sah Gonsalez zwei Herren in dem anderen Zimmer. Der eine war klein und untersetzt, der andere schlank und rothaarig. Der Angestellte machte sofort kehrt, und die laute Unterhaltung hörte plötzlich auf. Als Gonsalez in das Büro gebeten wurde, war nur der Geschäftsinhaber sichtbar.
Birn war der untersetzte, kahlköpfige Mann. Er war sehr liebenswürdig und erzählte Leon dieselbe Geschichte, die ihm der junge Mann vorgetragen hatte.
»Was wird nun Mr. Eder wegen dieser Schecks unternehmen?« fragte er schließlich.
»Ich glaube nicht, daß er sie einlösen wird«, entgegnete Leon höflich. »Sie wissen ja, daß es Spielschulden sind.«
»Es sind aber doch Schecks«, unterbrach ihn nun Mr. Birn. »Und ein Scheck ist ein Scheck, ob er nun für Spielschulden oder für einen Sack Kartoffeln in Zahlung gegeben wird.«
»Ist denn das auch nach dem Gesetz so? Und wenn es so ist – sind Sie doch so liebenswürdig und schreiben mir einen Brief dieses Inhalts. In dem Fall wird der Bezahlung nichts mehr im Weg stehen.«
»Ja, das will ich tun. Wenn Sie es wünschen, kann ich den Brief gleich schreiben.«
»Bitte.«
Aber Mr. Birn schrieb den Brief nicht.
Statt dessen sprach er von seinen Rechtsanwälten und beklagte sich heftig über die Charakterlosigkeit der jungen Leute, die nicht einmal mehr Ehrenschulden einlösen wollten. (Warum er sich damit zufriedengab, daß die Schecks Spielschulden deckten, erklärte er nicht genauer.) Schließlich beendete er die Unterredung etwas plötzlich. Leon hatte inzwischen darüber nachgedacht, wer wohl der dritte Mann gewesen sein mochte, den er vorher durch die Tür gesehen hatte. Vermutlich hatte er den Raum durch eine der drei Türen des kleinen Büros verlassen.
Leon ging die enge Treppe hinunter und trat auf die Straße. Als er auf dem Gehsteig stand, fuhr ein kleiner Wagen vor, aus dem eine junge Dame stieg. Sie sah ihn nicht an, sondern ging an ihm vorbei und stieg die Treppe empor. Sie war allein und hatte das luxuriöse Auto selbst gelenkt. Gonsalez interessierte sich für sie und wartete ungefähr zwanzig Minuten, bis sie wieder herauskam. Sie schien in gedrückter Stimmung zu sein.
Leon wurde neugierig und machte sich sofort auf den Weg zu dem Hospital, in dem Mr. Eder lag. Der junge Mann hatte