Edgar Wallace - Gesammelte Werke. Edgar Wallace
Читать онлайн книгу.Sie mir doch, was Sie mit dem Brief gemacht haben? Ich war so töricht –«
»Er ist vernichtet«, erwiderte Leon wahrheitsgetreu. »Nun müssen Sie mir aber verschiedenes erzählen, junger Freund. Wo war die Spielhölle, in der Sie Ihr Geld verloren haben?«
Es dauerte lange, bis er Mr. Eder überzeugt hatte, daß er keinen Vertrauensbruch damit beging, wenn er ihm die ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende erzählte.
»Es war also eine Dame, die Sie dorthin gebracht hat«, sagte Leon nachdenklich.
»Sie war aber nicht daran beteiligt«, erwiderte John Eder schnell. »Sie war nur ein Besucher wie ich auch, und sie sagte mir, daß sie fünfhundert Pfund verloren hätte.«
»Selbstverständlich«, entgegnete Leon begütigend. »Ist sie blond? Hat sie tiefblaue Augen und fährt sie ihr eigenes Auto?«
Der junge Mann sah ihn erstaunt an.
»Ja, sie hat mich in ihrem Wagen hingebracht. Auch ist sie blond und hat blaue Augen. Sie ist wirklich eine der schönsten Frauen, die ich jemals gesehen habe. Sie brauchen sich ihretwegen keine Sorgen zu machen. Sie ist ein Opfer wie ich und ebenso betrogen worden, wenn überhaupt ein Betrug vorliegt.«
»Die Adresse war also Paul Street Nr. 196, Mayfair?«
»Die Straße stimmt sicher, hoffentlich auch die Nummer. Aber Sie werden doch nichts gegen die Leute unternehmen? Es war doch mein eigener Fehler. Sind Sie nicht einer der beiden Herren, die unter mir wohnen?«
Leon nickte.
»Vermutlich sind die Schecks bei der Bank präsentiert und nicht alle bezahlt worden.«
»Sie sind noch nicht vorgezeigt – oder jedenfalls noch nicht ausbezahlt worden, will ich lieber sagen. Und wenn Sie sich wirklich erschossen hätten, mein junger Freund, dann wären sie überhaupt nicht ausgezahlt worden, weil dann Ihre Bank verpflichtet gewesen wäre, automatisch alle Zahlungen aus Ihrem Konto einzustellen.«
Manfred mußte an diesem Abend allein speisen, denn Leon war von seinem Besuch noch nicht zurückgekehrt. Erst um acht Uhr brachte ein Bote einen Brief, in dem Leon bat, dem Überbringer seinen Gesellschaftsanzug und mehrere andere Gegenstände zu übergeben.
Manfred war zu sehr an Leons Art gewöhnt, um erstaunt zu sein. Er packte einen kleinen Handkoffer und händigte ihn dem Boten ein. Er selbst verbrachte den Abend mit Briefschreiben.
Um halb drei hörte er auf der Straße eine Schlägerei, und gleich darauf kam Leon herein. Er war gelassen und ruhig, obgleich er kurz vorher einen Zusammenstoß mit einem jungen Menschen gehabt hatte, der ihm vor dem Haus aufgelauert hatte.
Manfred sah, daß er nicht in Gesellschaftskleidung war, sondern den Anzug trug, in dem er am Morgen die Wohnung verlassen hatte.
»Hast du den Koffer bekommen?«
»Ja, es ist alles in Ordnung.«
Leon zog einen kurzen Stock aus Rhinozeroshaut aus der Tasche. Es war eine dieser gefürchteten Waffen, die man in Südafrika »sjambok« nennt, ungefähr eineinhalb Fuß lang. Manfred hatte sie ihm auf seine Bitte am Nachmittag mit den anderen Sachen geschickt. Er besah sich den Schläger im Licht.
»Es ist gut, ich habe ihm die Haut nicht aufgeschlagen. Ich war schon in Sorge.«
»Wer war es denn?«
Leon drehte das Licht aus, bevor er antwortete, zog die Gardinen zurück, öffnete das Fenster und schaute hinaus. Dann trat er wieder vom Fenster zurück, ließ die Vorhänge übereinanderfallen und schaltete das Licht wieder ein.
»Er ist fortgegangen, aber es wird wohl nicht das letzte Mal sein, daß wir von der Bande belästigt werden.«
Er trank ein Glas Wasser, setzte sich an den Tisch und lachte.
»Du weißt doch, daß Mr. Fare von Scotland Yard, der uns ab und zu besucht, unser Freund ist?«
»Ja, natürlich«, entgegnete Manfred lächelnd. »Warum sagst du das – hast du ihn getroffen?«
»Nein, andere Leute haben ihn gesehen und geglaubt, daß ich mit der Polizei in Verbindung stehe. Ich hatte Gelegenheit, Mr. Bingley aufzusuchen, und er und seine Spießgesellen sind davon überzeugt, daß ich ein Spitzel oder, mit anderen Worten, ein Detektiv bin. Man nimmt allgemein in diesen Kreisen an, daß ich von der Polizei beauftragt bin, Spielhöllen zu beobachten. Daher auch die Aufmerksamkeit, mit der man mir nachspürt. Auf meinem Rückweg nach der Jermyn Street hatte ich glücklicherweise vergessen, dem Chauffeur die Nummer zu sagen, und er fuhr an den Leuten vorbei, die auf mich warteten, bevor ich ihn anhalten konnte.«
Er erzählte Manfred von seinem Besuch im Hospital und von der Unterredung mit Mr. Birn.
»Birn und Bingley sind natürlich identisch. Er ist der Besitzer von drei, vielleicht sogar noch mehr Spielhöllen in London. Auf alle Fälle steht er mit seinem Geld hinter diesen Unternehmungen. Ich glaube nicht, daß er sich persönlich in einem dieser Lokale sehen läßt. Das Haus in Mayfair war selbstverständlich heute abend geschlossen, und ich habe mir auch keine Mühe gegeben, es aufzusuchen. Sie waren sehr besorgt, daß Mr. Eder die Polizei benachrichtigen könnte. Aber wie soll ich dir das elegante und schöne Haus in der Bayswater Road beschreiben, wo sich eine Menge reicher und eleganter Leute Abend für Abend versammeln und ihr Glück beim Bakkarat versuchen?«
»Wie bist du denn dahin gekommen?«
»Man hat mich mitgenommen. Ich speiste im Martaus-Klub zu Abend, erkannte Mr. Welby nach der Beschreibung sofort wieder und begrüßte ihn als einen alten Freund. Er ließ sich wirklich täuschen und glaubte, daß er mich schon früher getroffen hätte, bevor ich nach Argentinien ging, wo ich ein Vermögen erwarb. Natürlich setzte er sich an meinen Tisch und trank einige Liköre mit mir, dann stellte er mich einer sehr schönen jungen Dame vor, die ein ungewöhnlich luxuriöses Auto fährt.«
»Du bist nicht erkannt worden?«
Leon schüttelte den Kopf.
»Der Schnurrbart, den ich mir diesen Abend zugelegt habe, war zu geschickt angebracht«, sagte Leon stolz. »Ich habe mir auch viel Mühe gegeben und jedes Haar einzeln angesetzt. Mehr als zwei Stunden habe ich mit dieser Arbeit zugebracht. Auch du hättest mich wahrscheinlich nicht gleich wiedererkannt. Ich habe mit der schönen Miss Margaret getanzt und –« er zögerte.
»Du hast auch mit ihr geflirtet!«
Leon zuckte die Schultern.
»Mein lieber Manfred, es war notwendig«, erwiderte er feierlich. »Es war ein glücklicher Zufall, daß sich ein Diamantring in meiner Tasche befand, den ich von Südafrika mitgenommen hatte – in Wirklichkeit kaufte ich ihn heute nachmittag in der Regent Street für hundertzwanzig Pfund. Es war wirklich großartig, wie ihr der Ring paßte. Sie war vorher nicht gerade in der besten Stimmung, aber durch dieses geschickte Geschenk erhielt ich dann Zutritt zu der Spielhölle in der Bayswater Road. Sie brachte mich selbst in ihrem Auto dorthin. Und ich muß sagen, daß mein Besuch nicht ohne Gewinn war«, meinte er bescheiden und zog ein dickes Paket Banknoten aus der Tasche.
Manfred lachte leise.
Leon war der geschickteste Kartenkünstler Europas. Mit seinen langen, feinen Fingern könnte er mit der unglaublichsten Schnelligkeit Karten mischen. Seine Begabung hätte ihm ein Vermögen eingebracht, wenn er ein berufsmäßiger Falschspieler geworden wäre.
»Es wurde Bakkarat gespielt, und ein äußerst intelligenter Croupier holte die Karten aus einem kleinen Kasten hervor«, erklärte Leon. »Die benutzten Karten wurden in eine Schale geworfen. Der Stoß in dem Kasten war natürlich so sorgfältig gemischt, daß der Croupier die Reihenfolge genau kannte. Es war verhältnismäßig leicht, ein Dutzend Karten aus der Schale zu nehmen, aus dem Zimmer zu gehen und sie so zu ordnen, daß sie abwechselnd günstig und ungünstig für die Bank waren. Aber sie nun auf die Karten hinaufzupraktizieren, die der Croupier verteilte, das war ein Meisterstück, mein lieber George!«
Leon erzählte nicht, daß er die Aufmerksamkeit