Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Theodor Gottlieb von Hippel
Читать онлайн книгу.den Steineichen ihre Blätter; allein die Wurzeln bleiben. Warum jene Anlagen nicht zur Regel werden, sondern Ausnahmen sind? warum sie nicht häufiger entwickelt werden? sind das Fragen? Hat denn unser Geschlecht einen so großen Überfluß von edlen Seelen? Nur selten ist die Ehre, womit Ulysses und Aeneas, nicht von der unpartheiischen Göttin der Gerechtigkeit, sondern von dem oft sehr partheiischen launigen Gott Apoll kanonisirt wurden. Ohne Zweifel nahm Homer seine Penelope, Andromache, Nausikae, Arete aus der Natur; und noch immer scheinen mir die größere Gleichheit des dienenden und herrschenden Standes, die gemeinschaftlichen Arbeiten der Weiber und der Sklavinnen, die Vertraulichkeit die von dem Umstande kam, daß sie unter einander aufgewachsen und erzogen waren, die Art der weiblichen Arbeit und der Ertrag des Nutzens derselben jene Zeit für die Weiber unendlich erträglicher gemacht zu haben, als die bleierne, in welche das weibliche Geschlecht zu fallen das anscheinende Glück hatte, und welche leider! noch nicht von ihm genommen ist. Im Heldenalter waren die Sitten, wie die Liebe (von jeher lebten Liebe und Sitten in der genauesten Verbindung) roher, und es blieb im Takt! Die damaligen Übel des weiblichen Geschlechtes waren ungerathene Kinder des Ungefährs, dem man, bei so vielen wohlgerathenen, auch jene verzeihen kann; die Übel der folgenden und der jetzigen Zeit sind constitutionell, gründen sich auf Unfakta und inconsequente Vernünftelei! — Fürwahr, es würde eine unerhörte und nach den angenommenen psychologischen Grundsätzen unerklärbare Erscheinung seyn, wenn unter dem eisernen Drucke des Despotismus das Freiheitsgefühl nicht endlich seine Spannkraft verlieren; wenn aus Mangel an Pflege und Wartung der herrlichste Boden nicht verwildern, und endlich jeder nützliche Keim ersticken; wenn über den Gedanken von entrissenem Rechte, und daß dieses unwiederbringlich verloren gegangen sey, nicht endlich auch das Andenken an jene Rechte selbst und die demselben entsprechenden Gefühle, der Glaube an sich selbst und an seinen selbstständigen Werth, verlöschen sollte. Wenn Schonung, Achtung und Pflege der ursprünglichen Menschenrechte, wenn vorzügliche Cultur und Wartung aller edlen und großen Keime, welche die Natur in die Seele der Weiber legte, nie Statt findet — was ist da am Ende zu erwarten? Ein Kahn, der sich zu sehr auf die eine Seite neigt, muß umschlagen — und unser Geschlecht? wenn es eben den chemischen Versuchen auf nassem und trocknem Wege, den Feuer- und Wasserproben, ausgesetzt würde; wenn diese Hiobsleiden, womit wir das andere Geschlecht heimsuchen, über uns verhängt würden — was wäre aus uns geworden? würden wir noch so viel Urkundliches an uns behalten haben, wie das andere Geschlecht —? Würde der Mann, der Mensch, nicht bei uns weit mehr aufhören, als bei jenem? — O des großen Musters, welches das andere Geschlecht, nicht mit Pomp, wie die Stoiker und ihr Erzmärtyrer Peregrinus Proteus, beim Sterben, sondern ganz natürlich giebt, indem es nicht bloß seine Feinde liebt, sondern auch, und — das sagt mehr — seinen Freunden vergiebt! — Jenes große Wort ist sichtbar an ihm — daß es die Schwachheit eines Menschen und zugleich die Zufriedenheit eines Gottes besitzt. — Doch warum soll ich zurück halten? So lange die Weiber bloß Privilegia und nicht Rechte haben; so lange der Staat sie nur wie parasitische Pflanzen behandelt, die ihr bürgerliches Daseyn und ihren Werth nur dem Manne verdanken, mit welchem das Schicksal sie paarte — wird nicht das Weib den großen Beruf der Natur: das Weib ihres Mannes, die Mutter ihrer Kinder, und, kraft dieser edlen Bestimmungen, ein Mitglied, eine Bürgerin, und nicht bloß eine Schutzverwandtin des Staates zu seyn — nur immer sehr unvollkommen, und je länger je unvollkommener, erfüllen? Die Länge trägt die Last. Man gebe ihm aber seine Rechte wieder, und man wird sehen, was es ist und was es werden kann! Warum eine Kritik meiner namentlichen Beispiele? warum ein Vorwurf, daß es nur blutwenige Ausnahmen gebe? Nach dem reinen Wein unserer Philosophen kann die Tugend nicht wie eine schöne Kunst nachgeahmt werden und nach Beispielen (wären sie gleich die ersten und besten) sich bilden. Aus dem ersten Princip der Selbstgesetzgebung soll sie fließen, wenn sie anders ächt und rein seyn will. Nur da ist Energie der Seele, wo man aus sich selbst schöpft — und was gilt Mannigfaltigkeit ohne höchste Einheit? was einzelne schöne Züge ohne Alles anordnende und ins Reine bringende Principien? — — Die Französischen Prinzen, die ihr Vaterland verließen, erklärten öffentlich: an Gott, an den König und an ihr Schwert sich wenden zu wollen. Drei Instanzen, wo der liebe Gott sich gefallen lassen muß, die erste, das heißt im juristischen Sinne die geringste, zu seyn. Das andere Geschlecht hat nur Einen Gerichtshof: an Gott. Überall Männer — Männer, bei denen nicht Wichtigkeit des Grundes, sondern Mehrheit der Gründe gilt; und welcher Gründe? — Raisons d'État —? ich greife mir vor; wer kann sich aber zurückhalten? In der That, die Gesetze sind in Rücksicht der Weiber fast noch inconsequenter, als eine thörichte Liebe! So sehr sie auf Einer Seite die bürgerlichen Rechte der Weiber in Absicht auf ihre Personen und ihr Vermögen beschränken, weil sie dieselben für schwach und unvermögend, ihr eigenes Beste wahrzunehmen, erklären; so verpflichtet sie sich halten, das ganze Geschlecht zu einer immerwährenden Vormundschaft zu verstoßen: so schnell hört doch diese Schwäche auf, Schwäche zu seyn, so bald von Verbrechen und Strafen die Rede ist; beide Geschlechter werden mit einem und demselben Maße gemessen — und in der Kirche, in den Gerichtshöfen, (hoffentlich auch im Himmel) ist kein Ansehen der Person zwischen Mann und Weib: sie sind einerlei Leib und einerlei Seele. Ehre dem Divus Justinianus, der, mit mehr Zusammenhang als unsere Gesetzgeber, wegen der gröbsten Vergehungen dem schönen Geschlechte keine Zurechnung zumuthete, und es über alle Strafen wegsetzte! — Nach seiner Meinung war ein Weib so gut, daß es zu nichts taugte, wogegen es bei uns doch wenigstens einer Bestrafung — welch ein Vorzug! — würdig geachtet wird. Bei uns steht es unter dem Gesetze; bei ihm stand es nur unter der Gnade. — Wahrlich! man kann nicht läugnen, daß es bei uns einen Schritt zur Verbesserung gethan hat, obgleich seine Vollendung, die im weiten Felde geblieben, noch ein Wunder in unsern Augen ist — Ja wohl, ein Wunder! — Die Ewigkeit der Höllenstrafen hat ihre Bestreiter gefunden, und dieses Höllenräthsel wird zu unserer knotenlösenden Zeit, wo die kalte Philosophie so manches abkühlt, durch die ewigen Folgen ins Reine gebracht, welche von keiner bösen Handlung getrennt werden können; die Sklaverei des andern Geschlechtes indeß bleibt ein Wurm, der nie stirbt, und ein Feuer das nie verlischt. — Gerechtigkeit! man hat dir die Binde genommen; und doch siehst du nicht, daß, wenn gleich alle Handlungen, die mit den Personen und dem Vermögen des andern Geschlechtes in Beziehung stehen, ohne einen gesetzlichen Beistand ungültig sind und ohne allen bürgerlichen Effekt bleiben, deine armen Unmündigen durch alle sittliche und bürgerliche Gesetze in eben dem Maße wie die Männer verbunden werden! Selbst nicht bei Gesetzen wider die Contrebande ist nach dem Curator die Frage, und ob in dessen Assistenz dem Kaiser nicht gegeben ward, was des Kaisers ist — und doch ist ein Weib dem Staate nur durch den Mann verwandt und zugethan: Nur er huldigte ihm und seinen Gesetzen. Ist es Wunder, wenn Weiber die Gesetze befolgen, wie die Nonne den Psalter singt? wenn sie den ernsthaften Anordnungen des Staates eine Folie des Lächerlichen unterlegen, und sich da noch Auslegungen derselben erlauben, wo blinder Gehorsam erfordert wird? War je eine ärgere Löwengesellschaft? und trift es irgendwo klärer ein, daß man größere Diebe laufen läßt, und kleinere zu hängen sich nicht entbricht? Staaten, die zum Schutze der Menschenrechte entstanden, entziehen ihn der Hälfte ihrer bürgerfähigen Einwohner! — Es ist natürlich, wenn der Wille sich da sträubt, wo die Vernunft so viele Steine des Anstoßes und Felsen des Ärgernisses findet — — Leiden einzelner Menschen (besonders wenn diese nicht die verdammlichen Urheber davon sind) vollenden, und nichts was groß war, kam ohne sie je zur Reife; Leiden aber, die einem ganzen Volke nicht von der Natur und vom Schicksal, sondern bloß willkührlich zugefügt werden, hemmen allen Muth: sie erschlaffen und entseelen die edelsten Völker, so daß man ihre Stätte nicht mehr findet. — Ewig Schade um alle die Fortschritte, die durch jene männliche Grausamkeit gehemmet werden! Welch ein Stoff muß im andern Geschlechte liegen, da er allen diesen Hindernissen noch bis jetzt so stattlichen Widerstand leistete! — Doch, unmöglich könnten die Weiber noch seyn, was sie sind, und die Lage behaupten, in der sie sich befinden, wenn nicht Geschlechterneigung und Reitze ihnen Subsidien geleistet hätten. So hat bis jetzt die Natur den Menschen noch nie ganz verlassen, wenn er ihr auch unerkenntlich den Rücken kehrte! Ein gewisser glücklicher Zustand, nach welchem den Menschen wenig zu wünschen, allein eben darum viel zu befürchten übrig bleibt, macht sie unglücklich: — sie erstreben nichts; ihre Seele verliert den Schwung, ihr Geist das Geistige; und so wie dieser glücklich-unglückliche Zustand das Schicksal vieler regierenden Herren ist,