Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Theodor Gottlieb von Hippel
Читать онлайн книгу.getraue mir (den Gegenbeweis unverschnitten) außer Zweifel zu setzen, daß in allen weiblichen Regierungen gewisse feine Züge des Anstandes aufzuspüren seyn würden, welche bei einem großen Theile der Menschen mehr bewirken, als ein wohlbestallter Codex voll kunstgerechter Strafflüche. Dieser süße Geruch der Empfehlung, dieses Gewürz des Wohlgefallens — wie liebenswürdig! Die Gesetzgebung der Grossen Katharina der II. hat davon laute Spuren. — Schon die Gegenwart der Frau vom Hause, die doch das Hausrecht gewiß nicht in aller Strenge handhaben kann, macht den Männern die Sprache der Bescheidenheit nothwendig — und will man einwenden, daß die Ohren alsdann gerade nur so viel keuscher geworden wären, als das Herz unkeusch; so vergißt man, daß ein gewisser Schein, eine gewisse Heuchelei, die man Lebensart nennt, unter den Menschen so nothwendig ist, daß die Menschen ohne diese Lebensart nicht, wie ein Paar Augures der alten Zeit, wenn sie einander begegneten, oder ein Paar der neuern, wenn sie ein Consilium wegen der letzten Öhlung eines Patienten halten, über einander lachen, sondern sich verabscheuen würden. — Die Reinheit der Zunge wirkt zurück; und wessen das Herz voll ist, geht der Mund über. —
II.
Giebt es ausser dem Unterschiede
des Geschlechtes noch andere
zwischen Mann und Weib?
Als nach dem Rathe, den Gott über das Schöpfungswerk gehalten hatte, dieser Plan ausgeführt werden sollte; schuf Er das erste und beste Paar von Menschen gleich im männlichen und mannbaren Alter, so daß ihre Hochzeit keine Stunde ausgesetzt werden durfte. Sie kamen mit den erforderlichen Jahren zur Welt, wie regierende Herren ihrem neuen Adel Ahnen verehren — Das Männlein Adam hatte zwar die Ehre der Erstgeburt; indeß ward Fräulein Eva vollkommen dadurch entschädigt, daß sie aus einer Rippe Adams, dieser dagegen nur aus einem Erdenkloß zur Welt gebracht wurde —! »Eine Schöpfung also aus der zweiten Hand?« Warum nicht gar aus der dritten —! Schuf nicht eben die Schöpferhand, welche Adam geschaffen hatte, auch Eva? und gereichet diese Rippen-Hieroglyphe nicht in mehr als Einer Rücksicht zum Vorzuge des Weibes? Keins erzog das andere; Keinem fiel es ein, sich über das andere zu erheben und Vaterrechte zu behaupten. — Elternrecht, das schönste und ehrwürdigste, das die Menschheit kennt, der Urquell der liebenswürdigsten Tugenden, hat (wer sollt' es denken!) die Ungleichheit unter den Menschen erzeugt. Gute Eltern, solch eine ungerathene, ausgeartete Tochter! Sind indeß viele Laster nichts anders als ungezogene Tugenden; sind, nach dem Ausspruch eines Heiligen, unsere Tugenden bloß schöne Sünden: so würde man ein Verbrechen an der Menschheit begehen, wenn man nicht auch dem Bösen und dem Ideal desselben, dem Teufel, Gerechtigkeit erweisen wollte. — Wenn man ja, nach der ältesten Urkunde das menschliche Geschlecht betreffend, einem Theile dieses ersten Menschenpaares einen Vorzug vor dem andern beilegen wollte; so würde Eva den Zankapfel von jedem Paris erhalten — »weil sie schöner als Helena war? und weil jeder Paris bei aller Sinneseinfalt eine Mannsperson bleibt?« Nein! sondern weil Adam durch sie zum Falle gebracht ward, oder (wie diese hohe und tiefe, erhabene und schöne Hieroglyphe nicht unrichtig gedeutet werden kann) weil er sich durch sie zum Gebrauch und zur Anwendung, zum Durchbruch der Vernunft hinaufstimmen ließ. Der seligen Stimmung! — Eva war das Pupillen-Amt, welches die Majorennitäts-Erklärung über den unmündigen Adam aussprach, nachdem er zeither vielleicht unter der Vormundschafts-Direktion der braven Eva gestanden zu haben scheint, die sich schon zuvor in einigen Stücken manumittirt haben mochte — Sie zerbrach die Ketten des Instinkts, der die Vernunft nicht aufkommen ließ, und triumphirte — Eva sollte die Vernunft, ihr zum Andenken, heißen. Die erste Hauptrevolution konnte, wie jede Revolution, nicht ohne Drangsale und Unruhe seyn. Diese sind nach der Natur des Menschen so nothwendig, daß ich nichts weiß, es sey etwas Theoretisches oder Praktisches, was, wenn es sich anders auszeichnet, nicht durch Zerrüttung und Leidenschaft empfangen und geboren wäre — Nur immerwährend kann dieser Braus und Saus nicht seyn und bleiben. Die Wellen müssen sich legen und die Vernunft muß endlich obsiegen — So ging es bei der ersten Revolution, und so muß es bei einer jeden andern gehen, wenn sie anders diesen Namen verdienen soll. Diese Lobrede auf Eva, welche ihr von wegen der Vernunft-Revolution so wohl gebührt, würde vielleicht zu einer theologischen, juristischen, medicinischen oder philosophischen Disputation, oder zu einem Aufsatze für irgend ein zeitverkürzendes Journal, hinreichende Gelegenheit an Hand und Kopf geben, wenn man nur wüßte, wie man den ungebetenen Gast von Assistenzräthin, die Schlange, aus dem Spiel bringen könnte. — Mit diesem Eheteufel ist leider! nichts anzufangen — Kurz und gut, sagt der gläubige Thomas Payne, ich bin dem ganzen Teufel von Monarchie feind. — Da es aber, mit Herrn Payne's Erlaubniß, auch gar häßliche Republikteufel geben kann und giebt; so ist es am Besten, alle Teufel zum Teufel zu jagen. Vielleicht die beste Gerechtigkeit, die man ihnen erweisen kann. —
Die Schöpfungsgeschichte erwähnet, nach dem klaren Inhalt derselben, keines andern als des Geschlechtsunterschiedes. Lasset uns Menschen machen — und er schuf sie ein Männlein und ein Fräulein — — Es ist eine weit spätere Epoche, wenn es heißt: Dein Wille soll deinem Manne unterworfen seyn und er soll dein Herr seyn! Und denkt man sich unter der Geschichte des Falles ein Bild von der Befreiung des Menschen von dem paradiesischen Joche des Instinkts, und vom Ursprunge des gesellschaftlichen Zustandes, zu welchem die weise Eva die Gelegenheitsmacherin und Heroldin war; so scheinen diese prophetischen Worte den traurigen Zustand zu verkündigen, den Eva ihrem Geschlechte durch diese Heldenthat zuzog. — Ob indeß die Natur der Sache jene allererste Urkunde und ihre Auslegung bestätigen wird? Zu übersiebnen sind dergleichen alte und wohlbetagte Dinge nicht; und wozu auch diese gefährliche Beweisart —? wozu, da wir Vernunft und Erfahrung als Zeugen zum ewigen Gedächtniß anrufen können. Aus dieser zweier Zeugen Munde bestehet alle Wahrheit. —
Die Natur scheint bei Bildung der beiden Menschengeschlechter nicht beabsichtiget zu haben, weder einen merklichen Unterschied unter ihnen festzustellen, noch eins auf Kosten des andern zu begünstigen — Der Geschlechtsunterschied kann nicht zur Antwort dienen, wenn die Frage ist: ob das männliche Geschlecht mit wesentlichen körperlichen und geistigen Vorzügen vor dem weiblichen ausgestattet worden sei? Andere Unterschiede, als die welche auf die Geschlechtsbestimmung gehen, zu entdecken, hat dem anatomischen Messer bis jetzt noch nicht gelingen wollen; und doch behauptet dies Instrument bei der goldnen Regel: Erkenne dich selbst, einen unleugbaren Einfluß; und überhaupt hat das brave Eisen dem menschlichen Geschlechte weit mehr Dienste geleistet, als das prahlerische Gold — Wer zuerst den Magneten die Eisenbraut nannte, bewies für Magnet und Eisen eine Achtung, die beiden gebührt. — Was hätte die Natur veranlassen können, die Eine Hälfte ihres höchsten Meisterstücks zu beglücken und zu ehren, die andere dagegen zu verkümmern und zu vernachlässigen, und zwar gerade in umgekehrtem Verhältnisse? Bei Erreichung jenes großen Naturzwecks, wo Menschen das göttliche Ebenbild des Schöpfers darstellen, hat das weibliche Geschlecht einen ungleich wesentlicheren Antheil als das männliche, und zwar sowohl in Hinsicht der Substanz als der Form. Dieser Absicht recht weise vorzuarbeiten, sollte die Natur die Weiber haben schwächer bilden oder unvollendet lassen wollen? »Nicht eben schwächer«, sagte ein Weiberfeind, als er diese Stelle im Manuskripte las, »aber weniger gang und gebe. Mögen Weiber Stahl seyn, die Männer Eisen —«. Nicht also; und warum ein Vergleich auf Schrauben, da das schnurgerade Recht auf der Weiberseite ist! Wir, glaubt man, wären Gottlob! völlig ausgeschaffen; und nun zerbrach der Meister die Form von Thon, und das andere Geschlecht, in der Repräsentantin Eva, war ein Unternehmen auf gutes Glück, auf den Kauf, eher hingeworfen als zu Stande gebracht, angefangen und nicht vollendet —! Das Weib, dem das eigentliche Geschäft bei der Vermenschlichung der göttlichen Schöpfung anvertrauet ward, sollte die Merkzeichen der Ohnmacht und der Dürftigkeit an sich tragen? Die allmächtige Natur sollte ihre Stellvertreterin schwach gelassen haben, um nicht nur schwache Personen ihres eigenen Geschlechtes, sondern auch starke des unsrigen zur Welt zu bringen? Doch scheint