Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Theodor Gottlieb von Hippel
Читать онлайн книгу.Stimme erschallt: Adam wo bist du? die sich indeß, so gut sie können, vor sich selbst zu verstecken suchen — Am fünften Akt scheitern besonders die meisten Frauenzimmer, so wie ein großer Theil der Theaterdichter — Die Liebe, das Glück des Lebens, wird ihr Unglück; ihr Herz war gebildet, die Tugend zu lieben, und nicht das Schicksal, sondern ihre Nachlässigkeit, macht es zur Verbrecherin — Die arbeitende Klasse kennt keine besonderen Weiberkrankheiten. Schwangerschaften und Geburten werden nur durch Nebenumstände, die ihren Grund in Lebensart, Sitten und Kleidung haben, erschwert, und sind so wenig Krankheiten, daß Ärzte sie geradesweges als Heilungsmittel vorschreiben könnten — und zuweilen wirklich vorschreiben. Bei einigen so genannten Wilden hält nicht das Weib, sondern der Mann, die Entbindungsferien. Kaum ist es seiner Bürde entledigt; so badet es sie in dem nächsten Flusse, reicht dem neuen Ankömmling die Brust, ersparet sich das Milchfieber und das Ammenkreuz, und besorgt die Hausgeschäfte nach wie vor, während der Mann, auf seinem Lager hingestreckt, sich pflegen läßt, und von seinen Nachbarn Wochenvisiten und Glückwünsche annimmt, weil er — man denke der Mühe! — durch sein Weib ein Kind geboren hat. Da es Helden giebt, deren die Geschichte mit Lob und Preis gedenkt, weil sie in höchsten Gnaden geruheten, sich Schlachten gewinnen und Siege erkämpfen zu lassen, ohne daß sie sich dem kleinsten Gefecht aussetzten und zum Bette der Ehren die mindeste Neigung fühlten, indem sie, wenn es hoch kam, weit über die Schußweite hinaus sehr behaglich zusahen, wie viele Arme und Beine ein Paar Lorbeerreiser kosteten: — so mag es mit dem Wochenbette dieser Männer so genau nicht genommen werden. Ihr, die ihr der Schwangerschaften und Geburten halben die Weiber für schwächer haltet als Euch; sagt: wie hätte die Natur ihr größtes Werk, die Fortpflanzung des menschlichen Geschlechtes, absichtlich mit solchen Übeln in Verbindung bringen; wie hätte sie den Becher des köstlichsten Nektars mit Wermuth vermischen; wie einer Handlung, über welche sie die besten ihrer Segnungen aussprach, mit so schrecklichem Fluche begleiten und auf unsere Seite lauter Wonne, auf die andere dagegen lauter Trübsal legen sollen! Allerdings sind Schwangerschaften, Entbindungen, Stillung des Säuglings mit einem Aufwande von Kräften verbunden; allein, in dem weiblichen Körper, wenn er unverdorben ist, findet sich Stoff genug, diesen Aufwand nicht nur zu bestreiten, sondern auch dessen Abgang ohne Zeitverlust zu ersetzen. Der Einwand, den man von so vielen Modefrauen ableitet, gilt nicht; denn diese erscheinen bereits so kümmerlich an Lebensstoff und Kräften, daß jede Schwangerschaft ihr luftiges Gebäude bis auf den Grund erschüttert, und jede Geburt es zu zerstören droht — Planreiche Erfinder, die ihr Rechenmaschinen erdachtet, einem Gliedermanne Schach spielen lehrtet, Luftreisen unternahmt, und durch Desorganisation Leute weiter bringt, als wenn sie in gradum doctoris utriusque medicincae promovirt hätten; ihr denen die Geister so zu Gebote stehen, wie dem Hauptmann von Kapernaum seine Knechte: — spannt eure Saiten tiefer, und laßt euch zu einer Kleinigkeit herab; erfindet eine Kunst, vermittelst deren unsere galanten Damen von der Last Kinder zu gebären, befreiet werden können. Laßt Söhne und Töchter wie Äpfel und Birnen wachsen; macht, daß sie wie Kohl verpflanzet werden — Sollten auch durch diese Erfindung in den ersten Jahren (kein Meister fällt vom Himmel) die politischen Volkszähler ein Minus wahrnehmen; so würde doch selbst in diesen Jahren der magern Kühe der Metallwerth des menschlichen Geschlechtes Alles ins Reine bringen, und Summa Summarum wäre um so mehr ein unläugbares Plus, da der Staat, anstatt aus Scheidemünze, aus Gliedern von ächtem Schroot und Korn bestehen würde! — Was gilt ein Persisches Heer nach Parasangen gemessen, gegen einen Macedonischen Phalanx! Doch nein! ziehet eure Schuhe aus, diese Stätte ist heilig. Den rechtmäßigsten, den allerheiligsten in der Vernunft gegründeten Ansprüchen der Menschen auf die Mittheilung der Wahrheit soll hier nicht durch Spott zu nahe getreten werden, der, so wie die üble Nachrede, immer etwas zurückläßt — Nur Menschenliebe nähere sich diesem feurigen Busche! Jene Kraft der Trägheit, die im Körper ihr Wesen oder Unwesen treiben soll, um ihn beständig in seinem gegenwärtigen Zustande zu erhalten, der sich der Ruhe widersetzt, wenn der Körper in Bewegung, und der Bewegung, wenn er in Ruhe ist, hat nicht die Ehre mir zu gefallen. Eine Kraft, die nur widersteht und nicht von selbst zu wirken vermag, ist eine Kraft, mit der sich wenigstens nicht prahlen läßt. Der edelste Staat muß sich zuweilen zum Angriffskriege verstehen, und es giebt Straf- und Wiederzueignungskriege, wodurch wir unser Recht und das was man uns schuldig ist, einfordern, und den zur Verantwortung ziehen, der sich an uns vergriff — Der ist weder klein noch groß, der beides nur in dem Grade ist und äußern kann, als man sich ihm widersetzt — Laßt beide Geschlechter zu ihrer Lauterkeit und Wahrheit heimkehren, und wir werden je länger je mehr finden, daß Mann und Weib auch in diesem Sinn Ein Leib sind — aber auch Eine Seele? Noch hat es den Psychologen nicht gelingen wollen, in dem Gebiete der Geister weit genug vorzudringen, um bestimmen zu können, ob es unter ihnen einen wesentlichen Unterschied gebe; wenigstens gab es keinen Geister-Linné, der sie klassificirte. Rorarius mag es verantworten wenn er bei den Thieren mehr Vernunft findet, als bei Menschen, Helvetius, wenn er die Seelen, denen ein Körper mit einem Huf zu Theil ward, mit denen, die einen Körper mit Händen erhielten, in Eine Klasse setzt, und Beide mögen es mit dem Cartesius ausmachen, daß sie seine Maschinenwelt zerstören. Es giebt auch philosophische und Vernunftketzer; denn der Grund zu allen Behauptungen wird aus der Natur genommen: einer Urkunde, die das mit allen Urkunden gemein hat, daß ein Jeder, was er darin sucht, auch darin findet. Jede Geschichte, jedes Faktum muß sich bequemen, sich nach uns zu richten, und der wahrhafteste Mann trägt zuvor etwas von seinem Selbst in jene Geschichte und jenes Faktum, so, daß Alles was der Mensch berührt, etwas von seinem Ich, von seinem Selbst, erhält. Das beste Wasser hat keinen Geschmack; und so geht es auch den meisten Thatsachen, die wir selten ungewürzt erhalten — und wenn der Würzler auch nur Salz, die kümmerlichste und beste Specerei, darzu thun sollte — Freunde und Feinde nehmen von einander so viel an, daß man unverkennbare Züge der Ähnlichkeit unter ihnen entdeckt. »Feinde?« Allerdings; und ich behaupte, daß sie noch leichter als Freunde sich in einander abdrücken — Ein Freund, der unser Widerhall ist, hat wenig Reitz für uns; allein eben das, wodurch Feinde am meisten hervorragen, was am meisten interessirt und auf ihre Seite tritt, pflegt unsere Nachahmung abzugewinnen: so wie man in den Wald schreiet, so erfolgt die Antwort. Eine ganze Schaar von Variantensammlern und Commentatoren trägt ihren Sinn und Unsinn so lange in jede Urkunde, bis eine Authentica erscheint, und diese mag denn, geliebt es Gott! den Werth und Unwerth des Unterschiedes zwischen den Menschen- und Thierseelen entscheiden, wenn nur wir es nicht wagen, unter den menschlichen Seelen Rangordnungen zu bestimmen, die nicht mehr und nicht weniger Realität haben, als Träume und ihre Deutungen. Giebt es denn etwa auch Geschlechtsunterschiede unter den Seelen? giebt es Seelen, die ausschließlich bestimmt sind, weibliche Körper zu bewohnen —? und wer ist der kühne Argonaut, der dieses unbekannte Meer beschifft hat? womit hat dieser Apostel der unsichtbaren Welt sein Evangelium bestätiget? Wo Satz und Gegensatz einander so nahe sind, daß sie sich die Hände bieten können, da liegt jedem die Pflicht auf, seinen Satz mit aller Stärke zu beweisen und dann dem Publico das Richteramt zu überlassen. Erfahrungen wider Erfahrungen, ehe es noch ausgemacht ist, ob die Seele mit sich selbst Erfahrungen anzustellen vermag. Nur im Spiegel kann die Seele sich wahrnehmen; und wer weiß nicht, daß dieser Spiegel das Bild sehr unvollkommen und oft sehr unrichtig wiedergiebt! — Der Spiegel stellt uns verkehrt dar, und es ist ein unangemessener Ausdruck: der Mensch ist getroffen wie aus dem Spiegel gestohlen — Allerdings können einzelne Erfahrungen wohl dienen, eine subjektive Überzeugung hervorzubringen; eine allgemeine Wahrheit auf diesen Grund zu bauen, reichen nur Erfahrungen hin, die so allgemein sind, wie die Wahrheit, der sie zur Unterlage dienen sollen. Wie lange ist es, daß wir in diesem Fach Erfahrungen anstellen? Welche Methoden schlugen wir ein? Waren diese so wohl gewählt, daß sich nach ihnen richtige Resultate erwarten ließen? Haben wir wirklich bereits einen solchen Vorrath von Erfahrungen, daß wir ein System wagen können, nach welchem für eine ganze Hälfte des menschlichen Geschlechtes eine so nachtheilige Unterscheidungslinie sicher gezogen werden kann? oder dürft' es uns über kurz oder lang nicht mit dieser gehen, wie weiland Sr. Unfehlbarkeit jenseits der Alpen mit der berüchtigten Demarcationslinie? Mit einem System geht es gemeiniglich, wie mit einem Instrument, auf das wir uns verstehen. Haben wir bei dem System, wovon hier die Rede oder die Frage ist, den gewissen Vortheil unwiderlegbar berechnet? oder ist es eins wie viele andere seiner Brüder, bei denen nichts weiter als Sprachverwirrung obwaltet, wie bei dem Thurm zu Babel; dessen Spitze bis in den Himmel reichen wollte? Nimmt man den meisten Systemen