Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Theodor Gottlieb von Hippel

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Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber - Theodor Gottlieb von  Hippel


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schwächlicher angelegt, besitze weniger körperliche Kräfte, und sey mehrern Krankheiten unterworfen. Bedarf es weiteres Zeugnisses, um die Vernunft zu der Schlußfolge zu bequemen: dies wären Geschlechtsunvollkommenheiten, von welchen die Weiber bei der Ordnung der Dinge nicht entbunden werden konnten? Alles ist gut, was nicht anders seyn kann, und im Muß liegt eine Schatzkammer von Beruhigungsgründen, vermittelst deren man bei ein wenig Philosophie das: ich Muß, mit dem: ich Will, so auszusöhnen weiß, daß hier jeder Fluch sich in Segen, und die arge böse Welt sich in die beste verwandelt. Friede mit der Natur und mit dem schönen Geschlechte; und Friede mit uns Allen! Wie aber, wenn es so gut Trugerfahrungen als Trugschlüsse gäbe? wenn der Schein betröge? Die Vernunft fürchtet sich vor den Sinnen; und wenn wir die Operation an uns vollziehen zu lassen völlig entschlossen sind, wenden wir doch in der Stunde der Anfechtung das Auge weg — Vernunft, Herz und Sinne arbeiten sich in die Hand; und nicht nur das Herz des Menschen, sondern auch seine Vernunft und seine Sinne sind trotzig und verzagt: wer kann's ergründen? Bald dünkt der Mensch sich, ein Gott, bald weniger als ein Thier zu seyn — Nackt und bloß kommt er zur Welt, und wenn andere Thiere bewaffnet und bedeckt sind, können Se. Majestät der Mensch sich nicht entbrechen, das königliche Recht an Thieren auszuüben, um sich zu ernähren und zu bekleiden — Diese Finanzregierung wird oft so sehr mit dem Stabe Wehe! geführt, daß die Thiere bei der Natur die bittersten Klagen gegen ihre Allerdurchlauchtigsten Beherrscher führen könnten — und auch ohne Zweifel führen, wenn anders der Apostel Paulus recht beobachtet hat. Denn in der That die Natur hält ein schreckliches heimliches Gericht, das schrecklichste, das gedacht werden kann! Noth lehrt beten, bitten und nehmen; allein sie ist auch eine weise Lehrerin der Mäßigkeit — und wer diese ihre Stimme verkennt, in dem ist nicht die Liebe des Allvaters, dessen Kind Alles ist, was Leben und Athem hat. Nichts mehr als weinen kann der Mensch ohne Lehrmeister, zum Zeichen, daß er bei weitem nicht das höchste Loos zog; — denn da er sich nicht zu berechnen versteht, so ist der Gewinn oft schädlicher als eine Niete. Lieber! dergleichen Klagen sind durch das Machtwort: Vernunft, überwunden. Ohne Schwäche hört der Mensch auf, Mensch zu seyn — und wer es in diesem Erdenleben auf etwas Höheres anlegt, begiebt sich in Gefahr, weniger zu werden und den Zweck des Schöpfers zu verrücken. Kennen wir ein edleres Geschöpf außer ihm, in welchem die Kraft liegt, sich Gott und eine reine Tugend zu denken? — und diesen Vorzug hat auch der Verworfenste nicht aufgegeben — Einen Augenblick, nicht aber immer, kann der Mensch auf das Ebenbild Gottes Verzicht thun — Ist die Vernunft nicht mehr als Alles? und verdient sie diesen Namen, wenn sie nicht Begierden einschränken kann? Kann man nicht das Thier am Menschen fast vergöttlichen und seine Leidenschaften, wie die Meereswoge, bedrohen —? Wo sie ist, da wohnt Menschheit, und bei den Strahlen ihrer Gottheit diese Würde im andern Geschlechte verkennen wollen, heißt: keine Regel übrig lassen, seinen eigenen Werth zu bestimmen. Nicht steinerne Gesetztafeln würde man zerbrechen, sondern am göttlichen Geiste, der in uns ist, sich versündigen — — Kann etwas Sache Gottes seyn, was der Vernunft widerspricht? oder will Gott seine Sache je durch solche Mittel geführt wissen? Durch die Vernunft, den Widerhall seines Mundes, ist Er nicht fern von einem Jeglichen, der mittelst ihrer Ihm ähnlich ward und in Ihm lebet, webet und ist. — — Mein Feldzeichen ist keine nichtswürdige Präconisirung, sondern Wahrheit und Gerechtigkeit. Ist das weibliche Geschlecht in der Regel wirklich kleiner, als das männliche? ist nicht die Größe überhaupt etwas sehr Relatives, welches in Klima, Nahrungsmitteln und andern uns unbekannten Ursachen wesentlichere Bestimmungsgründe findet, als in dem Geschlechtsunterschiede? Jenseits der Wendecirkel und unter der Linie ist die Menschenart weit kleiner, als innerhalb derselben. Über den zwanzigsten und sechzigsten Grad der Breite hinaus würden unsere Werbehäuser ungefähr so viel Glück machen, wie ein Besuch der Boucaniers auf Tierra del Fuego in den Höhlen der Pescherühs. Reisende behaupten, daß Männer und Weiber dort gleichen Strich halten, und daß, wenn ihnen nicht der Unterschied der Kleidung und etwa der Bart aushülfen, die beiden Geschlechter von einander nicht unterschieden werden könnten. Oder sollten diese Klimate hier etwa der Entwickelung des weiblichen Körpers günstiger seyn? Mit nichten; ihr frühes Dahinwelken widerspricht dieser Muthmaßung: schon das dreißigste Jahr bedeckt sie mit Runzeln. Auch in gemäßigtern Himmelsstrichen giebt es Verschiedenheiten in Rücksicht der Größe, und unter ihnen Racen, die sich von den übrigen auszeichnen, so wie die Bewohner der Marschländer in der Regel größer sind, als die Bergbewohner, als ob die Natur diesen Menschen den Berg mit in Anschlag gebracht hätte — und am Ende, was thut die Größe?

      Aber die Schwächlichkeit gegen den nervigen, eckigen, männlichen Körperbau gehalten! Freilich würde sie mehr beweisen; doch fürcht' ich, die Erfahrung sagt auch hier weniger, als wir sie sagen lassen — Ehe wir die Fehde beginnen, ist die Musterung der Heere nothwendig. Verabschieden wir unser elegantes, luftiges Völkchen, läßt das andere Geschlecht seine Damen der höheren Klassen sammt ihren Zofen zu den lieben Ihrigen heimkehren — was gilt die Wette? Selbst wenn unsere eleganten Damen mit unsern eleganten jungen Herren sich in Fehde einließen — auf welcher Seite wäre Hoffnung zu gewinnen? — Bei Völkern, die auf der ersten Stufe der Cultur stehen, ist das Schicksal des weiblichen Geschlechtes hart: bei Jägernationen, denen Hausthiere unbekannt sind, ist das Weib das lastbare Thier, welches den Mann zur Jagd begleitet und das erbeutete Wild nach der Hütte trägt; bei den Hirten- und Ackervölkern ist ihr Schicksal, wo möglich, noch schwerer: sie bauen das Feld, treiben Fabriken und Manufakturarbeiten, indem sie das, was ihnen der Acker und die Heerden zur Nahrung und Bekleidung darbieten, zum Gebrauch bereiten oder veredlen, und auch noch das (freilich sehr einfache) Hauswesen besorgen, während der Ehrenmann sich dem Müßiggange überläßt — Auch unter Nationen, wo die Cultur schon Fortschritte macht, ist, bei der arbeitenden Klasse des Volkes, der Antheil des andern Geschlechtes an den Geschäften gewiß nicht von der Art, daß davon auf eine größere Schwächlichkeit der Weiber geschlossen werden könnte. Die Arbeiten bei Bestellung des Bodens und bei der Erndte — sind sie nicht unter beide Geschlechter so ziemlich gleich vertheilt? Es wird schwer fallen, zu bestimmen, welcher Theil hier mehr übersehen werde. Bei der Musterung aller Gewerbe, die den Kunstfleiß und die Hände der Menschen beschäftigen — ist nicht der Antheil der Weiber mit einem beträchtlicheren Aufwande von Kräften verknüpft? Der Schnitter kehret heim zu seiner Hütte mit frohem Herzen, um nach ermüdender Arbeit der Ruhe zu pflegen, wenn, auch bei der einfachsten ländlichen Haushaltung, noch vielfache Geschäfte für das Weib übrig bleiben, das im Schweiße seines Angesichts die Garben band, wozu nicht minder Anstrengung von Kräften erfordert wird. Jene von Gesundheit strotzende, mit der ächten Sommerfarbe geschminkte Dirne ist eine lebendige Widerlegung dieser mißgünstigen Behauptung, und sie wird es mit Jedem aufnehmen, der es wagen will, die Kräfte ihrer Muskeln in Versuchung zu führen. Weiberkrankheiten sind nur die Geißel der Weiberklasse, die den Ehrennamen Weiber, so wie die in ihrem Kammerdienste sich befindenden Treugehorsamsten den Ehrennamen Männer, nur von wegen des Staats und zur Parade führen. Darf und soll die Natur Übel verantworten, welche Lebensart, Sitten und Conventionen, deren Name Legion ist, über sie gebracht haben? Gefährten unserer Thorheiten, Spießgesellen unserer Üppigkeit gehören nicht auf das Conto der Natur, die den Menschen so einfach schuf, und allenthalben, wo er seine Hütte aufschlug, für Wohnung, Nahrung und Kleidung reichlich und täglich sorgte. Hat sie je gewollt, daß er Gewürze aus Indien ziehen sollte, um sein Blut zu vergiften? oder angreifende Leckerbissen, um seine Nerven zu schwächen? Setzte sie dem Indier Eis, und dem Bewohner der Eiszone Wein vor? gab sie nicht vielmehr einem Jeden das ihm angemessene und beschiedene Theil? Und wie, grundgütige Natur! der ausgeartete Haufe deiner Kinder klaget dich wegen Krankheiten an, wozu er die Anlässe, trotz allen Gefahren und Hindernissen, aus Osten und Süden mit rastloser Begierde zusammen brachte, während das Häuflein deiner genügsamen Kinder, den mütterlichen Vorschriften folgsamer, mitten unter diesen unschlachtigen ausgearteten Menschen vor Dir wandelt und fromm ist, ohne von hysterischen Plagen und dem zahllosen Heere von Krämpfen zu wissen, gegen die weder die Materia medica, noch vielleicht die ganze weite und breite Natur, Mittel im Vermögen hat? Nennt die Natur nicht ungerecht, wenn ihr unnatürliche Wege wandelt! Nur gegen natürliche Krankheiten scheint die Natur Mittel zu besitzen; gegen Übel, welche Folgen unserer unnatürlichen Cultur sind, hat sie weder Kraut noch Pflaster, und ihr einziges Mittel ist nur: thut Buße und glaubet an das Natur-Evangelium! O, daß ihr Buße thätet und glaubtet!


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