Unsere liebe Sisi. Gabriele Praschl-Bichler
Читать онлайн книгу.natürlich nicht allzu lange) zu sprechen war.
Allianztafel Habsburg und Sachsen-Coburg-Saalfeld (Kaiser von Österreich und Könige der Belgier)
Die geringen Kontakte mit der eigenen Familie7 entfremdeten den Kronprinzen immer mehr und ließen ihn Freunde fern seiner Gesellschaftskreise finden. Er bezog sie zum Teil aus (links)liberalen, intellektuellen Kreisen, aber auch aus der wenig feinen Pratergesellschaft: Kutscher, Musikanten und Prostituierte zählten zu seinem nächsten Bekanntenkreis. Kaiser Franz Joseph mag davon nichts oder bestenfalls sehr wenig gewußt haben, da er als Alleinherrscher täglich mit der Politik des damals noch sehr weitläufigen Kaiserreichs beschäftigt war. Familienleben gab es nur an Wochenenden oder an Feiertagen. Zudem beging er den Fehler, seinen einzigen Sohn und mutmaßlichen Nachfolger weder mit Amtsgeschäften zu betreuen, noch ihn in die Politik und in Regierungsgeschäfte einzuweihen. Als ihn der Kronprinz eines Tages darauf ansprach, war der Kaiser darüber verwundert. Doch nach einiger Überlegungszeit kam er zu dem Schluß, daß das falsch gewesen sein mag, und ab da weihte er seinen Sohn in die geheimsten Staatsgeschäfte ein. Der Kronprinz, der endlich den Weg zu seinem Vater gefunden hatte, beging nun einen verheerenden Fehler. Da er sich gerne schriftstellerisch betätigte, nahm er das Angebot eines Freundes, des Journalisten Moriz Szeps, an, in dessen Zeitschrift unter einem Pseudonym Artikel zu veröffentlichen. Konkret schrieb er über jene Themen, die er kurz zuvor mit seinem Vater besprochen hatte. Da Franz Joseph sich aber nur seinem Sohn anvertraut hatte, wußte er natürlich sofort, von wem sie stammten. Der Kaiser war zutiefst enttäuscht, ein unüberbrückbarer Riß in der Beziehung zu seinem Sohn war die Folge. Um ermessen zu können, was der Kronprinz angerichtet hatte, muß man erwähnen, daß eine solche Tat damals einen Verrat am Kaiser darstellte. Und darauf stand die Todesstrafe. Selbstverständlich hatte der Vertrauensbruch keine rechtliche Folge für Rudolph, doch hatte er sich damit jeden Zugang zu seinem Vater versperrt. Der Kronprinz mag seine Tat eingesehen haben, rückgängig machen konnte er sie aber nicht mehr. Das ohnehin angeschlagene Selbstwertgefühl wurde dadurch nicht besser, und auch seine Neigung zu Depressionen verschlimmerte sich. Er suchte Hilfe in Alkohol und Drogen und entzog sich immer mehr der Wirklichkeit. Die Exzesse führten letztendlich zu der verzweifelten Tat, dem Selbstmord im Januar 1889 in Mayerling, an der die Familie letztendlich zerbrach. Denn Kaiserin Elisabeth, die beinahe ständig auf Reisen gewesen war und von der Entwicklung ihres Sohnes nichts mitbekommen hatte, mußte sich nun eingestehen, als seine Mutter völlig versagt zu haben.
Für Elisabeth sollte nun der letzte – ruhe- und zielloseste – Abschnitt ihres Lebens beginnen. Auf der einen Seite trauerte sie wie ihr Ehemann um den verlorenen Sohn, sie wollte dem Kaiser in seinem Schmerz beistehen und ihm psychische Hilfe geben. Auf der anderen Seite wurde sie während ihres Aufenthaltes in Wien immer unruhiger und gereizter, sodaß ihre Familie sie schließlich aufmunterte, sich wieder auf Reisen zu begeben. Ganz nebenbei und für die anderen kaum ersichtlich bahnte sich für die Kaiserin eine weitere »Katastrophe« an. Ihr innig geliebtes jüngstes Kind, Erzherzogin Marie Valerie, hatte sich in einen Habsburger Vetter verliebt und wollte bald heiraten. Und obwohl Elisabeth ihre beiden älteren Kinder früh und ohne Bedenken ihren Ehegesponsen zugeführte hatte, war sie enttäuscht, als sie die nunmehr zweiundzwanzigjährige Tochter »verlassen« wollte. Ein Jahr nach dem Tod Kronprinz Rudolphs heiratete Marie Valerie in Ischl ihren Vetter Erzherzog Franz Salvator. Dieser Ehe sollten neun Kinder entspringen, die vier ältesten wurden noch zur Lebenszeit der Kaiserin geboren. Wenn sie sich nun auch bemühte, diesen Enkeln eine gute Großmutter8 zu werden, so spürten doch alle – und auch sie selbst –, daß Familienleben nicht ihre Sache war. Elisabeth zog also weiter rastlos in der Welt herum. Während eines Aufenthaltes in Genf wurde sie am 10. September 1898 von einem Attentäter auf offener Straße attackiert. Ein Stich ins Herz sollte ihr gehetztes Leben beenden. Sie starb wenig später an den Folgen der Verletzung. Kaiser Franz Joseph war ein gebrochener Mann. Er hatte nicht nur die erste Tochter Sophie und den einzigen Sohn Rudolph verloren, sondern nun auch seine Ehefrau. Wenn er als Herrscher sein Amt noch ein paar Jahre pflichtbewußt weiter versah, so zog er sich doch immer mehr aus dem öffentlichen Leben zurück und lebte nur noch für seine zwei Töchter und die immer größer werdende Enkelschar. Er starb während des Ersten Weltkriegs am 21. November 1916. Da die direkte Linie mit dem Tod seines Sohnes erloschen und sein Neffe, Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand, 1914 ermordet worden war, ging das Herrscheramt an einen Großneffen über: Erzherzog Carl Franz Joseph, Enkel des Kaiserbruders Erzherzog Carl Ludwig, sollte als Karl I. der letzte Kaiser von Österreich werden.
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1 Kaiser Franz Joseph galt nicht nur als einer der vermögendsten Monarchen, er war auch einer der bestaussehenden Fürsten seiner Zeit und einer der begehrtesten Junggesellen Europas.
2 Allerdings gab es auch Ausnahmen von dieser Regel: Wenn eine Familie im männlichen Ast erlosch, durfte die älteste Frau der ältesten Linie die Herrschaft übernehmen. Bestes Beispiel in der österreichischen Geschichte ist Kaiserin Maria Theresia. Sie wurde nach dem Tod ihres Vaters, Kaiser Karl VI., des letzten echten Habsburgers, 1740 Regentin und sorgte auch gleich für genügend männlichen Herrschernachwuchs. Von fünf geborenen Söhnen folgten ihr zwei, als Joseph II. und Leopold II., im Kaiseramt, und einer, Karl Ferdinand, heiratete die Erbtochter des Herzogs von Modena und wurde dort selbst Regent.
3 Vor einigen Jahren habe ich herausgefunden, daß Erzherzog Ludwig Victor auch eine langjährige Liebe mit einer damals sehr berühmten Balletttänzerin verband (Näheres in: Kaiserliche Photographien, S. 76 f.).
4 Maximilian war nach seinem Großvater Wilhelm und seinem Vater Pius der dritte, der den Titel eines »Herzogs in Bayern« trug. Wilhelm war mit dieser Würde von seinem Vetter, dem damaligen Kurfürsten, späteren König Maximilian I. Joseph, ausgezeichnet worden, da er ihn politisch mehrmals wirkungsvoll unterstützt hatte. Ab dem Geburtsjahr Elisabeths war ihr Vater Chef dieser Linie und trug den Titel des Herzogs in Bayern.
5 Herzog Max spielte mehrere Instrumente und war sogar ein recht talentierter Komponist. Ich habe meinem Buch über Kaiserin Elisabeths Lieblingsmusik (»Sisis Melodien«) eine CD mit drei Klangbeispielen, die Amalienpolka und zwei Ländler, beigelegt. Herzog Max liebte Volksmusik, er besaß eine bedeutende Notensammlung alter Weisen und spielte – sicherlich als einer der wenigen seines Standes – die Zither.
6 Wenn es in dieser Epoche auch viele Fürstenfamilien gab, so gehörten die meisten Dynastien – die meisten deutschen Fürsten sowie die Mitglieder der nordeuropäischen Königshäuser – dem protestantischen Glauben an.
7 Wirklich gute Beziehungen hatte Kronprinz Rudolph – außer zu seinem Vater – nur zu dessen zwei überlebenden Brüdern, den Erzherzogen Carl Ludwig und Ludwig Victor, und zu seiner Schwester Gisela. Sie alle lebten aber fern von Wien, weshalb sich die nahen Verwandten auch nicht allzu häufig sahen.
8 Von ihrer Tochter Gisela hatte sie schon vier Enkel. Die älteste Enkelin Elisabeth sollte sie bald nach der Geburt von Marie Valeries erstem Kind bereits zur Urgroßmutter machen.
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