Unsere liebe Sisi. Gabriele Praschl-Bichler
Читать онлайн книгу.schon gar nicht Empfehlungen irgendwelcher Art, die man Erzherzogin Sophie so gerne in den Mund legt. Sie hat sich nie in die Tagespolitik ihres ältesten Sohnes, Kaiser Franz Joseph, gemischt, und sie konnte es auch gar nicht. Wer denkt, sie hätte diesen Einfluß gehabt oder ausgenützt, ist mit den Gegebenheiten der Zeit nicht vertraut. Denn bei den Habsburgern galt dasselbe wie in der Gesellschaft allgemein: Frauen durften in frühen Epochen weder innerhalb der Familie geschweige denn im öffentlichen Leben eine führende Rolle spielen2. So kann die oft zitierte »aktive politische Stellung« Erzherzogin Sophies auch den historischen Irrtümern zugeordnet werden. Sie blieb zwar zeit ihres Lebens der interessierte und liebste Ansprechpartner ihres Sohnes Franz Joseph, nahm aber keinen Einfluß auf seine Amtsgeschäfte. Das hätte der Kaiser auch nie zugelassen, denn er regierte seit der Thronbesteigung als Monarch – also als Alleinherrscher. In einer nach Salischem Gesetz lebenden Familie war die Übernahme politischer Geschäfte durch Frauen auch gar nicht möglich: Solange es männliche Habsburger gab, regierten sie. Und auch als Ratgeber wurden zuallererst Männer und männliche Verwandte herangezogen. Die Rechtlosigkeit der Frau ist in den Briefen gut nachzuvollziehen, denn Erzherzogin Sophie mußte sogar, wenn sie eines ihrer entfernt wohnenden Geschwister oder Kinder besuchen wollte, vorher ihren Mann um Erlaubnis fragen. Wenn man um so Geringes bitten mußte, kann man sich gut vorstellen, wie wenig Einfluß einem da bei höheren Anliegen oder gar in politischen Dingen zustand.
Als Kaiser Franz Joseph und seine Brüder erwachsen wurden, sich verliebten und um die Damen ihres Herzens zu werben begannen, wurde ihnen ihre Mutter Erzherzogin Sophie eine aufmerksame Zuhörerin und Unterstützerin ihrer Anliegen.
Kaiser Franz Joseph war dreiundzwanzig Jahre alt, als er seine Cousine und zukünftige Ehefrau (wieder) traf und sich heillos in sie verliebte. Wie erfreut die Nachricht über seine Verlobung und die Hochzeit von der Familie aufgenommen wurde und wie zwanglos Elisabeth bei den Habsburgern eingeführt wurde, ist bereits angesprochen worden. Ausführliche Beschreibungen, die die herzliche Stimmung wiedergeben, finden sich in etlichen in diesem Band wiedergegeben Briefen (ab S. 77 ff.). Dem Ältesten folgten bald die beiden Brüder Carl Ludwig und Ferdinand Maximilian in den Ehestand. Sie heirateten knapp hintereinander Prinzessin Margarethe von Sachsen und Prinzessin Charlotte von Belgien. Erzherzog Carl Ludwig wurde später wie sein ältester Bruder Kaiser Franz Joseph ein liebender Ehemann und hingebungsvoller Vater. Doch gerade ihm, der seine Frauen und Kinder vergötterte, sollten seine zwei ersten Gemahlinnen sterben. Nach kurzer kinderloser Ehe verlor er die erste, Margarethe, während einer Italienreise. Sie starb, nur knapp über 18 Jahre alt, an einer Infektion. Die Trauer über den Verlust dieser Frau währte lange Zeit. Erst vier Jahre nach ihrem Tod konnte er sich zu einer zweiten Ehe entschließen. 1864 heiratete er Prinzessin Maria Annunziata von Bourbon-Sizilien, die die größte Liebe seines Lebens wurde. Sie schenkte ihm vier Kinder: den späteren Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand, Erzherzog Otto (den Vater Kaiser Karls), Erzherzog Ferdinand und Erzherzogin Margarethe. Maria Annunziata starb, als ihr viertes Kind, die kleine Tochter Margarethe, noch ein Baby war. Um den Kindern bald wieder eine Mutter zu geben, heiratete Carl Ludwig ein drittes Mal. Der Ehe mit der um 22 Jahre jüngeren Prinzessin Maria Theresia von Braganza sollten noch zwei Töchter, Maria Annunziata und Elisabeth, entspringen. Carl Ludwig starb im Jahr 1896, seine Frau sollte ihn um beinahe fünfzig Jahre überleben.
Erzherzog Ferdinand Maximilian war ein völlig anderer Charakter als seine zwei in der Familie aufblühenden Brüder Kaiser Franz Joseph und Erzherzog Carl Ludwig. Obwohl er seine Frau Charlotte liebte und achtete, nahm er es mit der ehelichen Treue nicht so genau. Ihm werden mehrere Verhältnisse nachgesagt, in Folge einer Liebschaft zog er sich schon früh eine Geschlechtskrankheit zu, die ihn zeugungsunfähig machte. Und auch der jüngste Sohn Erzherzogin Sophies, das stets kränkelnde Sorgenkind Erzherzog Ludwig Victor, war anders als seine Brüder veranlagt. Als Teenager war er in jenen Homo-sexuellen-Skandal3 in einer Badeanstalt verwickelt, an den die meisten Menschen denken, wenn sie von ihm hören. Mehr öffentliches Wissen hat sich über ihn nicht erhalten, was sehr schade ist, da dieser Erzherzog der intelligenteste, belesenste und kulturell am meisten Interessierte unter seinen Geschwistern war. Er blieb unverheiratet, ging als Erwachsener aber dennoch in der Familie auf. Er wurde seinen Neffen und Nichten – den Kindern seiner Brüder Franz Joseph und Carl Ludwig – ein liebender und geliebter Onkel (wie in zahlreichen Briefen nachzulesen ist) und hielt lebenslang innigen Kontakt mit ihnen. Als Kinder verbrachten sie viel Zeit bei ihm in Schloß Klesheim, als Erwachsene reisten sie mit ihren Kindern an, mit denen er sich stundenlang beschäftigen konnte. Erzherzog Ludwig Victor starb als letztes seiner Geschwister – 1919, ein Jahr nach Beendigung des Ersten Weltkrieges.
Mit dem Jahr 1854, dem Jahr, als Kaiser Franz Joseph seine Cousine, Prinzessin Elisabeth von Bayern, zur Frau nahm, verschmilzt die Familiengeschichte der Habsburger und Wittelsbacher zum wiederholten Mal. Deshalb ist es nun an der Zeit, die Biographie Kaiserin Elisabeths zu erzählen. Wie ihre Schwiegermutter und Tante Erzherzogin Sophie war sie im Winter in München geboren worden: Sie kam am Weihnachtstag des Jahres 1837 als viertes Kind Herzog Maximilians in Bayern4 und dessen Cousine Prinzessin Ludovika von Bayern zur Welt. Ihre Geschwister Ludwig und Helene waren damals sechs und drei Jahre alt, ein kleiner Bruder Wilhelm war 1833 als Baby gestorben. Innerhalb der nächsten zehn Jahre sollten den drei Ältesten noch sechs Geschwister folgen: Zwei Jahre nach Elisabeth wurde Karl Theodor (»Gackel«), ihr Lieblingsbruder, geboren. 1841 und 1843 kamen die Schwestern Maria und Mathilde zur Welt. Wenig später wurde ein Knabe totgeboren. Die beiden letzten Kinder, Sophie und Maximilian (»Mapperl«), kamen – ohne Zwillinge zu sein – im selben Jahr zur Welt. Sie wurden im Februar und Dezember 1847 geboren. Die Kinder des Herzogspaares wuchsen – von ihrer Mutter und einer von allen geliebten Gouvernante, Gräfin Rottenhan, betreut – fröhlich und in großer geschwisterlicher Liebe miteinander auf. Ihren Vater, der von sich selbst behauptete, einen Flugvogelcharakter zu haben, sahen sie nur selten. Er liebte es, wie später seine Tochter Elisabeth, in der Welt herumzureisen und den verschiedensten Abenteuern nachzuhängen. Den zehn ehelichen Kindern hat er etliche »natürliche« hinzugefügt.
Allianztafel Kinder und Enkel Erzherzog Franz Carls und Erzherzogin Sophies
Wie alle Prinzen und Prinzessinnen wurden Elisabeth und ihre Geschwister ab dem Schulalter von Privatlehrern unterrichtet, die sie bis zum Schulabschluß begleiteten. Was die Gestaltung ihrer Freizeit betraf, hat man den Kindern viel Freiheit gewährt. Am liebsten verbrachten sie ihre Tage in der Sommerresidenz der Familie, in Schloß Possenhofen am Starnberger See, wo sie viel im Freien herumtollten, wanderten, ritten, schwammen, Wagen kutschierten, Tiere hielten und in einer eigenen Zirkusmanege Kunststücke trainierten. Waren auch die meisten von Elisabeths Geschwistern – wie sie selbst – vor allem leidenschaftliche Sportler und heißblütige Reiter, so gab es unter den Geschwistern aber auch künstlerisch Interessierte. Einige der Kinder hatten das musikalische Talent ihres Vaters5 geerbt und wurden begabte Pianisten. Eine Schwester (Sophie) verfügte über eine sehr schöne Stimme und konnte sich beim Singen von Wagner-Opern selbst am Klavier begleiten. Wesentlich berühmter wurden aber die Sportler der Familie. Zu den hervorragendsten Reitern unter ihnen zählten Karl Theodor und Elisabeth. Die Liebe zu Pferden und die Freude an langen und scharfen Ritten sollten später auch die größte gemeinsame Leidenschaft des österreichischen Kaiserpaares werden.
Da Herzogin Ludovika und Erzherzogin Sophie Schwestern waren, besuchten sie sich vor allem in den Sommermonaten häufig mit ihren Kindern, weshalb Franz Joseph seine Cousine Elisabeth von klein auf kannte. Als die Bayern im Jahr 1848 die Habsburger Verwandten in Innsbruck besuchten, war Franz Joseph in Italien. So verliebte sich die damals elfjährige Elisabeth als erstes in dessen jüngeren Bruder Erzherzog Carl Ludwig. Die nächste größere Familienzusammenkunft fand fünf Jahre später, im Sommer des Jahres 1853, statt. Erzherzogin Sophie hatte ihre Schwester Ludovika mit ihren ältesten Kindern nach Ischl geladen, um gemeinsam