Unsere liebe Sisi. Gabriele Praschl-Bichler

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Unsere liebe Sisi - Gabriele  Praschl-Bichler


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wurde diese ganz ergriffen und schaute ihre Mutter mit ihrem innigen Blick so an, so strahlend und bezaubernd und mit ihrem verführerischen Lächeln; und als die Mutter frug, ob sie ihn lieben könnte, sagte sie: ›Wie sollte man d e n Mann nicht lieben können?‹ Dann brach sie in Thränen aus und versicherte, sie würde alles tun, um den Kaiser glücklich zu machen und für mich das zärtlichste Kinde zu sein. ›Aber‹, sagte sie, ›wie kann er nur an mich denken? Ich bin ja so unbedeutend!‹ – Dieses Wort beweist wohl, daß sie es nicht ist. Am nächsten oder übernächsten Tag – ich weiß es nicht mehr, da uns in diesen Tagen so viel Glück in wenigen Stunden zuteil wurde, daß man die Zeit nicht mehr zählen kann – es kam uns allen immer wieder vor, als ob wir schon lange im Besitz dieses Glücks wären, und doch besteht es erst seit vier Tagen … an einem dieser Tage nun, sagte Sisi zu Kadi dieses reizende Wort: ›Ich habe den Kaiser so lieb! Wenn er nur kein Kaiser wäre …!‹ Das ist es, was sie so scheu macht, diese künftige Stellung. Der Kaiser war buchstäblich entzückt, als ich ihm diesen rührenden Ausspruch von seiner Braut erzählte, da er so viel tiefes und anspruchsloses Verständnis für ihn enthält.

      Luise schrieb mir noch am Abend des 18. ein paar rührende Worte, die ich am Morgen des 19. erhielt. Schnell schickte ich sie dem Kaiser, der gleich darauf strahlend vor Freude bei mir erschien. Um 8 Uhr ging er ins Hotel zu Luise, die ihm ihre Freude bezeugte, und dann auf Sisi zueilend, fielen sich die beiden in die Arme, wie mir Luise dann erzählte: und sie war so erfreut darüber! Wir lächelten unter Tränen, Elise und ich, als sie uns das schilderte. Du kannst Dir überhaupt nicht vorstellen, wie viel und wie oft wir jetzt lachen, Elise und ich … Als sie das Hotel verließen, um bei uns zu frühstücken, gab der Kaiser seiner Braut den Arm, und als Kadi und Fischer (der Herr Hofrat, wie ihn die Kleinen respektvoll nennen) dieses sahen, konnten sie nicht mehr zweifeln, daß alles in Ordnung sei, und freuten sich herzlich darüber.

      Du kannst Dir nicht vorstellen, wie reizend Sisi ist, wenn sie weint …! Mein Karl, Charlotte und Bruder Karl kamen zum Dejeuner. Neuerliche Freude, wie ich ihnen das junge Paar vorstellte! Ich ließ Fritzi und Paula (Gefolgsleute) kommen, sie waren ganz verschwollen und rot vom Weinen. Der Kaiser ließ Grünne und seine anderen Flügeladjutanten kommen, um sie seiner Braut vorzustellen … Um 11 Uhr gingen wir alle in die Messe, was der Kaiser besonders gewünscht hatte. Der Pfarrer empfing uns mit dem Weihwasser, die Augen voller Tränen! …« (aus dem Französischen übertragen)

      Zum Vergleich ein paar Briefzitate aus dem Habsburger Privatarchiv. Erzherzogin Sophie hat die Zeilen zur selben Zeit verfaßt wie das oben veröffentlichte Schreiben. Sie waren an ihre Lieblingscousine, Prinzessin Amala von Wasa, und an ihren Sohn Erzherzog Ferdinand Maximilian gerichtet. Der Text ist auch im Original auf Deutsch geschrieben und klingt beinahe noch emotionaler (längere Fassungen finden sich auf den S. 76 ff.): »Seit heute früh 8 Uhr ist unser heiß geliebter Franzi der unaussprechl. strahlend, glückliche Bräutigam der lieblichen Sisi, die gar zu lieb, innig u. glücklich u. gerührt ist u. immer voller heißer Thränen über ihrem lieblichen Gesicht, wenn sie, sich an mich anschmiegend wie ein Kind, mir versichert, wie sie den Kaiser u. mich befriedigen will, oder wenn ich ihr sage, wie sie ihm recht seyn u. ihn beglücken kann. Mein guter Mann, Luise (= Elisabeths Mutter), wie alles, Herren, Damen, sind seligst weinen und heulen, besonders der treue Czernin, dem es heute der Kaiser sagte …« (Ischl, 19.8.1853) Oder: »Die Liebe des Brautpaares steigerte sich in der letzten Stunde der Maaßen, daß Du es gar nicht glauben kannst!! Einmal, während ich im Nebenzimmer mit Luise auf dem Sopha saß, sagte sie plötzlich ›aber jetzt geht’s da drinnen zu‹, da standen beide mit einem langen Kuß beschäftigt u. sich fest umschlingend wie Max Piccolomini u. Thecla; es fehlte nur Wallenstein, um zu sagen: ›scheidet!‹, doch der blieb Gott lob aus, wie der Kaiser dann selbst bemerkte …« (Ischl, 6.9.1853)

      Doch weiter zum historischen Irrtum Nummer Drei: Erzherzogin Sophie hätte Kaiserin Elisabeth beinahe an sich angekettet, während sie gemeinsam mit ihr in Schloß Laxenburg wohnte und sie unter strengster Einhaltung des Hofzeremoniells zur Kaiserin erzogen. – Viele Monate vor der Hochzeit hatte sich die Kaisermutter vorgenommen, »dem jungen Paar nicht auf dem Nacken zu sitzen, fürderhin in Ischl bis Ende Oktober zu bleiben u. dann gerade nach Wien (in die Hofburg) zu ziehen. Auch während dem ersten Theil des Sommers gedenken wir, nach Laxenburg zu ziehen, wenn Franzi u. Sisi in Schönbr: sind, u. umgekehrt in Schönbr: zu seyn, wenn sie in Laxenburg sind … Franzi schien die Idee … die Flitterwochen in Laxenburg zuzubringen … und zwar allein mit Sisi, sehr anzulächeln. Ich muß wirkl. mit Festigkeit und ganz allein den Grundsatz, dem jungen Paar nicht auf dem Nacken zu sitzen, durchführen, denn Franzi meint immer, wir könnten noch überall, wie bisher, stets vereinigt bleiben, was mich tief rührt, aber nicht ausführbar ist …« (Schönbrunn, 10.10.1853) Und genau so, wie Erzherzogin Sophie sich das Vorgehen vorgestellt hat, wurde später der Lebens- und Wohnplan im kaiserlichen Haushalt eingehalten. Gerade in den so oft zitierten Monaten nach der Hochzeit, während der sie die Schwiegertochter vermeintlich mit so viel Strenge behandelte, verreiste sie – wie beinahe jeden Frühling – für mehrere Monate (zuerst hielt sie sich bei ihrem Schwager Kaiser Ferdinand I. in Reichstadt auf, später reiste sie zu ihrer Zwillingsschwester Königin Marie von Sachsen, deren Mann bei einem Unfall tödlich verunglückt war). Den Laxenburger Haushalt hat sie nie mit dem Kaiserpaar geteilt.

      Eines der hartnäckigsten Gerüchte – der historische Irrtum Nummer Vier – besagt, die Kaiserin wäre nach der Geburt ihrer ersten Tochter Sophie zu ihren Eltern nach Bayern »geflohen«, weil sie die Zustände in Wien nicht ertrug. Wahr ist, daß sie für ein paar Tage zu ihrer Mutter reiste, weil Kaiser Franz Joseph einige Zeit unterwegs war und sie es in Wien ohne ihn nicht aushielt. Dennoch blieb sie nicht besonders lange in Bayern, da die Sehnsucht nach ihrer eigenen Familie sie wieder nach Hause trieb: »Von hier kann ich (Erzherzogin Sophie) Dir nicht viel intéressantes melden, außer daß Sisi glücklich am Montag Abend aus Baiern zurück gekehrt, wo sie es nicht über 9 Tage aushielt, fern von ihrer Kleinen, und so weit entfernt vom Kaiser, dessen Briefe so spät nach Possenhofen kamen.« (Schönbrunn, 6.7.1855)

      Bleibt schließlich die Korrektur des historischen Irrtums Nummer Fünf: Erzherzogin Sophie hätte von der Kaiserin geradezu zwanghaft gefordert, als zweites Kind »endlich« einen Thronfolger auf die Welt zu bringen. In Wahrheit hat sie – wie übrigens alle Habsburger – der Ankunft eines jeden Babys mit Freude entgegengefiebert, egal welches Geschlecht es hatte (zu diesem Thema finden sich in diesem Band Dutzende schriftlicher Dokumente). Diese falsche Annahme beruht sonderbarerweise auf einem doppelten Fehler: denn im Unterschied zu Erzherzogin Sophie, die ausschließlich auf ein gesundes Kind hoffte, war sich Kaiserin Elisabeth am Ende ihrer zweiten Schwangerschaft plötzlich sicher, einen Sohn unter dem Herzen zu tragen. »… ich (Erzherzogin Sophie) bat neul. Franzi, als er mir Elisabeths (Ehefrau Erzherzog Carl Ferdinands, die kurz zuvor einen Sohn geboren hatte) Niederkunft sagte, sich auch auf ein Mädchen gefaßt zu machen, u. Sisi, von welcher er mir sagte, daß sie sicher auf einen Sohn rechne, recht darauf vorzubereiten.« (Schönbrunn, 7.6.1856) Es kam auch tatsächlich wieder ein Mädchen zur Welt, das Gisela genannt wurde. Und – wie in Tausenden Briefen ihrer Großmutter zu lesen ist – wurde die Kleine wie schon ihre Schwester Sophie vom Tag ihrer Geburt an wie eine kleine Göttin verehrt. Selbstverständlich erhielten auch der wenig später geborene Thronfolger, Erzherzog Rudolph, und die zuletzt zur Welt gekommene Erzherzogin Marie Valerie dieselbe Aufmerksamkeit und Liebe. Die Kleinen wurden von der Wiege an verzärtelt, verwöhnt und verhätschelt, jedes Brabbeln oder Glucksen von ihnen vermerkt und an alle Verwandten – ob sie es hören wollten oder nicht – weitergemeldet.

      Solange Erzherzogin Sophie lebte, war sie der liebende Mittelpunkt der Familie. Sie hat ihre Liebe mit der ihr eigenen Intensität an Kinder, Schwiegerkinder und Enkel weitergegeben. Eine besonders innige Zuneigung empfand sie zu ihrer Schwiegertochter und Nichte Kaiserin Elisabeth, wie in vielen, vielen Brief zu lesen sein wird. Das ist inbezug auf das bis dato als äußerst schlecht interpretierte Verhältnis zwischen den beiden Frauen sicher die interessanteste Feststellung. Und es scheint beinahe so, als ob der Kaiserin mit dem Tod Erzherzogin Sophies im Jahr 1872 der Ruhepol genommen wurde. Elisabeths Rastlosigkeit und nervöse Reiseleidenschaft entwickelten sich in einem besorgniserregenden Ausmaß und führten schließlich zu der bekannten Katastrophe: dem Attentat


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