Unsere liebe Sisi. Gabriele Praschl-Bichler

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Unsere liebe Sisi - Gabriele  Praschl-Bichler


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bewältigen würden. Denn oft ging es dabei um Leben und Tod. Alle Betroffenen mußten um ihre Kronen kämpfen, bewiesen dabei viel Mut, und alle kamen mit dem Leben davon. Doch nicht nur das, denn alle, selbst die mehr oder minder freiwillig Abgedankten, erhielten von den Staaten, die sie verlassen mußten, großzügigste finanzielle Abfindung. Die Beträge, die ihnen ausbezahlt wurden, waren so hoch, daß die Nachkommen bis heute im prachtvollsten Reichtum leben könnten, hätten nicht ein paar von ihnen den Besitz aus eigenem Verschulden verloren.

      Und selbst unter den Brüdern der beiden Damen gibt es eine bemerkenswerte Parallele: Jeweils ein Bruder Erzherzogin Sophies und ein Bruder Kaiserin Elisabeths heiratete je zweimal unstandesgemäß (Prinz Karl von Bayern, der Lieblingsbruder Sophies, sowie der älteste Bruder Elisabeths, Herzog Ludwig in Bayern) und produzierten damit handfeste Familienskandale. Außerdem zog es auch je einen Wittelsbacher dieser beiden Generationen zu einer Dame vom Theater: König Ludwig I., der älteste Bruder Erzherzogin Sophies, mußte – wohl im Zug der politischen Entwicklungen, letztendlich aber wegen seiner Liebe zur Tänzerin Lola Montez – die Krone zurücklegen. Der gleichnamige älteste Bruder Kaiserin Elisabeths heiratete die Dame vom Theater sogar und verlor dadurch sein Recht auf die Funktion des Familienchefs der herzoglichen Linie.

      Doch wieder zurück zu Erzherzogin Sophie und ihrer Nichte Kaiserin Elisabeth. Denn inbezug auf ihre Lebensgeschichten verbindet die beiden noch viel mehr, als man gemeinhin annehmen könnte. Als sich die zwei bekannten Habsburger, Erzherzog Franz Carl und Kaiser Franz Joseph, im Abstand von zwanzig Jahren in die zwei Wittelsbacher Prinzessinnen verliebten und um sie warben, waren sich weder Sophie noch Elisabeth ihrer Gefühle sicher. Beide fühlten sich zum Heiraten noch nicht bereit. Und sogar der Grund, warum sie noch keine Ehe schließen wollten, war derselbe: Die zwei Prinzessinnen fühlten sich in ihrem familiären Umkreis so wohl und geborgen, daß sie das Nest noch nicht verlassen wollten. Beide hingen innig an ihren Müttern und konnten sich nicht vorstellen, sich von ihnen zu trennen. Eine Übersiedlung von München nach Wien stellte damals eine große räumliche Entfernung dar. Wenn die Distanz heute mit dem Wagen auch längstens in fünf Stunden zu überwinden ist, dauerte die Reise damals zwei Tage. So weit reiste man nicht oft. Da die beiden liebenden Habsburger aber sehr hartnäckig waren, den beiden angebeteten Damen beständig nachreisten und ihr Werben mit glühendem Herzen fortsetzten, nahmen sowohl Sophie als auch Elisabeth eines Tages den Antrag an. Sie heirateten und wurden ihren Ehemännern liebende Ehefrauen und ihren Kindern nicht minder liebende Mütter. Das ist im Zusammenhang mit der Biographie Kaiserin Elisabeths eine außergewöhnliche Neuentdeckung und kann in diesem Band anhand des aufgefundenen Briefmaterials erstmals aufgezeigt werden (bislang nahm man an, daß die Kaiserin von allem Anfang an unter der Ehe litt und auch keinen Zugang zu ihren Kindern fand). Doch noch immer nicht genug der Parallelen. Denn die zwei berühmten Frauen sollten als Mütter zwei tragische – beinahe identische – Schicksalsschläge teilen. Sowohl Erzherzogin Sophie als auch Kaiserin Elisabeth verloren ihre erste Tochter (für Sophie sollte es auch die einzige bleiben) im Kindesalter und einen Sohn im Erwachsenenalter. Beide Männer starben eines unnatürlichen Todes: Erzherzog Ferdinand Maximilian wurde in Mexiko als abgesetzter Kaiser erschossen, Kronprinz Rudolph nahm sich in Mayerling das Leben.

      Das waren in wenigen Worten die auf so eigentümliche Weise gleichlaufenden Ereignisse im Leben der zwei wichtigsten Damen um Kaiser Franz Joseph. Nun folgen die kurzen Einzelbiographien mit genaueren Daten, wobei es aber schwierig ist, sie voneinander zu lösen, da in der Familiengeschichte ständig dieselben Personen auftauchen. Denn, wie früher erwähnt, waren sowohl die beiden Damen als auch ihre Männer nahe miteinander verwandt. Sophie und Elisabeth als auch Franz Carl und Franz Joseph haben ab der jeweiligen Eltern- beziehungsweise ab der Großelternreihe dieselben Vorfahren (s. die Stammtafel Habsburg und Wittelsbach auf der folgenden Seite).

      Prinzessin Sophie von Bayern kam am 27. Januar 1805 in München als zehntes Kind des damaligen Kurfürsten Maximilian von Bayern zur Welt. Sie war die erstgeborene Schwester eines eineiigen Zwillingspaares, kurz nach ihr erblickte ihre Schwester Marie das Licht der Welt. Als die beiden Säuglinge ihren ersten Geburtstag feierten, sollte ihr Vater bayerische Geschichte schreiben: Am 1. Januar 1806 ließ er sich als Maximilian I. Joseph zum ersten König von Bayern proklamieren. Der frischgebackene Regent war damals in zweiter Ehe mit Prinzessin Caroline, einer Tochter Erbprinz Karl Ludwigs von Baden, verheiratet. Unter seinen fünf Kindern aus erster Ehe (sie stammten aus der Verbindung mit Prinzessin Wilhelmine, Tochter des Landgrafen Georg Wilhelms von Hessen-Darmstadt) waren zu dieser Zeit zwei bereits erwachsen: der älteste, damals zwanzigjährige Sohn Ludwig, der seinem Vater als zweiter König von Bayern folgte, und die älteste Tochter Auguste, knappe achtzehn Jahre alt. Prinzessin Auguste wurde – aufgrund der in dieser Epoche üblichen Heiratspolitik – auch bald das erste Opfer der jungen, bayerischen Königsgeschichte. Nur wenige Tage, nachdem ihr Vater die neue Würde übernommen hatte, führte man sie – gegen ihren Willen und gegen ihre Überzeugung – einer sogenannten Vernunftehe zu. Die schon lange angebahnte Heirat sollte die gute Beziehung zwischen Bayern und Frankreich festigen, denn das neugegründete Königtum ruhte auf napoleonischen Pfeilern. Um dieser Stütze einen noch sichereren Untergrund zu geben, verheiratete man Auguste mit Eugène Beauharnais, dem Stiefsohn Napoleons. Um allen Beteiligten das Bündnis schmackhafter zu machen, hatte Napoleon Eugène 1805 noch rasch zum Vizekönig von Italien erhoben. Nach dem Niedergang des Kaisers der Franzosen, der seinen Stief- und Adoptivsohn natürlich auch mitriß, übernahm nun König Maximilian I. Joseph die Versorgung des Schwiegersohnes und seiner Tochter. Er ernannte Eugène zum Herzog von Leuchtenberg und Fürsten von Eichstätt und übergab ihm die gleichnamigen Güter als eigene Standesherrschaften.

      Sophie und ihre Zwillingsschwester Marie werden von den politischen Machenschaften nicht viel mitbekommen haben. Sie genossen es, im Kreis der immer zahlreicher werdenden Geschwisterschar aufzuwachsen. Den vier überlebenden Geschwistern Ludwig, Auguste, Caroline/Charlotte und Karl (ein Mädchen war im Alter von vier Jahren gestorben) aus der ersten Ehe ihres Vaters sollten noch sieben Kinder aus der zweiten Verbindung folgen: Als erstes erblickte 1800 ein Sohn, Maximilian, das Licht der Welt, der allerdings nur drei Jahre alt wurde. Dann folgte im Jahr 1801 noch vor der Geburt Sophies und Maries – das gehört zu den wirklichen Seltenheiten dieser Epoche – ein erstes eineiiges Zwillingspaar, Elisabeth (»Elise«) und Amalie. Schließlich wurde die Damengesellschaft 1808 und 1810 um die Prinzessinnen Ludovika (»Luise«, Mutter der späteren Kaiserin Elisabeth) und Maximiliane (sie starb mit elf Jahren) erweitert. Alle Kinder, egal welcher Verbindung sie entstammten, wurden der Lebensinhalt der zweiten Ehefrau König Maximilians. Von ihr, Königin Caroline, hat die Geschichte das Bild einer über alle Maßen liebenden Mutter entworfen, der man nachsagte, daß sie jeden Zeremonienraum in ein Kinderzimmer verwandelte. Sogar im Thronsaal soll so viel Spielzeug gelegen haben, daß man seinen wahren Charakter nicht erraten hätte. So ist es also nur natürlich, daß die Mädchen das Familienleben in dem liebevollen Umfeld sehr genossen. Trotz der üblichen Prinzenerziehung, die damals in allen europäischen Fürstenhäusern Pflicht war, herrschte in den bayerischen Residenzen hauptsächlich Wärme und Geborgenheit.

      Als die Mädchen erwachsen wurden, stellten sich bald die ersten Werber ein. Denn die vielen Prinzessinnen waren nicht nur begehrte Partien, sondern ließen ob ihrer Liebenswürdigkeit und Natürlichkeit auch die Herzen der Männerwelt höher schlagen. In der Reihenfolge der Hochzeiten unterlagen folgende Könige und Prinzen dem Charme der bayerischen Damen: König Johann I. von Sachsen, König Friedrich Wilhelm IV. (»Dickie«) von Preußen, Erzherzog Franz Carl von Österreich, Herzog Maximilian in Bayern und König Friedrich August II. von Sachsen – und man sollte meinen – auch König Wilhelm I. von Württemberg. Er war der erste Ehemann Prinzessin Charlottes, hatte die Verbindung aber ausschließlich aus politischen Gründen geschlossen. Während der kurzen Zeit der Ehe hat er die bayerische Prinzessin schlecht behandelt, gedemütigt und betrogen.


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