Unsere liebe Sisi. Gabriele Praschl-Bichler

Читать онлайн книгу.

Unsere liebe Sisi - Gabriele  Praschl-Bichler


Скачать книгу
sich zu verheiraten, und aus diesem Grund seine zwei ältesten Cousinen wiedersehen wollte. Da er als Habsburger nicht allzuviel Wahl hatte (die Braut mußte einer regierenden Familien entstammen und katholisch6 erzogen worden sein), wurden als Heiratskandidatinnen auch nächste Verwandte in Betracht gezogen. Das Geburtstagsfest Kaiser Franz Josephs scheint übrigens – auch das ist eine neue Erkenntnis – im Privathaus Erzherzogin Sophies stattgefunden zu haben (und nicht wie man bis dato annahm, in einem Hotel). Als Herzogin Ludovika mit ihren vier ältesten Kindern, Ludwig, Helene, Elisabeth und Karl Theodor, zur ersten Begrüßung im engsten Familienkreis erschien, verliebte sich Kaiser Franz Joseph augenblicklich in die jüngere der zwei Schwestern. Es dauerte nur ein paar Stunden, und er wußte, daß er keine andere Frau als Elisabeth heiraten wollte. Über ihre Mutter Herzogin Ludovika ließ er fragen, ob Elisabeth ihn »gern haben« und sich vorstellen könne, ihn zu heiraten, und erhielt schon bald darauf positive Antwort von ihr.

      Wie locker und fröhlich sich das bald darauf folgende Verlobungsfest in Ischl abspielte, ist in den Briefen auf den S. 77 ff. nachzulesen. Im April des Jahres 1854 fand die Hochzeit des Paares in der Augustiner Kirche in Wien statt, und schon im März des folgenden Jahres wurde das erste Kind, die kleine Erzherzogin Sophie, geboren. Ein Jahr später kam ihre Schwester Gisela zur Welt, und beide Mädchen wurden die erklärten Lieblinge ihrer Großeltern, Erzherzogin Sophie und Erzherzog Franz Carl. Aber auch Franz Joseph und Elisabeth waren ihren Kindern – wie die Habsburger Privatkorrespondenz bezeugt – außerordentlich liebevolle Eltern. Auch das zählt zu den großen Neuigkeiten. Bislang wußte man zwar, daß der Kaiser ein leidenschaftlicher Vater war, man nahm aber an, daß die Kaiserin zu ihren ersten drei Kindern kaum Kontakt hatte. In Wahrheit war auch Elisabeth eine liebende Mutter. Beide Eltern hingen derart an ihren Kindern, daß sie die Kleinen sogar auf längere und offizielle Reisen mitnahmen. Auch das war damals in höheren Gesellschaftskreisen unüblich. Denn man wollte Kinder nicht aus ihrer gewohnten Umgebung reißen und unnötig gesundheitlichen Risiken, die solche Reisen mit sich brachten, aussetzen. Als Kaiser Franz Joseph und seine Frau im Jahr 1857 eine offizielle Reise nach Ungarn unternahmen, um die damals politisch angespannte Situation durch ihre Anwesenheit zu mildern, brachten sie auch ihre beiden kleinen Töchter mit. Binnen kürzester Zeit trat allerdings genau das ein, was man am meisten fürchtete: Die beiden Mädchen erkrankten an einer schweren Infektion. Man bangte zunächst um das Leben Giselas, doch sollte sie sich bald erholen und die Krankheit bei ihrer zweijährigen Schwester Sophie einen schlimmen Verlauf nehmen. Franz Joseph und Elisabeth, die sich sehr um die Kleine sorgten, mußten der Politik nachgeben und eine mehrtägige Reise antreten – sie kamen gerade noch recht, als die geliebte erste Tochter starb (s. dazu die rührenden Briefdokumente auf den S. 140 ff., in denen erstmals die Ereignisse des Sterbetages wiedergegeben werden). Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth waren unendlich getroffen, und es dauerte lange, bis sie den Schock über den Tod Sophies verwinden konnten. Erst Ende des Jahres wurde sie von ihrer großen Trauer abgelenkt, als sie bemerkte, daß sie wieder schwanger war. Die Familie war selig, bald wieder neues Leben in ihrem kleinen Kreis aufnehmen zu können. Als im August 1858 der Thronfolger Kronprinz Rudolph geboren wurde, war die Freude doppelt groß: Dem Land wurde der ersehnte Erbe geschenkt, und die Familie hatte endlich wieder ein Baby, das sie auf fröhlichere Gedanken brachte.

      Unabhängig von den kleinen Freuden, die man mit den Kindern erlebte, drohten an allen Ecken und Enden der Monarchie Revolutionen und Kriege. So strebten die Italiener seit Jahren danach, die von den Habsburgern und Bourbonen regierten Fürstentümer Toskana, Modena, Parma und Sizilien gemeinsam mit den anderen italienischen Ländern zu einem einzigen Königreich zu vereinigen. Im Krieg gegen Italien verlor Kaiser Franz Joseph 1858 die Habsburger Besitzungen, worüber in der Monarchie und in der Familie große Trauer herrschte. Und auch in Ungarn brodelte es weiter. Das Land forderte eine eigene, von Österreich unabhängige Regierung. Da Kaiserin Elisabeth gerade zu den Ungarn eine besondere Liebe gefaßt hatte, setzte sie sich dieses eine einzige Mal politisch ein und versuchte zwischen beiden Ländern zu vermitteln. Weil sie dieses Ziel so hartnäckig verfolgte, wie sie noch nie in ihrem Leben etwas vorangetrieben hatte, gelang es ihr tatsächlich, die Krise auf diplomatischer Ebene zu lösen. Es kam zu einer Verständigung zwischen den beiden Nationen, die 1867 mit dem Ausgleich mit Ungarn endete. Als kleines Extra wurde das österreichische Kaiserpaar mit der Königswürde von Ungarn belohnt und erhielt Schloß Gödöllö zum Geschenk. Es scheint beinahe, als hätte Kaiserin Elisabeth sich bei ihrem Ehemann für den von ihr gesteuerten glücklichen Ausgang der politischen Affäre bedanken wollen, als sie ihm zehn Jahre nach der Geburt des letzten Kindes noch eine Tochter schenkte: die kleine Erzherzogin Marie Valerie. Das Mädchen sollte in seinen ersten Lebensjahren gemeinsam mit seiner Mutter viel Zeit auf Reisen und vor allem viel Zeit in Ungarn zubringen und – um die Ungarn zu belohnen – betont ungarisch erzogen werden. Ab dem Moment, als Marie Valerie regelmäßigen Schulunterricht erhielt, wurde auf Wunsch des Kaisers Wien ihr Lebensmittelpunkt. Und die kleine »Ungarin« sollte noch als Kind und aus eigenem Antrieb zu einer besonders eifrigen Deutsch-Österreicherin geraten.

      Marie Valerie war gerade einmal fünf Jahre alt, als ihre ältere Schwester Gisela heiratete. Die junge Braut war sechzehn Jahre alt, als ihre Mutter die Verbindung zu einem weiteren Wittelsbacher Verwandten anbahnte, dem Gisela schon wenig später als Ehefrau übergeben wurde (warum Kaiserin Elisabeth diese Heirat so eifrig vorantrieb, ist schwer verständlich, da sie später oftmals klagte, wie peinigend für sie der Umstand der frühen Heirat gewesen war). Wie auch immer, Gisela heiratete im April 1873 den um zehn Jahre älteren Prinzen Leopold von Bayern, einen Vetter zweiten Grades. Er war ein Enkel König Ludwigs I. von Bayern, der wiederum ein Bruder von Erzherzogin Sophie und Herzogin Ludovika war. Es war die soundsovielte Ehe unter nächsten Verwandten, deren Grade und Verhältnisse gar nicht mehr nachzuvollziehen sind. Sie geriet so gut oder so schlecht wie viele aus ähnlichen Gründen geschlossenen Verbindungen. Auf jeden Fall sollte sie nicht zu den glücklichsten Bündnissen zählen, die je zwischen Habsburgern und Wittelsbachern zustande gekommen waren. Nichtsdestotrotz bekam das Paar vier Kinder – Elisabeth, Auguste, Konrad und Georg –, von denen später zwei abermals die so beliebten Ehen mit Habsburger Verwandten eingehen sollten (s. Stammtafel Habsburg und Wittelsbach S. 40).

      Die Hochzeit und der folgende Umzug Giselas von Wien nach München sollte ein Mitglied der österreichischen Kaiserfamilie besonders hart treffen: ihren einzigen Bruder Kronprinz Rudolph, der seit frühesten Kindertagen ein besonders inniges Verhältnis zu seiner um zwei Jahre älteren Schwester hatte. Als sie Wien verließ, fühlte er sich unendlich alleine. Da ein Jahr vor Giselas Hochzeit auch die außerordentlich geliebte Großmutter Erzherzogin Sophie gestorben war, litt der fünfzehnjährige Kronprinz unsäglich unter dem doppelten Verlust. Obwohl Rudolph ein gutes Verhältnis zu seinem Vater hatte, konnte der Kaiser – mangels Zeit – diesen schweren Schlag auch nicht durch noch so große Liebe ausgleichen. Und Kaiserin Elisabeth war damals mit vielen anderen Dingen beschäftigt. In Wien hielt sie sich am wenigsten auf, meist war sie mit ihrer kleinen Tochter Marie Valerie, die sie die »Einzige« nannte, in Ungarn unterwegs oder auf Reisen. Der sensible Rudolph war also hauptsächlich seinen Erziehern überlassen. Wenn der vielseitig begabte Prinz auch sehr in seinen Studien aufging und Kaiser Franz Joseph sich bemühte, ihm ein aufmerksamer Vater zu sein, so scheint er spätestens seit damals unter Depressionen gelitten zu haben.

      Als Rudolph erwachsen wurde, begann er – mehr aus Pflichtgefühl, denn aus innerer Überzeugung – eine Frau zu suchen. In seinem Inneren mag er sicher gehofft haben, mit der Gründung einer eigenen Familie Einsamkeit und Melancholie aus seinem Leben zu verbannen. Wie sein Onkel, Kaiser Maximilian von Mexiko, fand er seine Braut in der belgischen Königsfamilie. 1881 heiratete er Prinzessin Stephanie, eine der drei Töchter König Leopolds II. Die Verbindung mit der adelsstolzen und zur Zeit ihrer Eheschließung wenig attraktiven Siebzehnjährigen sollte das Verhältnis zwischen Rudolph und seiner Mutter noch verschlechtern. In heimlich verfaßten Gedichten fand Kaiserin Elisabeth für die Schwiegertochter nur wenig schmeichelhafte Worte. Sie nannte sie »eine Kröte, gelb und dick« oder »ein mächtig Trampeltier«. Wenn ihr Sohn von diesen Beleidigungen auch nichts wußte, so ahnte er wohl, wie wenig seine Mutter seine Ehefrau schätzte. Rudolph und Stephanie mußten, wenn sie Kaiserin Elisabeth anläßlich eines ihrer seltenen Wienaufenthalte besuchen wollten, um einen offiziellen Audienztermin


Скачать книгу