Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke
Читать онлайн книгу.Leben in einem Moment ein Ende. Es war das Schicksal Cäsars, aber ohne die Großheit der Formen, welche die Geschichte des Altertums selbst noch in den Verbrechen zeigt.
Die Königin203 war gekrönt, die Abreise des Königs zur Armee definitiv auf Dienstag den 18. Mai festgesetzt; Freitag den 14. fuhr er noch einmal durch die Straßen von Paris. Indem der Wagen in einer engen Gasse durch ein paar Karren aufgehalten ward, stieg ein Mensch auf eins der Räder derselben, beugte sich über und stieß seinen Mordstahl ins Herz des Königs. Es war ein wilder Mensch ohne Erziehung, namens Ravaillac, der früher in Diensten Birons204 gestanden, seitdem mit fanatischen Priestern Umgang gehabt hatte und von ihnen schon vorlängst zur Ermordung des Königs bestimmt worden war. Von ihm selbst haben auch die heftigsten Martern niemals das Geständnis einer Verbindung oder einer Mitschuld herauspressen können, niemals hat er einen Namen genannt; er hat nur immer von Predigten und von Büchern geredet, durch die er zu seiner Tat geleitet worden sei; als zwei der vornehmsten Motive hat er angegeben erstens, daß der König die Hugenotten nicht zum katholischen Glauben zurückbringe, zweitens, daß er gegen den Papst Krieg führen wolle, das ist gegen Gott selbst.
Ravaillac gehört in seiner ganzen Gesinnung zu der Klasse der Chastel und Clement.205 Noch war Heinrich nicht in allen Teilen Frankreichs so weit anerkannt, daß man in der Messe für ihn gebetet hätte; noch feierte man hie und da die St. Barthelemy; es war der in der Ligue besiegte, aber noch nicht unterdrückte, unaufhörlich in der Tiefe gärende und eben durch ein bevorstehendes großes Ereignis in Aufregung gesetzte Fanatismus, durch welchen Heinrich IV. umkam, wie früher Heinrich III. Doch war der Unterschied, daß Clement von der Menge als ein Heiliger verehrt worden war; Ravaillac wäre von dem Volke auf der Stelle in tausend Stücke zerrissen worden, hätte ihn nicht die öffentliche Gewalt zunächst in Schutz genommen, um ihn für eine Untersuchung, die freilich zu nichts weiter führte, und für die ausgesuchten Martern, mit denen er bald darauf hingerichtet wurde, aufzubehalten.
Damals ging eine Meinung durch die Welt, daß die Mordtat durch den Einfluß von Spanien unter Konnivenz des einen oder andern französischen Großen vollzogen morden sei. Man erzählte, ein aus den Niederlanden eingegangener, schon vom 13. Mai datierter Brief habe von der Ermordung des Königs als einem vollbrachten Ereignis geredet, die Prinzessin von Condé habe den König unmittelbar vorher vor den Anschlägen eines spanischen Agenten gewarnt; hie und da ist die spanische Regierung mit Bestimmtheit, wiewohl ohne allen weiteren Beweis, der Tat beschuldigt worden. In Frankreich hatte man eine Spur, wollte aber davon nicht reden. Eine Nonne in einem Kloster der Normandie sollte an dem Tage der Mordtat, ja in der Stunde derselben, sie durch einen Ausruf angekündigt haben; man sprach mit ihr darüber; sie sagte, sie habe die Vögel in der Luft davon reden hören.
Papst Paul V. sah darin gleichsam eine göttliche Züchtigung, denn der König habe sich durch Liebe verblenden und durch den Ehrgeiz des Herzogs von Savoyen verführen lassen, die Ruhe Italiens stören zu wollen; er hatte sich, rief er aus, einem verkehrten Sinn hingegeben, der Herr der Heerscharen hat es getan! Das Gefühl der Spanier drückte sich in den Worten des Kardinals von Toledo im versammelten Staatsrat aus: Wenn Gott für uns ist, wer ist wider uns?
Heinrich IV. Jugend, Französische Geschichte 1, 343-347. Die Bartholomäusnacht 1, 228-239. Die Schlacht bei Ivry 1, 362.
22. Fortsetzung der Gegenreformation in Deutschland
Päpste II, Werke Bd. 38 S. 262-274
Jeder deutsche Fürst hielt es damals für sein gutes Recht, in seinen Landschaften die Religion nach seinen persönlichen Grundsätzen einzurichten. Ohne viel Zutun der Reichsgewalt, ohne besonderes Aufsehen wogte dann die angefangene Bewegung weiter; besonders hielten es die geistlichen Fürsten für ihre Pflicht, ihre Gebiete zum Katholizismus zurückzuführen. Schon erschienen die Schüler der Jesuiten unter ihnen. Johann Adam von Bicken, Kurfürst von Mainz 1601-1604, war ein Zögling des Collegium Germanicum in Rom. Im Schlosse von Königstein hörte er einst die Gesänge, mit denen die dortige lutherische Gemeinde ihren verstorbenen Pfarrer bestattete. »Mag sie denn«, rief er aus, »ihre Synagoge206 ehrlich zu Grabe bringen.« Den nächsten Sonntag bestieg ein Jesuit die Kanzel; einen lutherischen Prediger hat es daselbst niemals wieder gegeben. So ging es auch anderwärts. Was Bicken unvollendet gelassen, setzte sein Nachfolger, Johann Schweikhard, eifrig fort. Er war ein Mann, der die Freuden der Tafel liebte, der aber dabei selbst regierte und ein ungemeines Talent zeigte. Es gelang ihm, die Gegenreformation in seinem ganzen Stifte, selbst auf dem Eichsfelde, zu vollenden. Er sendete eine Kommission nach Heiligenstadt, welche binnen zwei Jahren zweihundert Bürger, unter ihnen viele, die im protestantischen Glauben ergraut waren, zum Katholizismus zurückbrachte. Es waren noch einige wenige übrig; er ermahnte sie persönlich, »als ihr Vater und Hirt«, wie er sagte, »aus tiefem, getreuem Herzen«, und brachte sie zum Übertritt. Mit außerordentlichem Vergnügen sah er eine Stadt wieder katholisch, die vor vierzig Jahren völlig protestantisch gewesen war.
So verfuhren nun auch Ernst und Ferdinand von Köln, beides bayrische Prinzen, und der Kurfürst von Trier, Lothar aus dem Hause Metternich, ein ausgezeichneter Fürst, von scharfem Verstand, mit dem Talent, die Schwierigkeiten die sich ihm darboten zu überwinden, prompt in seiner Justiz, wachsam um den Vorteil sowohl seines Landes als seiner Familie zu befördern, auch übrigens leutselig und nicht allzu strenge, nur mußte es nicht die Religion anbetreffen; Protestanten duldete er nicht an seinem Hofe. So großen Namen gesellte sich Neithard von Thüngen, Bischof von Bamberg, zu. Als er von seiner Hauptstadt Besitz nahm, fand er den ganzen Rat bis auf zwei Mitglieder protestantisch. Er hatte schon in Würzburg dem Bischof Julius beigestanden; er entschloß sich, die Maßregeln desselben nunmehr auf Bamberg anzuwenden. Bereits für Weihnachten 1595 erließ er sein Reformationsedikt; es lautet auf Abendmahl nach katholischem Ritus oder Auswanderung, und obwohl Domkapitel, Adel und Landschaft ihm widersprachen, von den Nachbarn die dringendsten Vorstellungen ergingen, so finden wir doch alle die folgenden Jahre hindurch die Reformationsbefehle erneuert und im ganzen ausgeführt. Mit dem Bamberger wetteiferte in Niederdeutschland Theodor von Fürstenberg zu Paderborn. Im Jahre 1596 setzte er alle Priester seiner Diözese gefangen, die das Abendmahl unter beiderlei Gestalt austeilten. Natürlich geriet er hierüber mit seinem Adel in Entzweiung, und wir finden Bischof und Adel sich wechselseitig ihre Herden, ihre Stutereien wegtreiben. Auch mit der Stadt geriet er endlich in offene Fehde. Unglücklicherweise erhob sich hier ein ungestümer Volksführer, der doch der großen Stellung nicht gewachsen war, deren er sich bemächtigt hatte; 1604 ward Paderborn zu neuer Huldigung gezwungen. Hierauf ward das Jesuitenkollegium aufs prächtigste ausgestattet; in kurzem erging auch hier ein Edikt, das nur zwischen Messe und Auswanderung die Wahl ließ. Wie so ganz katholisch wurden allmählich Bamberg und Paderborn!
Höchst merkwürdig bleibt allemal die rasche und dabei doch so nachhaltige Verwandlung, welche in allen diesen Ländern hervorgebracht ward. Soll man annehmen, daß der Protestantismus in der Menge noch nicht recht Wurzel gefaßt hatte, oder soll man es der Methode der Jesuiten zuschreiben? Wenigstens ließen sie es an Eifer und Klugheit nicht fehlen. Von allen Punkten, wo sie sich festgesetzt, ziehen sie in weiten Kreisen umher. Sie wissen die Menge zu fesseln, ihre Kirchen sind die besuchtesten; sie gehen immer auf die vornehmste Schwierigkeit los. Ist irgendwo ein bibelfester Lutheraner, auf dessen Urteil die Nachbarn etwas geben, so wenden sie alles an, um ihn zu gewinnen, was ihnen auch bei ihrer Übung in der Kontroverse selten fehlschlägt. Sie zeigen sich hilfreich, sie heilen Kranke, sie suchen Feindschaften zu versöhnen; durch heilige Eide verpflichten sie alsdann die Überwundenen, die Bekehrten. Nach allen Wallfahrtsorten sieht man die Gläubigen unter ihren Fahnen heranziehen; Menschen, die eben noch eifrige Protestanten gewesen, schließen sich jetzt den Prozessionen an.
Und nicht allein geistliche, sondern