Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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war, seine Überlegenheit an und huldigte ihr, gleich als könnte es nicht anders sein. Auch Jeannin, der bis zu Ende bei Mayenne ausgehalten hatte und dann von Heinrich IV. herangezogen ward, gehörte zu dieser Schule; der König war überzeugt, er werde ihm ebenso getreue Dienste leisten wie jenem früher. Neben ihnen hatte Sully200 oft einen schweren Stand. Je nachdem die Geschäfte waren, übertrug sie der König bald dem einen, bald dem andern. Veränderungen vermied er aus Grundsatz, denn das monarchische Regiment verlange eine Stetigkeit, die durch keinen Wechsel in den Personen unterbrochen werden dürfe.

      Heinrich IV. pflegte, wie andre Kriegsleute, gern davon zu sprechen, daß er, da er unter den Waffen aufgewachsen sei, von bürgerlichen und diplomatischen Geschäften wenig verstehe. Aber Papst Clemens VIII. warnte seine Nuntien, das zu glauben; er verstehe davon mehr, als er zu verstehen scheinen wolle. Guten Rat zu vernehmen liebte er. Er konsultierte zuweilen Männer, die ihm ferne standen, zu welcher Partei sie auch gehören mochten, wenn er nur ihrer Einsicht sicher war; er gab seine Aufträge mit einer Vertraulichkeit, welche die Herzen gewann, und befand sich wohl dabei. Denn vor den Gesichtspunkten der höchsten Gewalt pflegen bei denen, welche an den Beratungen teilnehmen dürfen, die schroffen Parteiansichten und selbst die persönlichen Interessen zurückzutreten. Ihm blieb dann doch die letzte Entscheidung; er zeigte auch darin den scharfen Blick, der ihn im Kriege ausgezeichnet hatte.

      Und war nicht seine ganze Verwaltung eine Art von Krieg? Von allen Seiten war er mit Feindseligkeiten umgeben. Er erkannte von ferne, was er zu fürchten und zu hoffen hatte; ehe jemand noch ausgeredet, hatte er dessen Sinn gefaßt; seine Vertraulichkeiten schlossen einen allzeit regen Argwohn nicht aus. Man mußte ihm mit freimütiger Wahrhaftigkeit begegnen, wenn man bei ihm fortkommen wollte. Für seinen Dienst sah er nicht auf vornehme Herkunft, wie das an den Höfen gewöhnlich ist, noch auf Schönheit und gutes Aussehen, wie seine Zeitgenossen Heinrich III. und Jakob I., auch nicht auf die vorwaltenden religiösen oder politischen Meinungen, nicht einmal eigentlich auf Geist, sondern nur auf Ergebenheit und Brauchbarkeit; er hat einen Mann angestellt, weil er ihn ein seinem Lebenskreise entsprechendes Haus bauen sah.

      Er liebte wenige, er haßte niemand und spottete über alle. Er zahlte Geld, um die Menschen an sich zu fesseln, und machte sich dann über ihre Wohlfeilheit lustig. Seine angeborene Spottsucht hatte ihm schon in der Jugend viele Feindschaften erweckt; durch eine ihm von Natur ebenfalls ganz eigene Herzensgüte wußte er damals die Verletzten wiederzugewinnen. Etwas andres war es, als sich jetzt in ihm eine persönliche Mißachtung mit der Macht, sie fühlen zu lassen, vereinigte. Und das einmal gesprochene Wort hat Flügel. Auch die auswärtigen Verhältnisse sind durch das beißende Verurteilen empfindlicher Nachbarn oft unangenehm berührt worden.

      Heinrich war mit den einfachsten Neigungen geboren. Er zog Sackpfeife und Schalmei kunstmäßiger Musik vor; er liebte sich zu dem gemeinen Volk zu gesellen. Wie er einst auf den Feldzügen, mitten unter den gemeinen Soldaten sitzend, ihr Schwarzbrot mit ihnen geteilt hatte, so mischte er sich jetzt auf den Fähren über die Flüsse, in den Schenken, in die ihn seine Jagden führten, so lange als möglich unerkannt unter die Leute und ließ sich mit ihnen in Gespräche ein, wo er dann zuweilen Dinge hat hören müssen, die er lieber nicht gehört hätte. Auch auf den Messen und Märkten erschien er und kaufte selber ein; er bot immer die geringsten Preise, die Hälfte, ein Drittel der Forderung; man bemerkte, daß der, wer an den König verkaufe, darum keinen Vorteil mache. Die Leidenschaft der letzten mediceischen Valois, durch Freigebigkeit zu glänzen, hatte er nicht, eher das Gegenteil; er wußte, daß man ihm Geiz vorwarf, und lachte darüber.

      Aber auch der Hof und seine Genüsse zogen ihn an. Aus den Memoiren von Bassompierre kann man sehen, wie der König und seine Umgebung ihres Lebens zu genießen suchten, worein sie das gute Leben, die gute Gesellschaft setzten, wie man Tage und Nächte dem Vergnügen widmete. Heinrich zog eine wohlbesetzte Tafel dem Schwarzbrot vor so gut wie andre; seine Enthaltsamkeit und regelmäßige Lebensweise konnte man nicht rühmen; auf angestrengte Leibesübung bei der Jagd ließ er Vergnügen und Spiel folgen. Er grollte seinem Finanzminister, wenn dieser Anstand nahm, seine Spielschulden zu zahlen; alle die Zeit seines Lebens, sagte er, habe er so viele Widerwärtigkeiten ausstehen müssen, daß ihm auch wohl ein paar heitere Stunden zu gönnen seien. Sully brachte ihm in Erinnerung, daß er ja die Eigenmacht der Großen im Zaum zu halten, den Stolz der Spanier zu demütigen sich zum Ziel seiner Tätigkeit gesetzt habe; wolle er ein großer König sein, so müsse er von allen Verschleuderungen abstehen. Heinrich antwortete: wenn er da nur nicht den gegenwärtigen und gewissen Genuß um ein sehr Ungewisses Gut aufgäbe! Trotz dieser Betrachtung gab er den Ermahnungen des unbeugsamen Freundes Gehör. So hatte ihm einst Du Plessis gesagt, er würde ganz in Ausschweifungen verfallen, wenn der Krieg nicht wäre, der ihn an sich selbst erinnere. Heinrich rühmte sich einst gegen einen Mann, der seine Geschichte schreiben wollte: auf durchschwärmte Nächte habe er heiße Tage des Kampfes folgen lassen, jene auf diese, denn den Bogen dürfe man nicht allezeit gespannt halten.

      Von dem Spiel mit seinen Kindern stand er auf, um sich eine Vorstellung in den schwierigsten Angelegenheiten vortragen zu lassen, denn er wisse ein Tor zu sein mit den Spielenden und ein weiser Mann unter weisen Männern. Vor dem König von Frankreich durfte sich niemand bedecken, was doch selbst der stolze König von Spanien gestattete; Heinrich IV. wußte eine Majestät zu zeigen, daß der Mächtigste vor ihm zitterte; gleich darauf stellte er sich dem Geringsten seiner Untertanen gleich.

      Mochte er manche Eigenschaften mit andern teilen, zu dem Manne, der er war, machte ihn das Bewußtsein seiner Stellung und seines Berufes, das ihm keinen Augenblick aus den Augen verschwand. Die Vergnügungen und Beschäftigungen des Tages verdunkelten ihm nie das Gefühl seiner Bestimmung, die sich in großen Zügen vor seinem Geist ausbreitete. Seinen Scharfsinn, seine Wachsamkeit und Gewandtheit, seine ganze Tatkraft warf er in die Durchführung des monarchischen Gedankens.

      Ein gräßliches Geschick, aufsteigend aus den dunkeln Gewalten, wartete seiner. Indem er leicht und kühn, nicht ohne einen Anflug von persönlicher Leidenschaft, aber doch bei weitem mehr in Anschauung der allgemeinen Verhältnisse und ihrer Notwendigkeit an eine Unternehmung ging, in welcher er seinen welthistorischen


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