Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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er erschien als das, was er war, eine große, auf die Unterwerfung Englands berechnete Invasion einer fremden Macht. Auch die katholischen Lords erschienen, unter andern Viscount Mountague, der einst im Oberhause allein dem Supremat widerstrebte und sich auch seitdem der religiösen Haltung der Königin nicht beigesellt hatte, mit seinen Söhnen und Enkeln; er sagte, seine Königin wolle er mit seinem Leben verteidigen, wer auch immer sie angreife, König oder Papst. Kein Zweifel, daß diese Rüstungen noch viel zu wünschen übrig ließen, aber sie wurden von nationalem und religiösem Enthusiasmus belebt. Einige Tage später begab sich die Königin in das Lager zu Tilbury; mit geringem Geleit ritt sie von einem Bataillon zum anderen. Ein Tyrann, sagte sie, möge sich vor seinen Untertanen fürchten, sie habe ihre vornehmste Stärke allezeit in dem guten Willen derselben gesucht; mit ihnen wolle sie leben und sterben. Sie ward überall mit Freudengeschrei empfangen; dann wurden Psalmen angestimmt; die Königin gesellte sich dem Gebete bei. Denn was auch der Glaube der Menschen sein mag, in großen Kämpfen und Gefahren wenden sie ihre Blicke unwillkürlich auf die ewige Gewalt, welche das Schicksal lenkt, und von der sich alle gleich abhängig fühlen. Die beiden Nationen, die beiden Oberhäupter riefen die Entscheidung Gottes in ihrem religiös-politischen Streite an. Die Geschicke der Menschheit lagen auf der Wagschale.

      Am 31. Juli, eines Sonntags, langte die Armada, in weiter Ausdehnung die See bedeckend, auf der Höhe von Plymouth im Angesicht der englischen Küste an. Man hielt auf der Flotte selbst für das angemessenste, unmittelbar dort eine Landung zu versuchen, denn da sei zur Abwehr keine Vorkehrung getroffen und das englische Geschwader nicht mit Kriegsmannschaften versehen. Das lag aber außerhalb des Planes und hätte, besonders wenn es mißlang, zur Verantwortung führen können. Nur dann war der Herzog von Medina Sidonia ermächtigt und bereit eine Seeschlacht anzunehmen, wenn die Engländer sie anbieten würden. Seine nach dem Vorgang der Venetianer verbesserten Galeeren und besonders seine Galeonen, ungeheure Segelschiffe, die auf ihren verschiedenen Decken nach allen Seiten hin Geschütze führten, waren den Fahrzeugen der Engländer ohne Zweifel überlegen. Als diese aus dem Hafen hervorkamen, etwa 60 Segel stark, ließ er die große Standarte von dem Fockmast des Admiralschiffes fliegen, zum Zeichen daß sich ein jeder zum Kampf bereiten solle. Aber der englische Admiral hegte nicht die Absicht, es zu einer eigentlichen Schlacht kommen zu lassen; er kannte vollkommen die Überlegenheit der spanischen Ausrüstung und hat sogar verboten, die feindlichen Fahrzeuge zu entern. Sein Sinn ging nur dahin, der Armada die Windseite abzugewinnen und sie in ihrem Laufe zu stören, in Unordnung zu bringen. In vier Geschwadern folgten die Engländer dem Zuge der Armada nach und ließen keinen Vorteil, der sich ihnen darbieten mochte, unbenutzt. Sie waren dieser See vollkommen mächtig und lenkten ihre beweglichen Fahrzeuge mit voller Sicherheit und Meisterschaft; die Spanier bemerkten mit Mißvergnügen, daß es in ihrem Belieben gestanden habe, vorzudringen, anzugreifen, den Kampf wieder abzubrechen. Medina Sidonia bemühte sich vor allen Dingen, seine Armada beisammenzuhalten; ein großes Schiff, welches zurückgeblieben war, hat er nach gepflogenem Kriegsrat in die Hände des Feindes geraten lassen, weil dieser Verlust weniger schade als die Auflösung der Ordnung, die aus dem Versuche das Schiff zu retten entspringen werde; er hat seine Sargentes mayores den Kapitänen herumgeschickt, um sie zu bedeuten nicht aus der Ordnung zu weichen, bei Lebensstrafe.

      Im ganzen waren die Spanier mit ihrer Fahrt nicht unzufrieden, als sie nach einer Woche fortwährender Seescharmützel, ohne doch sehr erhebliche Verluste erlitten zu haben, die englische See durchmessen hatten und Sonnabends den 6. August vor Boulogne vorüberfuhren und auf der Höhe von Calais anlangten: es war das nächste Ziel, das sie hatten erreichen wollen. Aber sich nun, wie es die ursprüngliche Absicht gewesen zu sein scheint, nach der nahen Küste von England zu wenden wurde dadurch unendlich schwer, daß die englische Flotte sie schützte, mit deren gelenken Fahrzeugen die spanischen Galeonen sich in der Meerenge noch weniger messen konnten als anderswo. Und jeden Augenblick ward sie verstärkt; der junge Adel wetteiferte, sich an Bord zu begeben. Aber auch nach Dünkirchen konnte der Admiral nicht vorgehen, da der Hafen damals viel zu enge war, um seine gewaltigen Fahrzeuge aufzunehmen, und seine Piloten in die Seeströmungen nach dem Norden hin zu geraten fürchteten. Dort an der Reede, östlich jenseits Calais, in der Richtung nach Dünkirchen ging er vor Anker. Schon früher hatte er den Herzog von Parma davon benachrichtigt, daß er auf dem Wege sei, und dann unmittelbar vor seiner Ankunft in Calais einen Piloten nach Dünkirchen abgeschickt, um denselben aufzufordern, mit einer Anzahl kleiner Fahrzeuge zu ihm zu stoßen, damit man den Engländern besser begegnen könne, auch Kanonenkugeln von einem gewissen Kaliber, woran er Mangel zu leiden anfing, mitzubringen. Es ist klar, daß er noch von dort aus, wenn er in seinem Sinne unterstützt wurde, den großen Landungsversuch, mit dem er beauftragt war, unternehmen wollte. Allein Alexander von Parma, den die erste Botschaft einige Tage zuvor in Brügge gefunden, war noch gar nicht in Dünkirchen angekommen, als die zweite eintraf; man begann dort nur eben erst die Vorbereitung zur Einschiffung, und kaum ließ sich wagen, sie ins Werk zu setzen, da noch immer englische und holländische Kriegsfahrzeuge vor dem Hafen kreuzten.

      Aber die vornehmste Ursache, daß die Dinge nicht zusammengingen, lag in ihrer Natur. Das geographische Verhältnis der spanischen Monarchie zu England hätte zwei verschiedene Angriffe, den einen von der pyrenäischen Halbinsel, den anderen von den Niederlanden her, gefordert. Daß man die Streitkräfte so entlegener Landschaften zu einem einzigen Angriff kombinieren wollte, gab dem Unternehmen, besonders bei den unzulänglichen Kommunikationsmitteln der Zeit, eine drückende Unbehilflichkeit. Wind und Wetter hatte man bei dem Entwurf wenig berücksichtigt. Zu beiden Seiten waren mit äußerster Anstrengung ungeheure Kriegsmittel zusammengebracht; sie waren einander jetzt bis auf wenige Seemeilen genähert, aber vereinigen konnten sie sich nicht. Nun erst kam die volle Überlegenheit zutage, die den Engländern aus ihrer noch korsarenhaften kecken Kriegführung und der Bundesgenossenschaft der Holländer entsprang. Man sah, daß ein rascher Anfall hinreichen würde, um die ganze Kombination zu zersprengen; Königin Elisabeth soll die Art und Weise eines solchen selbst angegeben haben.

      Ein verderbenschwangeres Ungewitter hatte sich über England gelagert; es ward zerteilt, ehe es seine Donner entlud. Wie so ganz wahr ist, was eine holländische Denkmünze ausspricht: Der Sturmhauch Gottes hat sie zerstreut! Philipp II. sah die Armada, von der er gehofft hatte,


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