Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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dem festen Lande gelangen. Mit seinem oberherrlichem Recht über jene hatte es Verpflichtung sie zu verteidigen, mit seiner Herrschaft über diese die Fähigkeit das zu tun erworben. Ist es nun ein Verdienst gewesen, die Reste des christlichen Namens und einige lateinische Besitzungen jahrhundertelang vor den Osmanen geschützt zu haben, so kann man jene Eroberungen nicht verdammen, durch welche dies allein möglich ward. Die Kräfte eines doch nur sehr geringen Teiles okzidentaler Landschaften dienen dazu, auf den Rückhalt von Europa gelehnt, den Fortschritten der drohenden Barbaren im Okzident Einhalt zu tun.

      Daran wäre doch niemals zu denken gewesen, hätte sich Venedig nicht als eine der ersten Handels metropole der Welt behauptet. Man hat es als eine weise Maßregel betrachtet, daß die Republik auch die untertänigen Kommunen an den Handelsvorrechten venetianischer Bürger teilnehmen ließ. Darüber aber hielt sie allezeit aufs strengste, daß der Handel der Kommunen, des festen Landes und der Inseln in Venedig konzentriert blieb. Bei ihrem Eide sind die Rettoren von Bergamo und Brescia verpflichtet darüber zu halten, daß weder Wolle noch Baumwolle noch auch Spezereien in ihre Bezirke eingeführt werden, ausgenommen die, welche von Venedig kamen. Cremona und Gheradadda sind kaum gewonnen, so stellt man die Waren, die nur von Venedig aus daselbst eingeführt werden dürfen, in einem langen Verzeichnis zusammen. So wurden auch alle die Handelsbeschränkungen, durch welche Kolonien an ihre Mutterstadt gewiesen zu werden pflegen, von den Venetianern über die Küsten und Inseln der Levante ausgebreitet. Das gesamte Gebiet wurde gleichsam zu einer einzigen merkantilen Genossenschaft, die ihren Sitz in der Hauptstadt hatte, vereinigt.

      Der auswärtige Handel war noch in großer Blüte. Der Rialto war einer der bedeutendsten Handelsplätze der Welt und verschaffte dem Staate, indem er ihm eine eigentümliche Weltstellung gab, die weiteren Mittel seiner Existenz. Dabei kamen die drei Mächte in Betracht, welche die Politik beherrschten, und zwar schon für die nächsten Lebensbedürfnisse. Aus den österreichischen Gebieten zieht Venedig sein Schlachtvieh; höchst empfindlich ist ihm ein Aufschlag der Abgabe, welche die kaiserliche Regierung auf die Ausfuhr des Hornviehes erhob, sowie eine Störung des Verkehrs mit der Türkei, von wo ihm das Getreide, dessen es nicht entbehren kann, zugeführt wird. Für die Manufakturen bedarf man der Wolle aus Spanien. Ungleich wichtiger ist, daß Venedig den Verkehr zwischen Okzident und Orient, den es während der mittleren Jahrhunderte besessen hatte, auch im 16. Jahrhundert behauptete. Durch die Gewaltsamkeiten der orientalischen Machthaber, das Emporkommen der Barbaresken, die zuweilen bis in den Golf vordrangen, den Seeräuberkrieg, der das ganze Mittelmeer erfüllte, war der Handel geschädigt und erschwert, aber noch nicht unterbrochen.

      Im Vorbeigehen sei bemerkt, daß die merkantilen Geschäfte bei der Teilnahme Venedigs an der allgemeinen Kultur des Abendlandes nicht ohne Beziehung auf Gelehrsamkeit und Altertum geblieben sind. Die Häuser Bembo und Contarini waren mit Antiquitäten reich ausgestattet. Broccardo untersuchte die ägyptischen Monumente; nach Marco Grimanis Zeichnungen sind die ägyptischen Denkmäler von Sebastian Serlio 1584 herausgegeben. Und indem man die Stätten und Wege der alten Kultur aufsuchte, begleitete man doch auch die neuen Entdeckungen mit großer Aufmerksamkeit. Die erste bedeutende Sammlung von Reisebeschreibungen nach den beiden Indien stammt von dem Venetianer Ramusio; sie wird noch heute gebraucht.

      Die zweite Frage ist, wie man von da, wie man vom Orient überhaupt nach Venedig gelangte. Keineswegs nämlich geschah dies immer zur See; der Karawanenhandel ward in Europa selbst fortgesetzt. Wir wissen, daß im Jahre 1534 eine venetianische Karawane, hundert Pferde stark, die von Konstantinopel nach der venetianischen Küste zog, in der Türkei von Räubern angefallen und geplündert worden ist. Allmählich aber wurde diese Straße sicherer, und die orientalischen Kaufleute nahmen sie selbst. Spalato ward der Hauptplatz für diesen Verkehr; besonders gegen Ende des 16. Jahrhunderts gelangte derselbe zu großer Aufnahme. Dahin sammelten sich nicht allein die Nachbarn vom Adriatischen Meer bis zur Dona und von Konstantinopel bis an die Grenze,


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