Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke
Читать онлайн книгу.Kontinent, in Wingandacoa; die Königin hatte soviel Freude daran, daß sie dem Gebiet einen Namen gab, der an die Eigenschaft, auf die sie fast am stolzesten war, erinnern sollte; sie nannte es Virginien.
Endlich aber unternahm sie den Seekrieg in aller Form; er war zugleich ein Motiv für den Bund mit den Holländern, welche in demselben treffliche Dienste würden leisten können. In Westindien hoffte sie das Fundament der spanischen Größe umzustürzen. Franz Drake ward damit beauftragt, ihn zu eröffnen. Als er im Oktober 1585 an den Islas de Bayona an der gallicischen Küste anlangte, ließ er den Governador derselben Don Pedro Bermudez wissen, er komme im Namen seiner Königin, um den Beschwerden ein Ende zu machen, welche die Engländer von den Spaniern erleiden müßten. Don Pedro antwortete, er wisse von solchen Beschwerden nichts, wolle aber Drake Krieg anfangen, so sei er bereit ihn anzunehmen. Drake richtete damals seinen Lauf sofort nach Westindien. Er hat S. Domingo und Cartagena überrascht, einen Augenblick das eine und das andere in Besitz gehabt und große Brandschatzungen davongebracht. Dann führte er die Kolonisten von Virginien, die sich noch nicht gegen die Eingeborenen behaupten konnten, nach England zurück.185 Und noch verderblicher wurde er den Spaniern im nächsten Jahre; er drang in den Hafen von Cadiz ein, der voll von Fahrzeugen lag, die von beiden Indien kamen oder dahin gingen; er bohrte sie in den Grund oder verbrannte sie. Seine Korsaren bedeckten die See.
Wie oft schon war in Spanien von einer Invasion von England die Rede gewesen! Dringender als jedes andere war das Motiv, das in diesen maritimen Unternehmungen dafür lag. Die Spanier bemerkten, daß der Bestand und die Kraft ihrer Monarchie nicht so sehr auf den festen Plätzen beruhe, die sie in allen Landschaften besitze, als auf den beweglichen Werkzeugen der Herrschaft; die Störung der Kommunikation, welche Drake mit seinen Korsaren zwischen den wichtigsten Punkten an den spanischen und den niederländischen Küsten verursachte, schien ihnen unerträglich; sie wollten ihr um jeden Preis abhelfen. Und dazu kam nun der allgemeine Racheruf wegen der Hinrichtung der Königin von Schottland, der sich vor dem König selbst auf den Kanzeln vernehmen ließ. Doch war dies nicht die einzige Einwirkung dieses Ereignisses. Das Leben der Königin Maria und ihr Erbanspruch hatten immer dem spanischen Ehrgeiz entgegengestanden; jetzt konnte Philipp II. daran denken, den englischen Thron selbst in Besitz zu nehmen. Er hat mit Papst Sixtus V. einen Vertrag geschlossen,186 nach welchem er die Krone von England von dem römischen Stuhle zu Lehen tragen sollte; dieser würde so mit der Herstellung der kirchlichen Autorität zugleich auch die Erneuerung seiner alten Oberlehnsherrlichkeit über England durchgesetzt haben. Noch einmal waren die spanische Monarchie und das Papsttum in ihren geistlichen und politischen Ansprüchen auf das engste vereinigt. Papst Sixtus V. sprach aufs neue die Exkommunikation über die Königin aus,187 erklärte sie für abgesetzt, entband nicht allein ihre Untertanen von dem Eid der Treue, sondern forderte jedermann auf, dem König von Spanien und seinem Heerführer, dem Herzog von Parma, Hilfe gegen sie zu leisten.
Zwischen spanischen und englischen Bevollmächtigten ist jedoch im Jahre 1587 noch über den Frieden unterhandelt worden. Hauptsächlich die Kaufmannschaften von London und Antwerpen drangen darauf, und da die Spanier damals das offenbare Übergewicht besaßen, den Niederrhein und die Maas beherrschten, in Friesland eindrangen, Sluis trotz aller Gegenwehr belagerten und endlich bezwangen, so ist es begreiflich, wenn die englischen Bevollmächtigten zu unerwarteten Zugeständnissen bewogen wurden. Sie würden die Herstellung der Oberherrschaft der Spanier über Nordniederland nachgegeben haben, wenn Philipp den Einwohnern Gewissensfreiheit hätte bewilligen wollen. Alexander von Parma brachte in Vorschlag, denselben zwar die Rückkehr zum Katholizismus zur Pflicht zu machen, aber mit der Versicherung, daß keine Inquisition über sie verhängt, niemand für seine Abweichung von diesem Glauben gestraft werden würde. Selbst wenn es mit dieser Unterhandlung nicht vollkommen Ernst gewesen sein sollte, so ist doch bemerkenswert, woran sie scheiterte. Philipp II. wollte weder eine solche Versicherung, die doch die Gewissensfreiheit dem Wesen nach enthalte, noch vollends diese selbst in besserer Form bewilligen. Darin bestand gerade seine Stärke, daß er das katholische System mit unnachsichtiger Energie behauptete; dadurch erwarb er sich die Anhänglichkeit der Priester und der glaubenseifrigen Laien. Und wie hätte er vollends in einem Augenblick, wo er so eng mit dem Papste verbunden war und für seine Unternehmung auf die im Kastell S. Angelo angesammelten Millionen rechnen durfte, von der Strenge des exklusiven Glaubens abweichen sollen! Er meinte bei der Verweigerung jeder religiösen Konzession in seinem Rechte zu sein, wie ja auch jeder andere Fürst in seinen Gebieten für die Religion maßgebende Gesetze erlasse.
Philipp wäre am liebsten schon im Spätjahr 1587 ans Werk geschritten. Er hoffte damals, daß ihm Schottland, wo die katholischen Lords und das Volk lebhafte Sympathie mit dem Schicksal der Königin Maria kundgaben, von ihrem Sohne, von dem man voraussetzte, daß er ihren Tod zu rächen wünsche, geöffnet werden würde. Aber anderen schien das nicht so gewiß; besonders machte der erfahrene Admiral Santa Cruz den König aufmerksam, in welche Gefahr die Flotte in jenen Meeren geraten könne; sie werde mit widrigen Winden, dem Nachteil kurzer Tage und tiefer Nebel zu kämpfen haben. Santa Cruz wollte seinen Ruhm, den einzigen Erwerb eines langen Lebens, nicht durch ein unzeitiges oder doch sehr gewagtes Unternehmen gefährden. Er hielt einen Angriff auf England für schwieriger als die meisten andern und verlangte solche Vorbereitungen, daß dadurch der Sieg unzweifelhaft würde. Inmitten der Herbeischaffung derselben starb er, nicht mehr eben im Besitz der Gnade seines Fürsten. Sein Nachfolger, der Herzog von Medina Sidonia, den der König deshalb wählte, weil er sich bei der letzten Verteidigung von Cadiz hervorgetan hatte, machte nicht so unerfüllbare Forderungen; die Flotte, die unter ihm und durch ihn zustande kam, war aber dennoch, wenn nicht an Zahl der Segel, etwa 130, aber an Tonnengehalt, Größe der Fahrzeuge und Zahl der Kriegsmannschaften, die sie aufnahm, bei 22000 Mann, die bedeutendste, die noch jemals von einer europäischen Macht in See gebracht worden war. Alle Landschaften der pyrenäischen Halbinsel hatten wetteifernd dazu beigesteuert; nach ihnen war die Flotte in Geschwader eingeteilt: das erste war das portugiesische, dann folgten die Geschwader von Kastilien, Andalusien, Biscaya, Guipuzcoa, dann das italienische, denn auch aus Italien waren Schiffe und Mannschaften in guter Anzahl herübergekommen.
Mit nicht minderem Eifer ward in den Niederlanden gerüstet; allenthalben in den flamändischen und wallonischen Provinzen ward die Trommel gerührt, alle Straßen waren mit militärischen Zügen bedeckt. Auch in den Niederlanden fand sich eine große Zahl Italiener ein, Korsen und Einwohner des Kirchenstaates, Neapolitaner in prächtigem Aufzug; man sah die Brüder des Großherzogs von Toskana und des Herzogs von Savoyen; König Philipp hatte dem Sohn eines maurischen Fürsten vergönnt, sich an dem katholischen Feldzug zu beteiligen. Auch aus dem katholischen Deutschland waren Fußvölker und Reiter angelangt. Es war ein gemeinsames Unternehmen der spanischen Monarchie und eines großen Teiles der katholischen Welt, unter dem Papst und dem König, zum Umsturz der Fürstin, die als das Oberhaupt, und des Staates, der als der vornehmste Rückhalt des Protestantismus und der antispanischen Politik betrachtet wurde.
Als die Flotte am 22. Juli 1588 von Corunna auslief und das lange überlegte, lange vorbereitete Unternehmen nun ins Werk gesetzt wurde, zeigten der König und die Nation eine tiefe religiöse Bewegung. In allen Kirchen des Landes hielt man die vierzigtägigen Gebete; in Madrid wurden feierliche Prozessionen veranstaltet; Philipp brachte alle Tage ein paar Stunden im Gebet zu. Er war in der lautlosen Aufregung, welche ein ungeheures Vorhaben und die Erwartung einer großen Wendung in den Geschicken hervorruft; man wagte kaum ein Wort an ihn zu richten.
Erst in diesen Tagen war man in England der drohenden Gefahr eigentlich inne geworden. Eine Abteilung der Flotte unter Heinrich Seymour beobachtete mit holländischer Hilfe die beiden Häfen des Prinzen von Parma, Nieuwport und Dünkirchen; die andere, größere, soeben aus Spanien zurückgekommen und schon bereit zu entwaffnen, setzte sich unter dem Admiral Howard zu Plymouth in Bereitschaft, den Feind zu empfangen. Indessen sammelte sich das Landheer auf den Rat Leicesters in der Nähe von London. Noch einmal ward die alte feudale Organisation der Streitkräfte des Landes in dieser Gefahr lebendig. Man sah die Edelleute an der Spitze ihrer Pächter und Hintersassen ins Feld ziehen und freute sich, wie gut sie zusammenhielten.