Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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Maximilian von Bayern. Man sagt, als der junge Erzherzog Ferdinand 1596 Ostern in seiner Hauptstadt Graz feierte, sei er der einzige gewesen, der das Abendmahl nach katholischem Ritus nahm; in der ganzen Stadt habe es nur noch drei Katholiken gegeben. In der Tat waren nach dem Tode des Erzherzogs Karl unter einer nicht sehr kräftigen vormundschaftlichen Regierung die Unternehmungen zugunsten des Katholizismus rückgängig geworden; die Protestanten hatten die ihnen entrissenen Kirchen wieder eingenommen, ihre Schule zu Graz durch neue glückliche Berufungen verstärkt; der Adel hatte einen Ausschuß aufgestellt, um sich allem zu widersetzen, was zum Nachteil des Protestantismus versucht werden möchte. Demohnerachtet entschloß sich Ferdinand augenblicklich, zur Ausführung und Vollendung der Gegenreformation zu schreiten. Geistliche und politische Antriebe kamen zusammen. Er sagte, auch er wolle Herr in seinem Lande sein, so gut wie der Kurfürst von Sachsen, der Kurfürst von der Pfalz. Gab man ihm die Gefahr zu bedenken, die ein Anfall der Türken während innerer Zwistigkeiten herbeiführen könne, so entgegnete er, erst nach vollzogener Bekehrung dürfe man auf die göttliche Hilfe zählen. Im Jahre 1597 begab sich Ferdinand über Loreto nach Rom zu den Füßen des Papstes Clemens VIII. Er tat das Gelübde, die katholische Religion in seinen Erblanden auch mit Gefahr seines Lebens herstellen zu wollen; der Papst bestärkte ihn darin. So kam er zurück und schritt ans Werk. Im September 1598 erging sein Dekret, durch welches er die Entfernung aller lutherischen Prädikanten in Graz binnen vierzehn Tagen gebot. Graz war der Mittelpunkt der protestantischen Lehre und Gewalt; man ließ nichts unversucht, um den Erzherzog wankend zu machen, weder Bitte noch Warnung noch auch Drohung, aber der junge Fürst war nach dem Ausdruck des Krainer Geschichtschreibers207 fest wie ein Marmor. Im Oktober erging ein ähnlicher Erlaß in Krain, im Dezember in Kärnthen.

      In Böhmen glaubte man sich durch die uralten utraquistischen Privilegien, in Ungarn durch die Selbständigkeit und Macht der Stände besser geschützt. Jetzt aber schien sich Rudolf weder um die einen noch um die andern kümmern zu wollen. Er war überredet morden, daß die alten Utraquisten untergegangen und die Evangelischen zum Genüsse jener Privilegien nicht berechtigt seien. Im Jahre 1602 erließ er ein Edikt, das zunächst die Kirchen der mährischen Brüder zu schließen befahl und ihre Zusammenkünfte verbot. Schon begann in Ungarn die offenbare Gewalt; Basta und Belgiojoso, welche die kaiserlichen Truppen in diesem Lande befehligten, nahmen die Kirchen von Kaschau und Klausenburg weg; mit ihrer Hilfe suchte der Erzbischof von Colocsa die dreizehn Städte ins Zips zum Katholizismus zurückzuführen. Auf die Beschwerden der Ungarn gab der Kaiser die Resolution: »Seine Majestät, welche den heiligen römischen Glauben von Herzen bekenne, wünsche ihn auch in allen ihren Reichen und besonders in dem ungarischen auszubreiten; sie bestätige hiermit und ratifiziere alle Beschlüsse, die seit den Zeiten des heiligen Stephan, Apostels der Ungarn, zugunsten dieses Glaubens erlassen worden.«

      Trotz seiner hohen Jahre hatte der behutsame Kaiser seine Mäßigung abgelegt; die katholischen Fürsten insgesamt befolgten dieselbe Politik. Soweit nur irgend ihre Macht reichte, breitete sich der Strom der katholischen Meinung weiter aus; Doktrin und Gewalt trieben ihn vorwärts; in der Reichsverfassung gab es kein Mittel dagegen. Vielmehr fühlten sich die katholischen Bestrebungen so stark, daß sie nun auch die Reichsangelegenheiten zu ergreifen, die bisher behaupteten Rechte des protestantischen Teils zu gefährden anfingen. Schon waren, nicht ohne den Einfluß der päpstlichen Nuntien, besonders des Kardinals Madruzzi, der zuerst die Aufmerksamkeit dahin lenkte, im Zustande der Reichsgerichte Veränderungen eingetreten, die Anlaß und Mittel dazu in die Hand gaben. Das Kammergericht hatte endlich gegen Anfang des 17. Jahrhunderts eine mehr katholische Färbung bekommen; es waren Urteile ergangen, die der katholischen Auslegung des Religionsfriedens entsprachen. Die Benachteiligten hatten dagegen das Rechtsmittel der Revision ergriffen, allein mit den Visitationen waren auch die Revisionen ins Stocken gekommen; die Sachen häuften sich an und blieben liegen.

      Unter diesen Umständen geschah es, daß der Reichshofrat in Aufnahme kam. Wenigstens ließ sich hier ein Ende absehen: die unterliegende Partei konnte nicht zu einem niemals auszuführenden Rechtsmittel ihre Zuflucht nehmen. Aber der Reichshofrat war nicht allein noch entschiedener katholisch als das Kammergericht, er hing auch durchaus vom Hofe ab. »Der Reichshofrat«, sagt der florentinische Geschäftsträger Alidosi, »erläßt keinen definitiven Urteilsspruch, ohne ihn vorher dem Kaiser und dem geheimen Rate mitzuteilen, die ihn selten ohne Abänderung zurückschicken.« Welche allgemein wirksamen Institute gab es aber im Reiche als die richterlichen? Die Einheit der Nation knüpfte sich an dieselben. Auch sie waren jetzt unter den Einfluß der katholischen Meinung, der Konvenienz des Hofes geraten.

      Schon fing man auf allen Seiten an, über die parteiischen Urtel, die gewaltsamen Exekutionen zu klagen, als bei der Sache von Donauwörth die allgemeine Gefahr hervortrat, die von diesem Punkte aus drohte. Daß ein katholischer Abt in einer protestantischen Stadt, der seine Prozessionen öffentlicher und feierlicher halten wollte als herkömmlich, hierbei von dem Pöbel gestört und beschimpft worden, genügte dem Reichshofrat, um die Stadt selbst mit einem weitaussehenden Prozeß, Mandaten, Citationen, Kommissariaten heimzusuchen und endlich die Acht über sie auszusprechen. Ein benachbarter strengkatholischer Fürst, Maximilian von Bayern, bekam den Auftrag, sie zu vollstrecken. Er begnügte sich nicht, Donauwörth zu besetzen; auf der Stelle berief er Jesuiten, erlaubte nur noch den katholischen Gottesdienst und schritt in gewohnter Weise zur Gegenreformation. Maximilian selbst sah diese Sache in dem Lichte ihrer allgemeinen Bedeutung; er schrieb dem Papste, wie an einem Prüfstein könne man daran die Abnahme des Ansehens der Protestanten erkennen. Allein er täuschte sich, wenn er glaubte, sie würden es sich gefallen lassen. Sie sahen sehr wohl, was sie zu erwarten hatten, wenn es so fortging. Schon erkühnten sich die Jesuiten, die Verbindlichkeit des Religionsfriedens zu leugnen; er habe im Grunde gar nicht geschlossen werden können ohne die Beistimmung des Papstes, auf keinen Fall sei er länger als bis zum tridentinischen Konzil gültig gewesen; als eine Art Interim sei er anzusehen. Und auch die, welche die Gültigkeit dieses Vertrages anerkannten, meinten doch, daß wenigstens alle seit Abschluß desselben von den Protestanten eingezogenen Güter wieder herausgegeben werden müßten; auf die protestantischen Erklärungen seiner Worte nahmen sie keine Rücksicht. Wie nun, wenn diese Ansichten, wie es ja schon zu geschehen anfing, von den höchsten Reichsgerichten anerkannt, Urtel danach ausgesprochen und zur Vollstreckung gebracht wurden?

      Als der Reichstag im Jahre 1608 zu Regensburg zusammenkam, wollten die Protestanten zu keiner Beratung schreiten, ehe ihnen nicht der Religionsfriede schlechthin bestätigt worden sei. Selbst Sachsen, das sich sonst immer auf die kaiserliche Seite neigte, forderte jetzt Abschaffung der Hofprozesse, insofern sie dem alten Herkommen zuwider seien, Verbesserung des Justizwesens und nicht allein Erneuerung des Religionsfriedens, wie er 1555 geschlossen worden, sondern eine pragmatische Sanktion, durch welche den Jesuiten verboten würde, wider denselben zu schreiben. Auf der andern Seite hielten aber auch die Katholiken eifrig zusammen. Der Bischof von Regensburg hatte ein Rundschreiben erlassen, in dem er seine Glaubensgenossen ermahnte, die Gesandten vor allem zu einhelliger Verteidigung der katholischen Religion anzuweisen, »steif und fest wie eine Mauer zusammenzustehen«, nur nicht zu temporisieren; jetzt habe man nichts zu fürchten, an stattlichen hochlöblichen Fürstenhäusern besitze man grundfeste eifrige Defensoren. Zeigten sich dann die Katholiken ja noch geneigt, den Religionsfrieden zu bestätigen, so trugen sie doch auf die Klausel an, »daß das, so demselben zuwiedergehandelt, abgeschafft und restituiert werde,« eine Klausel, die eben alles enthielt, was die Protestanten fürchteten und vermieden wissen wollten. Bei diesem Zwiespalt


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