Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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zu erkennen gab, eine außerordentliche Einnahme von jährlich 60 Millionen für den Krieg herbeizuschaffen. Darin lag der Widerstreit zwischen Louvois und Colbert, daß jener keine andre Rücksicht kannte als seine Kriegsbedürfnisse, dieser die Finanzen und die allgemeine Wohlfahrt im Auge behielt. Colbert, hören wir, sei bedeutet worden: sollte er die Herbeischaffung dieser Summe für untunlich halten, so wisse man schon einen andern, der das unternehmen werde. Er würde vielleicht für seinen staatswirtschaftlichen Ruf am besten gesorgt haben, wenn er, woran er dachte, sich zurückgezogen hätte. Aber seine Familie beschwor ihn, das nicht zu tun; ihn selbst, versichern seine Freunde, habe noch mehr das Bewußtsein bewogen, daß er allein fähig sein werde, das Land aus der gefährlichen Lage, in die es durch die Fortsetzung des Krieges gerate, zu retten. Und gewiß, in der Mitte der Kriegsbedrängnisse durfte er König und Land nicht verlassen.

      Nach dem Frieden von Nimwegen, als die gemachten Aufwendungen vollends liquidiert wurden, sind die Ausgaben noch höher gestiegen; überdies aber blieb die Armee auf dem Kriegsfuß, ungeheure Kosten machten die Bauten der Festungswerke. Noch ist nichts zutage gekommen, woraus sich ein Widerspruch dieses Ministers gegen die Verfolgung der Reformierten mit Bestimmtheit ergäbe. An der engen Verbindung zwischen Krone und Klerus, die dadurch befördert wurde, war auch ihm viel gelegen, und zum Äußersten kam es ja bei seinen Lebzeiten nicht. Er scheint den Erfolg des eingeschlagenen Verfahrens so wenig wie andre vorausgesehen, um die eigentlich religiöse Frage sich soviel nicht bekümmert zu haben. Aber daran kann kein Zweifel sein, daß er den Eintrag in den Finanzen, der schon damals aus den Drangsalen erwuchs, die man den Reformierten antat, aufs schmerzlichste empfand; für die Geldverwaltung lag eine neue Schwierigkeit darin. Dennoch gelang es ihm, das Gleichgewicht zwischen Ausgabe und Einnahme für das Jahr 1683 ziemlich wiederherzustellen; der schwersten Zinszahlungen wußte er das Land glücklich wieder zu entledigen.

      Dem Kriege zum Trotz war der Handel, namentlich der levantische, in Aufnahme geblieben, die Manufakturen fanden in aller Welt reichliche Nachfrage. Der starke Ausgangszoll, mit dem sie belegt waren, und der der königlichen Kasse wohl zustatten kam, hinderte ihren Vertrieb nicht. Wie die Landmacht ward auch die Seemacht, und zwar diese unter Colberts eigener Aufsicht, in einen Achtung gebietenden Zustand gebracht. Bei seinem Eintritt in die Verwaltung der Marine hatte er nur 30 Kriegsfahrzeuge, darunter drei vom ersten Rang vorgefunden; im Jahre 1683 waren 32 Kriegsschiffe ersten Ranges in See, mit den noch im Bau begriffenen zählte Frankreich überhaupt 267 Kriegsfahrzeuge, mehr als irgend eine Macht der Welt.

      Für die Bauten der königlichen Schlösser in Fontainebleau, Chambord, St. Germain und ihre Kosten schaffte er Rat. Versailles, das eben damals instand gesetzt wurde, um vom Hofe bezogen werden zu können, hat in den fünf Friedensjahren 40 Millionen Livres gekostet. An diesen Bau von Versailles knüpfte sich der Tod oder, wenn man will, die Katastrophe Colberts. Die von einem spätern Schriftsteller herrührenden Nachrichten von einem tadelnden Wort, das der König wegen der großen Kosten einiger Teile des Baues, z. B. des großen Gitters am Eingang, im Vergleich mit den Festungsbauten von Louvois an ihn gerichtet haben soll, wage ich nicht zu wiederholen. Aber ganz ohne Grund sind sie nicht. Auch der brandenburgische Gesandte weiß, daß ein Verdruß Colberts über jenen Bau zu seinem Tode beigetragen; er habe sich über die Arbeiter erzürnt, durch deren Nachlässigkeit die Brüstung eines neuen und schönen Zimmers zusammengebrochen sei. Der venetianische Gesandte meldet seiner Signorie das Ereignis, über das er besser als andre unterrichtet zu sein behauptet, folgendergestalt: Nicht über Colbert selbst, aber über dessen jungen Sohn Armois, welcher zu des Vaters Nachfolger bestimmt die Aufsicht über den Bau von Versailles führte, habe sich der König gegen Colbert beschwert; er habe gesagt, er wisse nicht wie es zugehe, daß er trotz seines großen Geldaufwandes schlechter als jeder andre bedient werde; Bald darauf, als Colbert wegen der Zahlung einer Summe Schwierigkeiten erhoben, habe ihm der König seine Verwunderung ausgesprochen, daß er ihn in solchen Dingen hartnäckig finde und ihn bitten müsse; das sei nicht der Fall mit Louvois, dem brauche er seine Wünsche nur anzudeuten, so seien sie schon ausgeführt. Colbert, von dem wir wissen, wie ganz er von der königlichen Gnade abhing, habe diesen Beweis der Ungunst, diese Bevorzugung seines Nebenbuhlers nicht ertragen können, er habe seinen Sturz vorauszusehen gemeint und sei darüber in eine tödliche Krankheit gefallen. Man habe ihm geraten, dem König über die Sache zu schreiben, ihm seine Verdienste in Erinnerung zu bringen; er habe jedoch davon nichts hören mögen, zu sterben sei ihm nicht unlieb gewesen. Mit Gewißheit weiß man, daß der König in seiner Krankheit an ihn schrieb; Colbert, der sich seinem Ende nahe fühlte, wollte den Brief nicht lesen, er wollte sich nur noch mit seinem Gott beschäftigen. Er starb im September 1683.

      Hat aber Colbert nicht bis zuletzt die volle Gnade des Königs behauptet, so hat ihn das Volk, das in der Strenge seiner Staatsverwaltung eine willkürliche Bedrückung sah und an den Reichtümern, die seine Familie sammelte, Ärgernis nahm, mit bitterem Haß verfolgt. Die Leiche mußte mit militärischem Geleit nach der Grabkapelle geschafft werden, die heftig erregte Menge hätte sie sonst in Stücke gerissen. Man ließ sich nicht abhalten, Pasquille an dieser Kapelle anzuschlagen. Vierzehn Tage hörte man von nichts als Schmähreden gegen den Verstorbenen.


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