Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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genug, um zugleich die Belagerung der Stadt zu unternehmen und die Belagernden vor einem Entsatz zu schützen. Aus den großen Magazinen von Frankfurt und Koblenz ward die Armee ununterbrochen auf das beste verpflegt. Die französische Besatzung, die aus mehr als 10 000 Mann bestand, wehrte sich gut; aber noch ehe der Versuch sie zu entsetzen, zu dem sich Duras eben anschickte, ernstlich gemacht werden konnte, sah sie sich bereits zur Kapitulation genötigt. Indessen waren Rheinberg, Kaiserswerth und Bonn durch die brandenburgischen Waffen256 bezwungen worden. Wie ein Jahrhundert später, so haben schon damals die Deutschen die Gebiete am mittleren und niederen Rhein, die den Franzosen auf das leichteste in die Hände geraten waren, mit ungeheuern Anstrengungen wieder eingenommen. Am oberen Laufe dieses Stromes dagegen konnten sie nichts unternehmen; auch in den nächsten Jahren richteten sie daselbst nichts aus. Den Franzosen kam es für die Behauptung ihrer dortigen Stellung sehr zustatten, daß Kaiser und Reich einen ansehnlichen Teil ihrer Streitkräfte an der türkischen Grenze verwenden mußten.

      32. Ludwigs XIV. Ausgang; Rückblick auf seine Staatsverwaltung

       Inhaltsverzeichnis

      Französische Geschichte IV, Werke Bd. 11 S. 303 ff.

      Wenn man das Glück eines zu Ende gehenden Lebens in das Bewußtsein setzen darf, die großen vorgesteckten Ziele erreicht zu haben, so kann davon bei Ludwig XIV. nicht eigentlich die Rede sein. Die vornehmsten Pläne des königlichen Ehrgeizes waren nicht durchgeführt, weder der politische, der auf ein allgemeines Übergewicht in Europa, noch der religiöse, der auf eine vollkommene kirchliche Uniformität gerichtet war. Vielmehr waren aus denselben, wie es nicht anders sein konnte, widerwärtige und unglückliche Rückwirkungen ohne Zahl hervorgegangen. Es scheint jedoch nicht, als habe ein Gefühl hiervon den König betrübt oder gekränkt. Er sah doch seinen Enkel auf dem spanischen Thron, sein eigenes Reich erweitert und nach außen mächtig. Den innern Übelständen hoffte er noch beizukommen, die Erbfolge meinte er soeben sichergestellt zu haben. In der gewohnten Weise lebte Ludwig XIV. seinen Geschäften und Erheiterungen.

      Nachdem er eines Tages im August 1715 dem Konseil beigewohnt und in gewohnter Art mit dem Kanzler gearbeitet hatte, ward er bei seinem Abendessen von einer Betäubung ergriffen, in der man die Vorboten des Todes erkannte. Er bereitete sich zu seinem Hinscheiden, denn er meinte ein wohlbestelltes Haus zurückzulassen, mit ungestörter Seelenruhe vor; er traf alle seine Anordnungen mit vollkommener Unbenommenheit des Gemütes, nicht anders als gälte es etwa nur eine Reise anzutreten.

      Und niemand konnte die Elemente des feudalistischen Staates verkennen, die unter ihm noch in großem Umfang bestanden. Wenn man von denselben mit einem Mal eine Anschauung haben will, so braucht man sich nur zu erinnern, wieviel die Revolution davon zu zerstören notwendig fand: die Besonderheiten der Provinzen, festgehalten durch ständische und gerichtliche Institutionen oder selbst durch Verträge gewährleistet; die Vorrechte der großen Städte, des Adels in seinen verschiedenen Klassen, alle die Herrenrechte, gegen welche später politische Theorien und der Haß des Volkes vereint oder abwechselnd ankämpften. Noch in seinem Testament spricht Ludwig XIV. die Überzeugung aus, daß die vornehmste Kraft seines Reiches in dem Adel bestehe. Aber die Großen hatte er von aller Teilnahme an der Gewalt zu entfernen und dem gesetzlosen Treiben der Geringeren Schranken zu ziehen gewußt. Sein Edikt über die Duelle ist fast symbolisch für sein Verhalten gegen den Adel. Diesen letzten Ausdruck der Selbsthilfe und persönlichen Autonomie verfolgte er mit der äußersten Strenge; aber er tat es zugleich, um den Adel, der durch den Mißbrauch des Duells zugrunde zu gehen in Gefahr geriet, zu erhalten.

      Das Gewicht der monarchischen Gewalt repräsentierte sich in der Armee und in der Administration. In seinen Kriegen bildete sich Ludwig XIV. eine Armee, derengleichen die Welt noch nicht gesehen hatte. Wie weit war sie von dem freiwilligen und auf eine gemessene Zeit beschränkten Dienste des Adels, mit welchem Heinrich IV. seine Feldzüge hatte führen müssen, und von der zweifelhaften Ergebenheit ausländischer Söldner und ihrer Führer, auf welche Richelieu noch angewiesen war, entfernt. Der sonst mit all seinem Tun und Denken im Unterschied der Geburt befangene, von lokalen Oberhäuptern abhängige Adel unterwarf sich der Rangordnung des königlichen Dienstes. Die Regimenter hörten auf, die Farben ihrer Obersten zu tragen; die Abzeichen und die Tracht des Königs vereinigten die bewaffnete Macht zu einem gleichartigen Körper. Desertion ward als ein Kapitalverbrechen mit dem


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