Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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und der Spanier, als Freunde Hollands und selbst Frankreichs. Was sie noch besonders vereinigte, war das presbyterianische Interesse, in welchem die Kolonie lebte und webte. Warwick, einer der größten Besitzer von England und in Amerika, war einer der vornehmsten Patrone der Kolonie; seiner Mutter Name glänzt unter denen der Wohltäter der neuen Pflanzung.281

      Karl I. war von Natur nicht geeignet, diesen Kampf mit Glück zu bestehen. Er war seines mit Kabalen erfüllten Hofes und Staates, auf den sogar fremde Mächte einwirkten, nicht vollkommen mächtig. Indem er nur von den mit ihm Einverstandenen Rat nahm, konnte er doch nicht vermeiden, daß diese dabei nicht ihre besonderen Interessen ins Auge gefaßt hätten, worüber die andern mit erbitterter Hartnäckigkeit die Gegenpartei ergriffen. Er selbst war nur immer mit seinen eigenen Intentionen beschäftigt; die Absichten, Kräfte und wahrscheinlichen Schritte seiner Gegner zu ermessen, fehlte es ihm an Scharfsinn; mit der größten Zuversicht sehen wir ihn das Verderblichste unternehmen. Damit war in ihm eine falsche Klugheit verbunden; um eines größeren Endzwecks willen verstand er sich zu Dingen, die er in sich selbst mißbilligte. Indem dann doch seine Grundansichten wieder zum Vorschein kamen, jenseit dessen was er jeden Augenblick tat und zuließ, erschien er in sich selbst unwahr und unzuverlässig; man hielt es für gerechtfertigt, sich gegen die Rückkehr der alten Absichten mit allen Mitteln sicherzustellen.

      Seine Widersacher dagegen waren konsequent, wachsam und mißtrauisch. Dem an sich nicht schwachen, nur schwach repräsentierten, aber immer gefürchteten Gedanken der einheitlichen Gewalt setzten sie die landschaftlichen und ständischen Autonomien entgegen, die, da sie von den Gefühlen und Ideen individueller Freiheit durchdrungen waren, eine unüberwindliche Macht entfalteten. So konnte es geschehen, daß das eine von den britannischen Reichen zu einer Selbständigkeit gelangte, welche der Krone allen wesentlichen Einfluß entriß, das andre in blutigem, mit gräßlichen Untaten beflecktem Aufruhr für die katholische Bevölkerung dieselbe Unabhängigkeit zu erkämpfen suchte, die dort der protestantischen zuteil geworden, während in dem dritten und größten eine Autorität zur Geltung kam, welche die königliche zu absorbieren trachtete.

      Manchem wird es im Licht unserer Zeit kaum erlaubt scheinen auf die Frage zurückzukommen, inwiefern dem Worte, das Karl I. in den großen Augenblicken, die zwischen Jenseits und Diesseits liegen, wiederholt aussprach, »er sterbe als Märtyrer«, doch wirklich eine Wahrheit zukommt. Gewiß nicht in dem Sinne, in welchem man es gefaßt hat, als sei er eben nur ein Dulder gewesen, der für die erkannte Wahrheit gelebt und geblutet habe. Er war vielmehr ein Fürst, der sich für die Rechte seiner Macht, die er so persönlich faßte wie irgendein andrer, indem er sie bald zu erweitern, bald nur zu verteidigen suchte, mit allen Mitteln, die ihm zu Gebote standen, offenen und geheimen, im Rat und Feld, im Wortgefecht und mit blanken Waffen, sein Leben lang geschlagen hat und dabei erlegen ist.

      Vergegenwärtigen wir uns noch das Charakteristische der verschiedenen Epochen seiner Regierung. Denn das Wesen eines Menschen erscheint nicht auf einmal; erst in den verschiedenen Phasen des Lebens entwickelt sich das Selbst und treten die Eigenschaften hervor, die seine Natur ausmachen. In den ersten Stadien seines öffentlichen Lebens erscheint Karl I., wie die meisten eintretenden Fürsten, von einem gewissen Wunsche populär zu sein durchdrungen. Von persönlicher Antipathie gegen Spanien ergriffen durchbricht er das System der innern und äußern Politik seines Vaters, das freilich manchem Tadel Raum gab, aber allseitig erwogen war, noch bei dessen Lebzeiten; nachdem er den Thron bestiegen hat, will er auf dem eingeschlagenen Wege fortgehen; dann aber empfindet er die Macht der Weltkräfte, die er zu bekämpfen unternimmt, und die Unzuverlässigkeit der Elemente, auf die er sich stützen will. In den auswärtigen Geschäften, namentlich den deutschen, vermehrt er nur das Unheil und die Verwirrungen; wir finden ihn mit den beiden großen Mächten, zwischen denen sein Vater hindurchzukommen suchte, auf einmal in Krieg; auch er bequemt sich endlich zu einer neutralen Stellung, indem er den Frieden mit denselben herstellt. Im Innern reifen die populären Grundsätze, die er wenigstens zum Teil anerkannt hat und dann doch nicht zur Geltung gelangen lassen will, zum vollen Bewußtsein ihrer Macht; er kommt in den Fall, den Zugeständnissen, die er ihnen öffentlich nicht verweigern kann, mit geheimer Protestation zu begegnen. In alledem erscheint er nicht einmal selbständig, mehr unternehmend und beweglich als von nachhaltiger Tatkraft; vor sich selbst gerechtfertigt, nicht vor der Welt, welche vor allem Festigkeit und Erfolge begehrt.