Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke
Читать онлайн книгу.und der Spanier, als Freunde Hollands und selbst Frankreichs. Was sie noch besonders vereinigte, war das presbyterianische Interesse, in welchem die Kolonie lebte und webte. Warwick, einer der größten Besitzer von England und in Amerika, war einer der vornehmsten Patrone der Kolonie; seiner Mutter Name glänzt unter denen der Wohltäter der neuen Pflanzung.281
Überhaupt aber standen die Lords keineswegs auf der Seite des Königs; hatte man doch ihre Einwirkungen schon bei dem Ankämpfen des Unterhauses gegen die aufsteigende Macht Buckinghams wahrgenommen. Wenn der König kein Parlament mehr berief, so verloren sie dadurch den vornehmsten Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten, den sie besaßen. Die englische Aristokratie teilte nicht die feurigen Antriebe der französischen;282 da sie sich nicht sofort empörte, so zog sie auch nicht die Züchtigungen des Ungehorsams durch die unnahbare Staatsgewalt über sich herein, welche diese erfuhr.283 Sie erwartete eine gelegene Zeit, um hervorzutreten.
Wie der hohe Adel, und noch mehr als dieser, fühlte sich die landbesitzende Gentry durch die Erneuerung abgekommener Gesetze und vergessener Rechtsansprüche bedroht und gefährdet. Die Ausdehnung der Forstgesetze geschah ohne ihre Zuziehung, durch Jurys von Förstern, Waldmeistern und andern bei dem Vorteil, der aus ihr zu erwarten war, beteiligten Personen, und deren Wahrspruch ward dann durch Richter bestätigt, welche die Voraussetzung der Parteilichkeit gegen sich hatten. Andre Kreise wurden durch die ehrenrührigen Strafen, welche die geistlichen Gerichtshöfe über Männer von einem gewissen Range verhängten, widerlich berührt. An Prynnes284 Angriffen auf das Schauspiel mochten die wenigsten Gefallen finden; daß man ihm aber für einige Worte, welche sich auf die Königin bezogen, die Ohren abschnitt, erschien als eine Beleidigung seines Universitätsgrades und des Rockes der Barrister, den er trug.
Und wie tief wurde das Gemeingefühl gebeugt, als der Spruch der Richter zugunsten des Hofes über das Schiffsgeld285 erfolgte! Man sah die Menschen mit melancholischem Gesicht schweigend aneinander vorübergehen. Auch die, welche dem König eine neue Einnahme gönnten und sie für notwendig hielten, erschraken doch, daß sie ihm ohne Bewilligung des Parlaments gewährt werden konnte. Der mindestens zweifelhaften Gesetzlichkeit gesellte sich die Besorgnis hinzu, daß die unzuverlässigen, moralisch verwerflichen, habgierigen Menschen, welche die Ansprüche der Krone verfochten, Meister der Regierung werden würden, ohne das ein Parlament erwartet werden könne, um ihnen Furcht und Rücksicht einzuflößen. So aber war es nun einmal; niemand hatte eine Stellung, sich dagegen zu erheben; selbst jede freie Meinungsäußerung war mit der äußersten Gefahr verknüpft. Die kirchliche und richterliche Autorität, auf ihrer Auslegung der Gesetze fußend, beherrschte England; dieses System dehnte sich durch die Freunde und Anhänger Lauds über Schottland aus; in Irland hielt ein entschiedener Wille die Zügel auf das strengste angezogen. Es schien doch in der Tat, als ob die Vereinigung der monarchischen und der kirchlichen Gewalt, welche in der übrigen romanisch-germanischen Welt vorwaltete, auch England in Besitz nehmen und hierdurch vollends allgewaltig werden würde.
Und nicht ohne Zusammenhang mit diesen Tendenzen im Innern war die äußere Politik. Die großen Anglikaner und Verfechter der Prärogative zeigten wenig Eifer für die Sache des europäischen Protestantismus;286 dagegen sahen die Anhänger des Parlaments und die Nonkonformisten in dieser Sache gleichsam ihre eigene. Gegensätze der Ansichten, die selbst den Hof erreichten, vornehmlich aber die Nation in Gärung brachten und es hauptsächlich veranlaßten, daß die Bestrebungen des Königs auf einen Widerstand stießen, der sich nach und nach unüberwindlich erwies. Der große Kampf begann in Schottland.
Karl I. war von Natur nicht geeignet, diesen Kampf mit Glück zu bestehen. Er war seines mit Kabalen erfüllten Hofes und Staates, auf den sogar fremde Mächte einwirkten, nicht vollkommen mächtig. Indem er nur von den mit ihm Einverstandenen Rat nahm, konnte er doch nicht vermeiden, daß diese dabei nicht ihre besonderen Interessen ins Auge gefaßt hätten, worüber die andern mit erbitterter Hartnäckigkeit die Gegenpartei ergriffen. Er selbst war nur immer mit seinen eigenen Intentionen beschäftigt; die Absichten, Kräfte und wahrscheinlichen Schritte seiner Gegner zu ermessen, fehlte es ihm an Scharfsinn; mit der größten Zuversicht sehen wir ihn das Verderblichste unternehmen. Damit war in ihm eine falsche Klugheit verbunden; um eines größeren Endzwecks willen verstand er sich zu Dingen, die er in sich selbst mißbilligte. Indem dann doch seine Grundansichten wieder zum Vorschein kamen, jenseit dessen was er jeden Augenblick tat und zuließ, erschien er in sich selbst unwahr und unzuverlässig; man hielt es für gerechtfertigt, sich gegen die Rückkehr der alten Absichten mit allen Mitteln sicherzustellen.
Seine Widersacher dagegen waren konsequent, wachsam und mißtrauisch. Dem an sich nicht schwachen, nur schwach repräsentierten, aber immer gefürchteten Gedanken der einheitlichen Gewalt setzten sie die landschaftlichen und ständischen Autonomien entgegen, die, da sie von den Gefühlen und Ideen individueller Freiheit durchdrungen waren, eine unüberwindliche Macht entfalteten. So konnte es geschehen, daß das eine von den britannischen Reichen zu einer Selbständigkeit gelangte, welche der Krone allen wesentlichen Einfluß entriß, das andre in blutigem, mit gräßlichen Untaten beflecktem Aufruhr für die katholische Bevölkerung dieselbe Unabhängigkeit zu erkämpfen suchte, die dort der protestantischen zuteil geworden, während in dem dritten und größten eine Autorität zur Geltung kam, welche die königliche zu absorbieren trachtete.
Manchem wird es im Licht unserer Zeit kaum erlaubt scheinen auf die Frage zurückzukommen, inwiefern dem Worte, das Karl I. in den großen Augenblicken, die zwischen Jenseits und Diesseits liegen, wiederholt aussprach, »er sterbe als Märtyrer«, doch wirklich eine Wahrheit zukommt. Gewiß nicht in dem Sinne, in welchem man es gefaßt hat, als sei er eben nur ein Dulder gewesen, der für die erkannte Wahrheit gelebt und geblutet habe. Er war vielmehr ein Fürst, der sich für die Rechte seiner Macht, die er so persönlich faßte wie irgendein andrer, indem er sie bald zu erweitern, bald nur zu verteidigen suchte, mit allen Mitteln, die ihm zu Gebote standen, offenen und geheimen, im Rat und Feld, im Wortgefecht und mit blanken Waffen, sein Leben lang geschlagen hat und dabei erlegen ist.
Vergegenwärtigen wir uns noch das Charakteristische der verschiedenen Epochen seiner Regierung. Denn das Wesen eines Menschen erscheint nicht auf einmal; erst in den verschiedenen Phasen des Lebens entwickelt sich das Selbst und treten die Eigenschaften hervor, die seine Natur ausmachen. In den ersten Stadien seines öffentlichen Lebens erscheint Karl I., wie die meisten eintretenden Fürsten, von einem gewissen Wunsche populär zu sein durchdrungen. Von persönlicher Antipathie gegen Spanien ergriffen durchbricht er das System der innern und äußern Politik seines Vaters, das freilich manchem Tadel Raum gab, aber allseitig erwogen war, noch bei dessen Lebzeiten; nachdem er den Thron bestiegen hat, will er auf dem eingeschlagenen Wege fortgehen; dann aber empfindet er die Macht der Weltkräfte, die er zu bekämpfen unternimmt, und die Unzuverlässigkeit der Elemente, auf die er sich stützen will. In den auswärtigen Geschäften, namentlich den deutschen, vermehrt er nur das Unheil und die Verwirrungen; wir finden ihn mit den beiden großen Mächten, zwischen denen sein Vater hindurchzukommen suchte, auf einmal in Krieg; auch er bequemt sich endlich zu einer neutralen Stellung, indem er den Frieden mit denselben herstellt. Im Innern reifen die populären Grundsätze, die er wenigstens zum Teil anerkannt hat und dann doch nicht zur Geltung gelangen lassen will, zum vollen Bewußtsein ihrer Macht; er kommt in den Fall, den Zugeständnissen, die er ihnen öffentlich nicht verweigern kann, mit geheimer Protestation zu begegnen. In alledem erscheint er nicht einmal selbständig, mehr unternehmend und beweglich als von nachhaltiger Tatkraft; vor sich selbst gerechtfertigt, nicht vor der Welt, welche vor allem Festigkeit und Erfolge begehrt.
Es folgt die Epoche der Ruhe im Innern und des äußern Friedens. Der König wendet seine Tätigkeit kommerziellen Bestrebungen zu, seinen Geist beschäftigt er mit Literatur und mit Kunst