Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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Eben darin aber, daß endlich durchgreifende Veränderungen erreichbar schienen, lag für Cromwell der Beweggrund seines lebendigen Anteils an den parlamentarischen Verhandlungen. Zu den leitenden Männern der Versammlung gehörte er nicht; in der Debatte konnte er nicht glänzen, dazu fehlte es ihm an momentaner Beweglichkeit des Geistes und einer auf eine größere Anzahl Menschen von mannigfaltigen Stimmungen wirksamen Redegabe. Wie sehr aber irrt man, wenn man meint, er sei damals ohne Bedeutung und Einfluß geblieben!

      Impulse und Anregungen konstituieren aber noch lange kein öffentliches Leben; für Cromwell eröffnete sich eine seinen eigentümlichen Talenten entsprechende Laufbahn erst, als man von den Windungen der Kontroverse zum Waffenkampfe überging.

      Die großen exzeptionellen Stellungen in der Welt werden überhaupt nicht allmählich erworben; mehr durch instinktartiges Gefühl als durch Berechnung mag sie der Ehrgeiz ins Auge fassen; im Moment der Entscheidung bieten sie sich ihm plötzlich dar und werden dann mit einem Male in Besitz genommen. Durch den Sieg von Naseby wurde Cromwell Meister von England. Wer hätte es wagen können, ihn einer Illegalität zu zeihen, indem er von Sieg zu Sieg fortschritt und den großen Streit entschied, in welchem die Nation mit allem ihrem Tun und Denken begriffen war. Er war nicht General der Armee und im Parlament nichts weiter als ein Mitglied, aber er beherrschte die eine durch das Verdienst, das er um sie hatte, und sein persönliches Ansehen, und übte dadurch auf das andre einen maßgebenden Einfluß aus. Seine Position ward durch die zwiefache Grundlage, die sie hatte, von einer unvergleichlichen Stärke. Er war mit einem Schlage der mächtigste Mann von England geworden.

      Ihrer Natur nach strebt eine Autorität wie diese nach einer vollen freien Entwicklung, welche ihr die von ihr herabgedrückten, aber noch nicht eigentlich überwundenen Elemente ebenso notwendig bestreiten. Die Presbyterianer und der König trachteten sich gegen ihn zu vereinigen; es ist der zweite große Moment in Cromwells nunmehriger Laufbahn, wie er sie auseinanderhielt und darnach beide vollends niederwarf. Mit den eifrigen Presbyterianern, die in ihm ihren geschworenen Feind erblickten, hätte er sich nimmermehr verständigen können; leichter erschien ein Einverständnis mit dem König, dessen Ideen über religiöse Toleranz seinen Forderungen entgegenkamen. Cromwell zeigte ihm Sympathien, machte ihm Versprechungen, flößte im Vertrauen ein, trat mit ihm in eifrige Unterhandlung. Zum Abschluß aber gehörte zweierlei; einmal mußte die Armee mit der Annäherung einverstanden sein, und sodann hätte ihr der König nicht allein Sicherheit vor jeder Reaktion, sondern auch Fortdauer ihrer bevorzugten Stellung im Lande bewilligen müssen. Aber der Armee, die sich mit demokratischen Ideen erfüllt hatte, wurde der Führer selbst durch seine Unterhandlung verdächtig, als suche er nur durch irgendeine Abkunft für seine eigene Größe und die Zukunft seiner Familie zu sorgen. Von dem König aber war die Anerkennung einer selbständigen Aufstellung nimmermehr zu erreichen; was Cromwell ihm auch verheißen haben mochte, allmählich wandte er sich in offener Feindseligkeit von ihm ab.

      Faßte Cromwell aber den Gedanken, das Königtum zu stürzen, so mußten auch die parlamentarischen Männer fallen, welche mit demselben ein Abkommen zu treffen suchten, mochten sie früher seine Freunde gewesen sein oder nicht. Er erklärte es für eine Art von Glaubensakt – denn nur von ihrer täglich anschwellenden Wut gegen die Auserwählten Gottes leitete er ihr Verhalten her –, daß er das Parlament von ihnen reinigte. Das Oberhaus war aufgehoben, der König enthauptet; im Unterhause, welches nun als das Parlament erschien, wurden nur Männer von einer ähnlichen, allen Loyalitätsgefühls baren Gesinnung geduldet, die mit ihm gingen.

      Daß sie aber auf die Länge geduldet werden würden, war doch nicht zu erwarten. Weit entfernt, sich ihm unterzuordnen, behaupteten sie, die höchste Gewalt zu bilden, der vielmehr die Armee zu gehorchen habe. Als nun Cromwell von den Kriegszügen zurückkehrte, durch welche der Widerstand gegen die Republik allenthalben unterdrückt und die Autorität derselben zur Anerkennung gebracht wurde, wie sollte er den Besitz der von ihm gegründeten Gewalt solchen gönnen, welche ihm selbst Gesetze vorzuschreiben und seine Macht zu beschränken trachteten? Cromwell kehrte Vorwürfe hervor, welche die Mitglieder persönlich trafen und ihnen ihre Popularität gekostet hatten; doch war das nicht sein letzter Grund. Es ist etwas Wahres daran, was die Royalisten sagten: er habe sie vertrieben, um nicht selbst von ihnen gestürzt zu werden. Und wie hätte sich überhaupt eine militärische und eine zivile Gewalt, mit gleichem Anspruch, koordiniert nebeneinander behaupten sollen? Es war unvermeidlich, daß sie in Streit gerieten. Dann aber behielt mit Naturnotwendigkeit der General die Oberhand, nicht allein weil er die größere Macht besaß, sondern auch weil er zur Gründung des gesamten Zustandes das meiste beigetragen hatte. »Ein Heilmittel war notwendig,« ruft Cromwell einmal aus, »dies Heilmittel ist angewendet worden.« Es war die Annahme des Protektorats, das Ergreifen der bürgerlichen Autorität durch die militärische.


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