Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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was den Menschen vergnügen kann, erschien ihm eine geistvolle Konversation als der vornehmste Genuß. Seine Gemahlin288 verschafft ihm denselben durch sich selbst und ihre Umgebung, dadurch zuerst wird sie ihm wert. Zugleich kam er darauf zurück, das System seines Vaters auszubilden, die drei Reiche der kirchlichen Uniformität zu unterwerfen, die königliche Prärogative so weit festzustellen, daß kein Anwogen parlamentarischer Ansprüche sie erschüttern könne. Er erscheint würdig, ruhig, gebildet, aber auch zu gewaltsamen Repressionen, systematischem Drucke geneigt.

      Sowie nun aber die unveräußerlichen Rechte der Krone und nicht allein die politische Einwirkung, sondern der Bestand und der Besitz der bischöflichen Kirche angetastet sind, erheben sich in dem König die eingebornen Antipathien gegen die Anmutungen, die ihm gemacht werden, in aller ihrer Stärke. Von den zufälligen und wechselvollen Einflüssen der Hauptstadt frei, in dem Lufthauch entfernter Grafschaften, wo die alten Begriffe vom Königtum noch Leben haben, unter dem Einfluß seiner beleidigten, geflüchteten, aber aus der Ferne wirksamen Gemahlin entschließt er sich zu den Waffen zu greifen. Dann erscheint er mutvoll, kriegerisch, selbst nicht ohne strategisches Talent; er hat Erfolge, die ihn noch eine Wiederherstellung seiner Autorität hoffen lassen. Aber die Gegner sammeln nicht allein fremde Streitkräfte um sich, sondern in ihrer Mitte entwickelt sich eine noch weit über die ursprünglichen Tendenzen hinausgehende fanatische zugleich und militärische Partei. Der König trägt kein Bedenken, gegen die einen und die andern mit einem Eifer vorzugehen, der seine Kräfte übersteigt. Auf seine Weisung ist die Schlacht von Morstonmoor unternommen worden; er selbst hat entschieden, daß man bei Naseby den Angriff der Feinde nicht erwarten, sondern auf sie anrücken müsse. So unterlag er im Felde; in der Niederlage lösten seine Anhänger sich von selber auf.

      Jakob I. hatte von den Streitkräften seiner Gegner Zeit seines Lebens wahrscheinlich einen zu starken, Karl I. gewiß einen zu geringen Begriff, sowohl anfangs, als er den Kampf mit Spanien provozierte, als in der Zeit, wo er den Schotten seine kirchlichen Gesetze auflegen wollte. Unternehmungen, aus denen alle seine Verwicklungen entsprungen sind. Er kannte weder die Tiefe der berechtigten parlamentarischen Antriebe noch die Tragweite der einmal aufgeregten Gegensätze; er nährte die glänzendsten Hoffnungen, als er seinem Ruin am nächsten war. Denn er traute vor allem auf die innere Macht der Rechte und Ideen, die er verfocht. Wenig bedachtsam in seinen Unternehmungen war er doch in der Tiefe von gediegenem Geiste; nicht selten unentschlossen und unzuverlässig – wir wissen, wie er es liebte, zwei Sehnen an seinem Bogen zu haben –, verlor er doch nie die hohe Bedeutung seiner Sache aus dem Auge. Er neigte sich von Natur zu Konzessionen, aber weder die Drohungen der Gegner noch die Bitten der Vertrautesten konnten ihn dahin bringen, eine politisch-religiöse Linie zu überschreiten, die er mit Scharfsinn und Gewissenhaftigkeit wahrnahm. Die Grundüberzeugungen, auf denen die Verbindung der Krone mit der organisierten Kirche ruht, hielt er unerschütterlich fest.

      Im Unglück erscheint er nicht ohne moralische Größe. Es wäre ihm leicht geworden, sein Leben zu retten, hätte er den Schotten die ausschließende Herrschaft des Presbyterianismus in England oder den Independenten die faktische Unabhängigkeit der Armee, wie sie dieselbe begehrten, zugestehen wollen. Daß er das nicht tat, ist sein Verdienst um England. Hätte er sein Wort dazu gegeben, die bischöfliche Verfassung der Kirche aufzulösen und ihre Güter auf immer zu verkaufen, so läßt sich nicht absehen, wie sie jemals hätte wiederhergestellt werden können. Hätte er eine Ausstattung der Armee, wie sie in den vier Artikeln gefordert wurde, bewilligt, so würde die Selbstregierung der Korporationen und der Gemeinden, die spätere parlamentarische Regierung selbst unmöglich geworden sein. Insofern kann der Widerstand, den er leistete, nicht hoch genug angeschlagen werden. Der Umsturz der Verfassung, welchen die Independenten ganz offenbar unternahmen, brachte ihm vielleicht noch immer nicht deren letzte Intention, die Errichtung einer Republik, aber doch seine eigene Stellung ihnen gegenüber zum vollen Bewußtsein. Insofern ist allerdings etwas von einem Märtyrer in ihm, wenn ein solcher so genannt werden kann, der sein persönliches Dasein geringer anschlägt als die Sache, die er verficht und, indem er untergeht, diese für die Zukunft rettet.

       Karls I. Verurteilung und Hinrichtung 3, 330-336.

      34. Oliver Cromwell

       Inhaltsverzeichnis

      Englische Geschichte IV, Werke Bd. 17 S. 99-110. 202-204.

      Mit dieser Gesinnung verband sich in ihm wie in so vielen andern politische Opposition gegen die Regierungsweise Karls I. Bei Cromwell erscheint sie zunächst in lokalen Angelegenheiten. Unter anderm widersetzte er sich der Absicht der Regierung, die Stadtverfassung von Huntingdon zu verändern. Allenthalben auf größere Stabilität Bedacht nehmend wollte dieselbe statt der jährlichen Wahlen zum Gemeinderat Wahlen auf Lebenslang einführen; Cromwell stand an der Spitze derer, welche die liberalere Form jährlicher Wahlen behaupteten; er verfuhr dabei mit so ungewohnter Rücksichtslosigkeit, daß man ihn deshalb zur Verantwortung gezogen hat. Bei dem Geschäft der Austrocknung der benachbarten Marschen verfocht er mit gleichem Eifer das Recht der Stadt, welches man dabei für verletzt hielt. Große Erfolge ließen sich davon nicht erwarten, noch ward er selbst davon befriedigt; er gehörte zu denen, welche daran dachten, ihre Idee von bürgerlicher und religiöser Freiheit jenseit des Weltmeeres zu verwirklichen, als die Dinge in England eine Wendung nahmen, von der sich ein Umschlag auch im Mutterlande erwarten ließ. Bei dem Ansehen, in welchem seine Familie stand, und seiner persönlichen Haltung konnte es ihm nicht fehlen, bei den Wahlen im Herbst 1640 durchzudringen. Soviel man weiß, hatte er noch die besondere Empfehlung seines Vetters John Hampden für sich; er trat als Mitglied für Cambridge ein.

      Wäre es in dem Parlament auf regelmäßige Debatten gekommen, so würde Cromwell, der schon in den ersten Jahren Karls I. Parlamentsmitglied gewesen war ohne bemerkt zu werden, auch in diesem keine Rolle gespielt haben. Er fiel durch seine Erscheinung – vernachlässigte Kleidung, entflammte Gesichtsfarbe, landmannähnliche Haltung – fast als Sonderling auf. Mit schneidender Stimme brachte er Bemerkungen vor, durch


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