Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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bezeichnen wollte, so dürfte man sagen, daß in Frankreich der soziale Umsturz bereits so gut wie vollzogen war, als sich ein siegreicher General der Gewalt bemächtigte, in England dagegen die militärische Macht eingriff, ehe es so weit kam. Sie tat dem Fortgang der Bewegung Einhalt, sobald diese die Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft zu erschüttern begann. König, Lords und Parlament hatte Cromwell an der Spitze der Armee niedergeworfen und vernichtet; der politischen Verfassung des Reiches gegenüber erschien er als ein großer Zerstörer. Weiter aber wollte er nicht gehen. Sobald die Anhänger seiner Partei eine Richtung einschlugen, welche die bürgerlichen Zustände und das soziale Leben bedrohte, fanden sie in ihm ihren größten und wirksamsten Feind.294 Denn in dem Besitz der Macht, namentlich der militärischen, liegt die Notwendigkeit, die Grundlagen der gesellschaftlichen Ordnung, auf denen sie selbst beruht, zu erhalten.

      Vornehmlich mußte er die Institutionen, die mit den alten Zuständen verbunden waren, niederhalten. Von der Organisation der Aristokratie oder dem Bistum konnte so wenig die Rede sein wie von dem Königtum selbst. Am wenigsten meinte er den Katholizismus dulden zu dürfen. In dem politischen und religiösen Gegensatz gegen alle diese Elemente sah Cromwell den Zweck seines Daseins; er erblickte darin die Wohlfahrt des Landes, die Förderung der Religion und der Moral, aber auch zugleich seine eigene Rechtfertigung, wenn er nun, um seine Sache durchzuführen, dazu schritt, auch die Widersacher aus dem Schoß der eignen Partei zu bekämpfen. Er hielt für notwendig, alle Kräfte des Landes seinem Willen dienstbar zu machen. So hat er sich eine Gewalt gegründet, die kein Beispiel und keinen ihr entsprechenden Namen hat. Es ist gewiß, die großen Worte, von denen sein Mund überströmte, waren zugleich die Hebel seiner Macht, und nicht gegen diese ließ er sie gelten; aber ebenso gewiß ist: die oberste Gewalt war nicht sein Ziel an und für sich; sie sollte ihm dienen, die Ideen von religiöser Freiheit im protestantischen Sinne, bürgerlicher Ordnung und nationaler Unabhängigkeit, die seine Seele erfüllten, zu realisieren. Diese Ideen sah er nicht in subjektiver Genugtuung, sondern in ihrer objektiven Notwendigkeit.

      Eine Kraft von tiefem Antrieb, ureigner Bewegung, breiter Mächtigkeit, langsam und feurig, beständig und treulos, zerstörend und konservativ, die den ungebahnten Weg immer geradeaus vor sich hintreibt; alles muß vor ihr weichen, was ihr widerstrebt, oder es muß zugrunde gehen. Fragt man, was er ausgerichtet hat, was nach ihm blieb, so liegt das nicht in einzelnen Formen des Staates und der Verfassung. Es erhellt nicht einmal mit Bestimmtheit, ob er auf eine Fortpflanzung der Macht, die er selber besaß, Bedacht genommen hat. Weder sein Haus der Lords noch seine Commons waren von Bestand, weder die Armee, die er gegründet, noch die separatistischen Versuche, von denen er ausging. Die Zeiten haben das alles wieder weggetrieben. Dennoch hat er eine Wirksamkeit von folgenreichstem Inhalt ausgeübt.

       Zurückberufung Karls II. 4, 278-297. Charakter Karls II. 5, 373 f.

      35. Seekrieg zwischen England und Holland 1665 bis 1667

       Inhaltsverzeichnis

      Englische Geschichte V, Werke Bd. 18 S. 5-32.

      Nach dem Zusammenstoß mit Cromwell hatten sich Seemacht und Handel von Holland auf das mächtigste wieder aufgenommen. Man geriet in Erstaunen, wenn man einen Blick auf ihre Reeden und Hafenstädte warf, wie sich in Vließingen der westindische, in Amsterdam der ostindische Handel Europas beinahe zentralisierte, der schottisch-englische Handel Dordrecht und Rotterdam, der Heringfang Enkhuyzen, der Schiffbau Saardam belebte. Die Ostindische Kompagnie bildete


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