Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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der nächsten Sitzung des Parlaments, welche am Ende des September eröffnet wurde, beschloß man dennoch ihn fortzusetzen, und zwar mit um so mehr Anstrengung, weil der Kriegsmut des Feindes durch das Unglück gewachsen sein dürfte. Das Unterhaus votierte aufs neue eine ansehnliche Summe, 1 800 000 Pfund. Aber jedermann empfand doch, daß es sehr schwer halten werde sie zusammenzubringen; man sah in dem Beschluß mehr einen Ausdruck britischen Stolzes als wirklichen Ernst. Denn es kam nun doch dahin, was man in Holland vorausgesehen, daß die Kosten der Seerüstungen die innere Wohlfahrt der englischen Nation bedrohten. Die Überzeugung brach sich Bahn, daß der Friede notwendig sei.

      Der König hatte bereits nach einer entsprechenden Erwiderung der Holländer auf seine friedlichen Eröffnungen ihnen zu erkennen gegeben, worauf es ihm dabei ankomme, nämlich nicht auf Vorteile für das Haus Oranien, sondern vornehmlich auf Sicherheit des englischen Handels in Ostindien, und sie eingeladen, ebensogut jetzt wie einst zur Zeit Cromwells ihre Bevollmächtigten nach London zu schicken. Noch schien es möglich, die Interessen von Frankreich und Holland zu trennen, denn die Holländer fürchteten ihrerseits nichts mehr als die Eroberung der spanischen Niederlande durch Ludwig XIV., der ihnen dann mit seiner unwiderstehlichen Übermacht allzunahe kommen würde. Eigentlich in diesem Sinne schlossen sie damals eine Quadrupelallianz mit Dänemark, Lüneburg und Brandenburg ab, in die sie den Kaiser und Spanien aufzunehmen nur deshalb Bedenken trugen, weil sie mit Frankreich wieder England verbündet waren. Es wäre eine große Verstärkung der antifranzösischen Politik gewesen, wenn nun ein Friede zwischen Holland und England durch Vermittlung der von Ludwig XIV. bedrohten Macht zustande gekommen wäre. Auch haben die kaiserlichen und spanischen Gesandten dies Ziel eine Zeitlang verfolgt, aber in wirkliches Verständnis mit der Regierung Karls II. sind sie auch damals nicht getreten. Sie glaubten zu bemerken, wenn der König einmal Frieden habe, so würde er doch nicht daran denken, in die kontinentalen Irrungen einzugreifen, sondern sich nur mit der Befestigung seiner inneren Macht beschäftigen. Da schien ihnen die Fortdauer des Krieges noch fast vorteilhafter, weil er zugleich Frankreich und England miteinander in Entzweiung hielt. Wollte Karl II. zu einem Frieden mit Holland gelangen, so blieb ihm nichts übrig als die Vermittlung des Verbündeten der Holländer, des Königs von Frankreich, nachzusuchen. Das aber war bei der Lage der Dinge nur unter der einen Bedingung zu erreichen, daß er sich dem Vorhaben Ludwigs XIV. in bezug auf die spanischen Niederlande nicht entgegenstellte. Wie Karl nun einmal gesinnt war, verursachte ihm das wenig Skrupel; überdies machte es seine damalige Lage notwendig.

      Zunächst verpflichteten sich beide, binnen eines Jahres in keine den Interessen des andern zuwiderlaufende Verbindung zu treten. Ludwig XIV. behielt zu seinem Feldzug freie Hand; dagegen versprach er, seine Flotte, von der die Holländer unterstützt zu werden hofften, fürs erste in den Häfen zurückzuhalten. Zwischen den beiden Machten war über die Hauptsache bereits Einverständnis getroffen, als der Friedenskongreß zu Breda, welchen Ort Karl II. unter denen, die ihm vorgeschlagen waren, gewählt hatte, im Mai 1667 eröffnet wurde. Die Bestimmung, daß jeder Teil behalten solle was in seinem Besitz sei, wurde nun die Hauptgrundlage des Friedens zwischen England und Holland. Aber eine große Differenz trat dabei hervor: die Holländer wollten beides behalten, was sie in und was sie vor dem Kriege eingenommen hatten, namentlich die Insel Polaroon; Karl II. wollte seine alten Ansprüche, die zum Teil Ansprüche der ostindischen Kompagnie waren, nicht aufgeben. Im Laufe des Juni schien es, als ob daran noch alles scheitern könne. Und wie nun, wenn der ausbrechende Krieg in den spanischen Niederlanden, wo Ludwig XIV. im Anfang dieses Monats einrückte, die Interessen weiter umgestaltete und Frankreich ganz auf die Seite Englands trieb? De Witt täuschte sich nicht darüber, daß eine Verbindung zwischen beiden angebahnt wurde. In diesem Moment des Zusammentreffens so verschiedenartiger, noch nicht vollständig hervorgetretener, aber doch erkennbarer Tendenzen entschloß er sich zu dem kühnsten Unternehmen, das die Republik vielleicht überhaupt ausgeführt hat. Die vorgelegte Bedingung konnte und wollte er nicht annehmen, weil er dadurch die Differenzen sanktioniert hätte, aus denen der Krieg hervorgegangen war; er wollte sie auf immer abschneiden. Aber Frieden mußte die Republik haben, weil sie bei der ausbrechenden Irrung keinerlei Einfluß hätte üben können, wenn sie in einen andern Krieg verwickelt gewesen wäre. Er beschloß sich den Frieden zu erzwingen, und zwar unmittelbar durch einen Angriff auf England, welches damals die Herstellung seiner Flotte versäumt hatte.

      Auch ohne französische Hilfe besaßen die Holländer die Übermacht zur See. Eben in den Tagen, als die Franzosen siegreich in die Niederlande eindrangen, ging die holländische Flotte, 61 Kriegsfahrzeuge stark, gegen England in See; am 7./17. Juni war sie im Koningdiep am Ausfluß der Themse. Im Kriegsrat ward für tunlich erachtet, mit den leichtesten Schiffen in die Themse einzulaufen und den stolzen Feind im Mittelpunkt seiner Macht zu bedrohen. Die Engländer waren nicht im mindesten auf einen solchen Versuch vorbereitet. Den Holländern gelang es Sheerneß zu nehmen, dann fuhren sie weiter nach Chattam. Hier wurden sie allerdings von Kanonenfeuer empfangen, aber dem zum Trotz sprengten sie die Kette, die auf Rollen über den Fluß gezogen war, steckten nacheinander drei englische Kriegsschiffe in Brand, nahmen ein viertes und segelten bis nach Upnor. Man meinte, wären sie weitergegangen, so hätten sie vielleicht die Arsenale von England zerstören können. Was sie erreicht hatten, war genug, sie selbst zu befriedigen und dagegen den Engländern die Scham ins Gesicht zu treiben über eine Szene, die nie gesehen worden, seitdem die englische Flagge auf der See erschienen war.

      Für den Frieden war dies Ereignis entscheidend. Nachdem der eine her beiden englischen Bevollmächtigten noch einmal persönlich Rücksprache mit König Karl II. genommen hatte, wurde die Abkunft in den wesentlichen Punkten nach dem Sinne der Holländer unterzeichnet. Jeder von beiden Teilen sollte im Besitz der Länder und Ortschaften sowie der Schiffe und Güter bleiben, die er vor und in dem letzten Kriege weggenommen habe; alle Ansprüche aus dem Vertrage von 1662 wurden ausdrücklich aufgehoben. Sogar in bezug auf die Navigationsakte ließen sich die Engländer die Erläuterung gefallen, daß Holland deutsche Güter bei ihnen einführen könne. Der Friede gewährte den Engländern einen Vorteil von unermeßlicher Bedeutung; er ließ Neu-Niederland in ihren Händen, was ihrem nordamerikanischen Gebiet eine Kontinuität gab, ohne die es sich nie hätte entwickeln können. Was wollte der Verlust von Polaroon dagegen sagen? De Witt meinte, indem er diesen großen Erwerb anerkannte und die alten Streitigkeiten hob, aus denen der Krieg hervorgegangen war, den Frieden auf immer zu sichern. Für definitiv haben ihn die Engländer wohl keinen Augenblick gehalten. Der eigentliche Grund der Feindseligkeiten, der in der maritimen Eifersucht lag, ward durch das Unternehmen, das den Frieden herbeiführte, vielmehr verstärkt. Einen Angriff, der die Sicherheit von London gefährdete, konnte weder die Regierung noch selbst die Nation den Holländern vergeben.

       Dritter Krieg 1672-1674, Englische Geschichte 5, 106-113. Friedensschluß auf Verlangen des Parlaments 5, 130-141. England und Holland vereinigt durch die Berufung Wilhelms III. auf den englischen Thron 6, 176-180. 201; 7, 9.

      36. Wilhelm III., König von England

       Inhaltsverzeichnis

      Englische Geschichte VII, Werke Bd. 20, S. 290-293.


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