Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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eingerichtet hatte. Er selbst war erstaunt über seine Wirkung und trug Sorge sie zu stärken. Der König übernahm, die dienstunfähig Gewordenen zu versorgen. Diese großartige Einheit machte es erst möglich, dem militärischen Prinzip nach seinen inneren Notwendigkeiten gerecht zu werden. Wieviele für die Gesamtheit der Waffenübung zuträgliche Verbesserungen, wieviele für Disziplin und Führung unentbehrliche Dienstleistungen, welche den heutigen Armeen ihre Physiognomie geben, schreiben sich von Ludwig XIV. her. Die moderne Armee gelangte unter ihm zur Erscheinung. Auch die Marine ist unter ihm gestaltet worden; nach kurzer Abweichung ist die spätere Zeit auf die Einrichtungen zurückgekommen, die er gegründet hat.

      Die Administration empfing dadurch einen eigentümlichen Charakter, daß es für dieselbe eine Menge ererbter oder erkaufter, durch einen glänzenden Titel ausgezeichneter Ämter gab. Man hätte sie gern abgeschafft, zurückgekauft; da das nicht anging, so ließ man ihnen ihre Ehre, ihren Geldgewinn; vom Anteil an der Verwaltung aber waren sie ausgeschlossen. Die lokalen Autoritäten, Gouverneurs und Parlamentspräsidenten, Magistrate und Feudalherren bedeuteten nichts mehr neben den Intendanten, die in den Provinzen die oberste Gewalt in die Hände nahmen, und ihren Unterbeamten, den Kommissären, Inspekteurs, welche alles Wesentliche der Geschäfte besorgten. Mochten z. B. die Schatzmeister von Frankreich auch den Titel Voyers, Aufseher der Wege führen: die Sorge für die Straßen fiel den Ingenieurs zu, welche von den Intendanten eingesetzt wurden.

      Der Unterschied der beiden Klassen ist, daß die erste einen Rechtstitel hatte, der ihr eine gewisse Unabhängigkeit verlieh, die Beamten der zweiten jeden Augenblick abgesetzt werden konnten. Denn eine andre Rücksicht als Tauglichkeit zum Dienst und unbedingter Gehorsam sollte nicht mehr gelten. Es war das System Richelieus, gegen das man sich in der Fronde erhoben hatte, das aber siegreich geblieben und dann von Ludwig XIV. vollkommen durchgeführt war. An der Spitze dieser Hierarchie standen die Minister, deren nach unten hin unbedingten Gehorsam erzwingende, von dem Monarchen aber ebenso unbedingt abhängige Autorität in der langen Regierung Ludwigs XIV. erst Wurzel geschlagen hatte. Sie waren allmächtig, aber jeden Augenblick absetzbar.

      Die Vorkämpfer der Privilegien des Adels haben geklagt, die Unterordnung des Dienstes sei dazu erfunden worden, um das Vorrecht der Geburt herabzuwürdigen; sie können sich nicht darüber zufrieden geben, daß die Großen des Landes von der obersten Regierung ausgeschlossen, daß die vornehmsten Edelleute den Intendanten untergeordnet sind; sie sehen darin fast eine absichtliche Erniedrigung des Adels unter den dritten Stand. Das war nun aber einmal das Resultat der historischen Entwicklung. Die Teilnahme an der höchsten Gewalt war den Großen des Reichs in langem Kampfe abgerungen worden; wie hätte man darauf kommen sollen, sie ihnen zurückzugeben?

      Das Prinzip, von dem man ausging, war kein andres, als welches schon unter Ludwig dem Heiligen gegolten: die allgemeinen Interessen, deren Träger das Königtum ist, denjenigen gegenüber aufrechtzuerhalten, die durch ihren Stand darüber erhaben zu sein glaubten. Der Staat mußte eine ihm eigene lebendige Repräsentation haben. Aber unleugbar ist doch, daß es für den dritten Stand als solchen von Bedeutung war, wenn die Ausübung der höchsten Gewalt an Männer kam, die ihm angehörten und ihm zugerechnet wurden, ob sie schon Adelstitel trugen.


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