Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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der germanischen Welt eine neue Schöpfung. »Die Erde ist wieder angebaut,« sagt der Kronprinz in einem Briefe von 1739 an Voltaire, »das Land bevölkert; wir haben mehr Städte als jemals früher, und der Handel kommt in Blüte. Der König hat es weder an eigener Mühe noch an dem, was andre antreiben kann, fehlen lassen; keinen Aufwand hat er gespart; Hunderttausende denkender Wesen verdanken ihm ihr Dasein oder ihr Glück.« Auch noch andre Agrikulturunternehmungen hat der König in Ostpreußen versucht, oft freilich mit größerem Aufwände als Erfolg. Es machte ihn zuweilen unglücklich, wenn er bedachte, daß in den fünf Jahren 1722-27 über drei Millionen Taler nach Preußen gegangen, was er anderswo mit dem Gelde geschafft haben würde, und wie wenig dort damit ausgerichtet sei.

      Doch wurden die übrigen Provinzen mit nichten verabsäumt. Im Jahre 1724 wurde auf einmal in zehn vorpommerschen Städten mit königlicher Beihilfe gebaut; Häuser und Tore erhoben sich in Stettin, der Hafen von Colberg, die Fährschanze von Anklam wurden instand gesetzt. Kleve und Mark empfingen Beihilfe zur Erweiterung der Städte Krefeld, Sonsbeck, Iserlohn und zum Behuf ihrer Wasserwerke und Salzsiedereien. Neuanbauende finden wir besonders zahlreich im Bezirk von Magdeburg, in dieser Stadt selbst, in Genthin, Schönebeck, Salze; eine pfälzische Kolonie ward daselbst angesiedelt. Bis 1732 sind überhaupt zwei Millionen auf Zivilbauten verwendet worden, welche jeder Provinz nach ihrem Bedürfnis zugute kamen. Wieviele Städte der Kurmark haben, besonders wenn ein Brandunglück eintrat, wie so häufig, zu besserem Aufbau unterstützt werden müssen! An andern Stellen wurden die Dämme verbessert, z. B. bei Spandau, Fehrbellin. Ein in seiner Art vortrefflich gelungenes Werk war die Urbarmachung des Havelländischen Luchs, wo die wilden Gewässer, die das Land sieben Meilen weit bedeckten, durch ein paar große Kanäle, mit vielen Binnengräben und mehr als dreißig ansehnlichen Dämmen, gebändigt und den Elementen der für eine holländische Musterwirtschaft eben geeignete Boden abgewonnen wurde.

      So ward nun auch der Hauptstadt eine Sorgfalt ohnegleichen gewidmet. Die Friedrichsstadt, welche von Friedrich I. schon zu einem ansehnlichen Umfang gebracht war, wurde um die Hälfte erweitert. Die großen Plätze in der Mitte der Stadt und an den drei Toren, die schönsten Paläste in der Wilhelmsstraße, einige vortrefflich gelegen zwischen Hof und Park, mit geräumigen hohen Zimmern und großen Sälen, die das Maß nicht überschreiten und eine solide Wohlhabenheit atmen, die meisten mit weiten und schattigen Gartenanlagen versehen, sind das Werk dieser Zeiten. Im Gedächtnis der Menschen, das erduldete Leiden nicht leicht vergißt, sind besonders die Zwangsmaßregeln geblieben, die zur Erbauung der Straßen angewendet wurden, und bei dem ohnehin mit Mühseligkeiten erfüllten Dasein der meisten Menschen sind sie vielen ohne Zweifel unendlich beschwerlich gefallen; aber ebenso wahr ist, daß der König wieder mit eigener Anstrengung zu Hilfe kam. Viele Millionen von Mauersteinen, zuweilen auch Kalk und Holz sind den Anbauern geliefert worden. Zu gleicher Zeit wurde Potsdam um drei Viertel seines früheren Umfanges erweitert. Ganze Wälder wurden in die tiefen Moräste getrieben, um die Quarres darauf zu errichten, worin die Soldaten des großen Regiments Wohnung finden sollten: Häuser von derselben Höhe, Form und Farbe; jede Abwechselung wäre gleichsam Willkür gewesen, da der König allein baute und überall dasselbe Bedürfnis obwaltete. Dort in der Kirche, welche er für die Garnison errichtete, ließ er ein Gewölbe mit Marmor auslegen, darin er selber begraben sein wollte, in der Mitte seiner militärischen Stiftung, nicht bei seinen Altvordern im Dom zu Berlin.

      Will man von der verwaltenden Tätigkeit Friedrich Wilhelms einen Begriff bekommen, so muß man die Akten ansehen, worin er den Eingaben seiner Behörden oder den Vorstellungen von Privatleuten seine Entscheidungen beigefügt hat. Zuweilen, wiewohl selten, sind sie ziemlich ausführlich; sie sind auf ungewöhnlich starkes blaugraues, doch für die Feder nicht unbequemes Papier hingeworfen, auf ganzen Bogen, in ungraden Linien, mit großen, kaum zu entziffernden Schriftzügen, in wildgewachsener Orthographie, regelloser Satzbildung, aber in der Sache zum Ziele treffend, gesund im Kern; auch die flüchtigsten Worte enthalten seinen Gedanken und Sinn. Mit Recht weist er einmal den Kronprinzen an, in seinen Marginalien die Landesverwaltung zu studieren. An den einzelnen Dingen entwickelte sich die Behandlung derselben, die mehr auf lebendigem Begriff als auf einem vorher angenommenen Grundsatz beruhte.


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