Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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sein werde, zuvörderst nur die gemeinschaftliche Besetzung des nächsten Tores zu bewilligen; erst wenn er von einer überlegenen Macht angegriffen, sich daselbst nicht mehr behaupten könne, solle er das Recht haben, mit seinen Truppen in die Stadt aufgenommen zu werden. Bei allem Anschein und aller Neigung zu Widerstand und Eigenwillen kamen doch, wie berührt, Stände und Städte in Schlesien in der Regel dem nach, womit es der Regierung ernst war. Der damalige Rat von Breslau hatte es noch besonders zu seinem Grundsatz gemacht, allen Hader mit der Regierung zu vermeiden; er stimmte ohne weiteres ein. Einige Schwierigkeit hatte es mit den Vorstehern der Bürgerschaft, ohne welche der Rat nichts festsetzen konnte; doch wußte man auch diese zu gewinnen, indem man sie paarweise in die Ratsstube berief. Erst als die Sache an den Ausschuß der Bürgerschaft, Zunft und Zechen, und an die Bürgerschaft selber kam, begann der Widerstand.

      Noch einmal erhob sich hier jener Geist der städtischen Gemeinden, der sich schon seit dem 14. Jahrhundert den Eingriffen der geistlichen Macht nachdrücklich widersetzt und im 16. der großen Bewegung der Reformation Bahn gemacht hat. Die Bürger wollten von der Aufnahme einer königlichen Besatzung nichts hören, deren Anwesenheit sie ihrer kirchlichen und politischen Freiheit auf einmal berauben könne; sie seien sagten sie, nicht gesonnen sich dem Übermut der Feldtruppen, von denen sie bisher bloß gehört, nun auch selber auszusetzen; überdies welch ein hoffnungsloser Gedanke, eine preußische Belagerung aushalten zu wollen; Breslau sei nur ein verwahrter Handelsplatz und keineswegs eine Festung. Besonders führte ein Schuhmacher namens Döblin das große Wort, ein geistlich angeregter Mann, dem aber übrigens der Lärm des Marktes oder ein munteres Gelag besser behagten als der Fleiß der Werkstatt. Die meiste Wirkung brachte er, wie sich denken läßt, auf die jungen Bürger hervor. Die mutigsten von ihnen begaben sich auf das Rathaus, »straußten hart«, wie ein altes Tagebuch sich ausdrückt, nicht allein wider den Rat, sondern auch wider ihre eignen Vorsteher, und bewirkten, daß das Beschlossene zurückgenommen und die Verteidigung der Stadt auch für den Fall eines Angriffs den Bürgern allein übertragen wurde. War die evangelische Bürgerschaft hiefür so entschieden und feurig, so erklärten sich doch auch die katholischen Geistlichen nicht dagegen. Sie wünschten die Vorstädte, in denen es so manche Klöster und Kirchen ihrer Konfession gab, nicht um einer Belagerung willen dem Feuer übergeben zu sehen.

      Hierauf begann man in Breslau die städtische Rüstung. Die jungen Leute wurden aufgeschrieben, aus den Zeughäusern mit Waffen versehen, kriegerischen Übungen unterworfen; man sah neben den Soldaten der Stadt auch Bürger die Wache beziehen; Bekanntmachungen erschienen, wie, wenn das fremde Volk anrücke, ein jeder mit Ober- und Untergewehr sich bei den Bürgerkapitäns einfinden, die rote Fahne aufgezogen, Feuer gegeben werden solle. Wir wollen nicht erörtern, ob diese Bürgermiliz überhaupt dazu angetan war, gegen die heranrückende preußische Kriegsmacht etwas auszurichten; sicherlich war das Prinzip, aus dem sie hervorging, mehr annähernder als feindlicher Natur. Auch fühlte sich König Friedrich bei den Nachrichten aus Breslau angetrieben, so rasch wie möglich dahin zu eilen. Eben trafen noch einige von den beorderten Regimentern ein, und er konnte dem Prinzen von Anhalt, der stark genug dazu blieb, die Blockade von Glogau überlassen.

      Am Neujahrstag 1741, eines Sonntags, am Morgen langte der König mit den Truppen seines linken Flügels, zu dem auch Dragoner und Grenadiere von dem rechten gestoßen waren, vor den Wällen von Breslau an. Seine Aufstellung war darauf berechnet, daß der volkreichen Stadt die Zufuhr abgeschnitten werden konnte. Im Notfall war er entschlossen, mit seinen Grenadieren einen Sturm gegen die wenig wehrhaften und jetzt durch die zugefrorenen Gräben nicht mehr geschützten Wälle zu unternehmen.

      Aber die Bürger von Breslau dachten an keine Feindseligkeit. Den Heranrückenden schickten sie Lebensmittel in die nächsten Dörfer entgegen; mit Wohlgefallen sahen sie von den Türmen und Wällen zu, wie die brandenburgische Kriegsmacht in ihrer Ordnung auf dem Schweidnitzer Anger aufmarschierte und sich unter ihren Fahnen und Standarten nach den verschiedenen Vorstädten verteilte. Mit besonderer Teilnahme bemerkt die Chronik, wie S. Maj. Fridericus II. an jenem Sonntag um halb neun Uhr herangeritten kam und in dem Scultetischen Garten seine Wohnung aufschlug. Seine militärische Umgebung in ihren knappen Monturen, mit den funkelnden Gewehren erregte die Bewunderung der Menge.

      Es kostete der Stadt kein langes Bedenken, daß sie die Neutralität einging, welche der König anbot, wobei er sich nur vorbehielt, in einer Vorstadt ein Magazin anlegen und von seinen Truppen beschützen zu lassen. Jedoch den Dom entriß er der Besatzung der Königin; er selber war bei dem ersten Einmarsch. Den Geistlichen, die ihm bei der Kreuzkirche zitternd ihre Schlüssel überreichten, sprach er freundlich Mut ein. Man könnte fragen, ob er nicht besser getan haben würde, sich seiner Übermacht zu bedienen und zu einer militärischen Okkupation auch der Stadt zu schreiten. Noch hielt er aber an dem ursprünglichen Gedanken einer soviel möglich friedlichen Besitznahme fest. Hat er doch abgeschlagen Schutzwachen zuzugestehen, weil man diese nur in einem feindlichen Lande zu erteilen pflege. Schon die Neutralität und seine Aufnahme in der Stadt bot ihm einen unendlichen Vorteil dar.

      Unaufgehalten hatte indes auch Schwerin an der Spitze des rechten Flügels die fleißigen und gewerbreichen Städte, die sich am Fuße des Riesen- und Eulengebirges hinziehen, eingenommen; am 7. Januar finden wir ihn in Frankenstein. Allmählich jedoch, je weiter man in diesen oberen Gegenden vorrückte, wo die Landbevölkerung bereits katholisiert war, stieß man auch auf Gegenwehr. Ein Versuch auf Glatz, von welchem der König sich viel versprach, weil das Land noch offen sei, mußte aufgegeben werden. Man fand die Brücken abgebrochen, die engen Pässe durch Verhaue gedeckt und durch Waldschützen verteidigt, gegen die in dieser Jahreszeit nichts auszurichten war, und vernahm daß Glatz selbst in gute Bereitschaft gesetzt sei.

      Leicht war dann die Stadt Ottmachau besetzt, aber das alte Schloß auf seiner terrassenförmig aufsteigenden Anhöhe, mit gewaltigen Ringmauern versehen, behauptete sich, bis der König selbst erschien und die Grenadiere seiner Mörser ansichtig wurden. Hierauf, am 12. Januar ergaben sie sich zu Kriegsgefangenen; früher waren ihnen bessere Bedingungen angeboten, doch wollte der König diese jetzt nicht mehr gewähren.

      Kurze Zeit waren Friedrich und Schwerin vor Neiße beisammen; gleich darauf trennten sie sich wieder. Der König unternahm einen Angriff auf Neiße. Wenn man von ernstlichem und nachdrücklichem Widerstande reden will, so ist ihm ein solcher zuerst eben hier geleistet worden. Oberst Roth, derselbe, welchem der Dom von Breslau hatte anvertraut werden sollen, jetzt zum Kommandanten von Neiße ernannt, hatte die Bürger den Eid der Treue erneuern lassen und kein Bedenken getragen die Vorstädte sämtlich dem Feuer zu übergeben. Hierdurch ward der Ort wirklich haltbar; den auffordernden Trompeter wies man mit Flintenkugeln zurück. Diesen Trotz hoffte der König durch ein Bombardement zu brechen, und einige Tage ist Neiße sehr ernstlich beschossen worden. Auch war das Feuer nicht ohne Wirkung; nur eine solche brachte es nicht hervor, welche zur Übergabe genötigt hatte. Und da nun auch der


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