Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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Unglück, das uns nicht trifft; das Gute, was wir erleben, müssen wir genießen, der Hypochondrie und Trauer nicht erlauben, das Gefühl der Bitterkeit über unser Vergnügen zu gießen. »Ich habe den Rausch des Ehrgeizes überwunden; Irrtum, Arglist, Eitelkeit mag andre berücken; ich denke nur noch daran, mich der Tage, die der Himmel mir gegeben, zu erfreuen, Vergnügen zu genießen ohne Übermaß und soviel Gutes zu tun, als ich kann«.378 Besonders dieser letzte Wunsch erfüllt seine Seele.

      Unter allen Dichtern liebte er Racine am meisten, den er weit über Voltaire stellte, nicht allein der Harmonie und Musik seiner Sprache, sondern auch des Inhalts wegen. Auf seinen Reisen im Wagen las er ihn immer aufs neue und lernte ganze Stellen auswendig. Von allem aber, was dieser Dichter geschrieben hat, machte nichts größern Eindruck auf ihn als die Szene im vierten Akt des Britannicus, wo Burrus dem jungen Nero vorstellt, daß die Welt »das öffentliche Glück den Wohltaten des Fürsten« verdanken könne, daß ein solcher sich sagen dürfe, überall in diesem Augenblicke werde er gesegnet und geliebt! »Ah!« rief Friedrich aus, »gibt es etwas Pathetischeres und Erhabneres als diese Rede; ich lese sie nie ohne die größte Rührung.« Er muß das Buch weglegen, Tränen ersticken seine Stimme; »dieser Racine«, ruft er aus, »zerreißt mein Herz.« Eine Weichheit, die niemand in ihm suchen sollte, der nur seine Kriege und seine strenge Staatsführung kennt, und die doch mit dieser wieder in genauem Zusammenhange steht.

      Was macht den Menschen, als der innere Antrieb und Schwung seines moralischen Selbst? Wir wollen nicht sagen, daß jene Stimmung die vorherrschende, daß Friedrich nicht von dem Gefühl des geborenen Königs fortwährend durchdrungen gewesen sei, aber er ging nicht darin auf. Die Reflexion, daß er es auch nicht sein könne, die Neigung selbst, einem andern Beruf zu leben, schärfte sein Pflichtgefühl für diesen, der ihm durch Geburtsrecht zuteil geworden. Wir mögen es nicht unerwähnt lassen, was er selber sagt, daß er oft lieber der Morgenruhe noch genossen hätte; aber sein Diener hatte den bestimmtesten Befehl, sie ihm nicht länger zu gönnen; der Grund, welchen Friedrich angibt, ist, daß die Geschäfte sonst leiden würden. Er bekennt einmal, es mache ihm größeres Vergnügen sich mit literarischen Arbeiten zu beschäftigen, als mit der Verwaltung der laufenden Geschäfte; aber er fügt hinzu, daß er darum diesen doch keinen Augenblick der Tätigkeit und Aufmerksamkeit entziehen würde, denn dazu sei er geboren, sie zu verwalten.

      Das Zurücktreten des religiösen Begriffes mußte in einer energischen Natur das Bewußtsein des weltlichen Berufs um so lebendiger hervorrufen. Die Seele ist dann nicht durch das Gefühl des universalen Zusammenhanges des Geistes gehoben, der auch dann noch genug tut, wenn die Erfolge den Absichten nicht entsprechen; es liegt etwas Trockenes, Beschränktes darin, aber um so geschärfter wird der praktische Sinn, da man des Erfolges bedarf. Der Geist der Zeit kam dem Könige Friedrich mit der gleichen Tendenz entgegen und förderte sein Tun. Auch in der Erfüllung der Pflicht an sich liegt eine unendliche Befriedigung.

      Um sich dazu fähig zu machen, hielt es Friedrich für nötig, die Menschen, wie er es einmal selbst nennt, zu studieren, besonders diejenigen, die ihm entweder als Werkzeuge dienten oder der Gegenstand seiner Sorgfalt waren. Unter seinen Untertanen unterschied er die feinen und gelenken Preußen, deren Gewandtheit jedoch besonders innerhalb ihrer Grenzen leicht in Fadheit überschlage, von den naiven und geraden Pommern; die Kurmärker stellte er weder den einen noch den andern gleich, das Wohlleben gelte ihnen zuviel, in Geschäften seien sie selten mehr als mittelmäßig. Lebhafteren Geist besitze die Magdeburgische Ritterschaft, mancher große Mann sei aus ihr hervorgegangen; den Niederschlesiern fehle es an einem Prometheus, der sie (durch Erziehung) mit dem himmlischen Feuer erfülle; Anstrengung und Arbeit sei bisher noch nicht ihre Sache, sondern eher Genußliebe, gutmütige Titelsucht. Auch in Minden und der Grafschaft Mark fehle es nur an Erziehung und Übung, nicht an Talent; am wenigsten entsprach Kleve seinen Wünschen. Er suchte sie alle zu heben und dadurch zu vereinigen, daß er die provinzialen Bezeichnungen vor der allgemeinen als Preußen Verschwinden ließ; besonders machte er diese im Felde geltend.

      Zu dieser Mannigfaltigkeit der Befähigung kam nun aber eingehende Rücksicht auf die vorgelegten Gründe, der ernste Wille die Sache recht zu machen. Nicht alles ward auf der Stelle, beim ersten Vortrag entschieden. Wenn die Kabinettsräte nach demselben sich entfernt hatten, griff Friedrich zu seiner Flöte; doch war seine Seele


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