Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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sagen lassen, er möge sich zum Kampfe einstellen, damit an den Tag komme, was im Schoße des Schicksals verborgen sei. Dazu sind die großen Kriege bestimmt, nach dem Maße der Kraftentwicklung und intellektuellen Führung jedes Teiles die Schicksale der Welt weiter zu bestimmen.391

      Die Franzosen der alten Schule, welche etwas von der deutschen Geschichte wußten, sahen in Friedrich einen neuen Gustav Adolf, der aber zugleich ein Deutscher sei. Außer diesem Unterschied, der allerdings von historischer Bedeutung ist, denn jetzt brauchten die deutschen Protestanten keinen fremden Beschützer mehr, bestand aber noch ein andrer, der darin lag, daß Gustav Adolf mit Frankreich gegen Österreich verbündet war, Friedrich aber sowohl Frankreich wie Österreich zu bekämpfen hatte. Noch eine dritte Macht sollte sich diesen beiden zugesellen und ein allgemeiner Kampf beginnen, der über das Sein oder Nichtsein Preußens entscheiden mußte. Durch den Krieg, welcher damit ausbrach, sind keine territorialen Veränderungen hervorgerufen worden: eben darin lag der große Erfolg, daß das nicht geschah und daß sich der Staat, zu dessen politischer Vernichtung die Mächte des Kontinents verbunden waren, in seinem vollen Bestand behauptete.

      Die Verteidigung selbst gab ihm ein hohes Ansehen in der europäischen Staatenwelt. König Friedrich wurde, indem er sich verteidigte, zum großen Manne des Jahrhunderts. Die folgenden Generationen empfingen daher die fortwährenden Impulse, die aus dem Gefühl einer ruhmvoll bestandenen Gefahr und der geretteten Unabhängigkeit entspringen. Ein Unglück ohnegleichen, das den preußischen Staat in dem folgenden Zeitraum traf und ihn in einen Ruin, wie er im Jahre 1756 beabsichtigt war, wirklich verwickelte, ist dadurch zu der Epoche geworden, in der sich derselbe verjüngte, so daß er in steter Kontinuität von lebensvoller Arbeit endlich zu Erfolgen gelangt ist, wie sie die Welt ebenfalls noch nicht gekannt hat.

      44. Der Feldzug von 1760

       Inhaltsverzeichnis

      Zur Geschichte von Österreich und Preußen, Werke Bd. 30 S. 347-364.

      In den Winterquartieren nach dem Feldzuge von 1759 war Friedrichs erste Sorge gewesen, die Armee soviel wie möglich wiederherzustellen. Ein großes Hilfsmittel fand er in den Rekonvaleszenten von Kunersdorf; sie bildeten den Kern der neuen Formationen, die größtenteils aus Ausländern bestanden. Der Abgang von Offizieren wurde aus den Garnison-Regimentern ersetzt. Der Nachwuchs aus den Eingebornen zeigte sich von trefflicher Beschaffenheit. Viele aus den Kantons ausgehobene pommersche und märkische Bauernsöhne hatten zwar noch keine Feinde gesehen, aber bald belebten sie sich mit kriegerischem Sinn und Mut; sie taten es bei jeder Gelegenheit den alten Kriegern gleich.

      Die innere Landesverwaltung befand sich in der schwierigsten Lage. Wohl bot die preußische Administration für einen kurzen Krieg die erforderlichen Hilfsmittel dar, aber für eine Reihe von Feldzügen hatte sie nicht die notwendige und unentbehrliche Nachhaltigkeit. Der alte Schatz war verbraucht; man schritt zu Münzverschlechterungen, welche aber den inneren Verkehr lähmten. Die Pensionen wurden nicht mehr gezahlt, auch die Gehälter hielt man inne; alles Geld floß in die Kriegskasse zusammen. Das ganze Staatsleben war davon abhängig, wie die Würfel des Krieges fallen würden. Mit allen Anstrengungen aber brachte man die Armee doch nur auf 70 000, etwas später auf 90 000 Mann, während die Österreicher allein 130 000 und mit ihren Verbündeten zusammen gegen 300 000 ins Feld stellen konnten.

      Der Anfang des Feldzugs, der sich bis in den Juni verzog, war mit einem neuen großen Unfall des Königs bezeichnet, der ihm gutenteils ebensowohl zur Last fällt wie die Überlieferung von Dresden und die Kapitulation von Maxen. Es ist die Überwältigung der Preußen bei Landshut. Doch trägt dieses Ereignis am meisten den Charakter der preußischen Disziplin und Waffenführung überhaupt. Der König war in Sachsen festgehalten; General Fouqué, in der Besorgnis, daß Laudon, der Anfang Juni in Schlesien eindrang, Breslau angreifen würde, verließ den Posten von Landshut, um die schlesische Hauptstadt und Schweidnitz zu decken. Aber dadurch bekam nun Laudon freie Hand gegen Glatz, und der König, der auf die Position von Landhut den größten Wert legte, ungehalten daß Fouqué dieselbe verlassen, befahl ihm in gebieterischen Ausdrücken den Posten wiedereinzunehmen. General Fouqué wußte recht wohl, welche Gefahr ihm bevorstehe, wenn er nach Landshut zurückgehe. Aber das war nun das Prinzip, daß der Befehl des Königs ohne alle Weigerung auf der Stelle in Ausführung gebracht werden müsse; die gesamte Staats- und Heeresordnung beruhte darauf, Fouqué gehorchte nicht allein, sondern er gab dem König noch besonders das Wort, den Posten bis aufs äußerste zu verteidigen. Niemals wurde ein Versprechen besser gehalten.

      Die wieder eingenommene Stellung zu behaupten wären 40 000 Mann erforderlich gewesen; Fouqué hatte nur 10 400, die nun von einer vierfachen Übermacht und von dem geschicktesten der österreichischen Generale, Laudon selbst, angegriffen wurden. Man kann nicht ohne Bewunderung lesen, mit welcher Tapferkeit eine Höhe nach der andern verteidigt und dann unter stetem Widerstand geräumt wurde, bis nur noch eine übrig war, auf welcher der General selbst sich befand. Man berichtet, daß auch in diesem bedrängten Moment die Preußen sich mit derselben Sicherheit bewegten, wie bei dem Manöver einer Revüe. Der General gehörte noch der Schule des alten Dessauers an, bei dem er als Kadett seine militärische Erziehung genossen hatte. Die fernere Ausbildung verdankte er dem Umgang und dem Beispiel des Königs, der ihn als Freund behandelte und dem er eine unbedingte Ergebenheit widmete. Von Natur war er zurückhaltend, ernst, selbst finster, wegen seiner Strenge gefürchtet und gehaßt; die ritterlichen Tugenden, die man an ihm rühmt, erschienen in soldatischen Formen. Er war von der tiefen Religiosität, welche die menschlichen Handlungen mit dem Ewigen verbindet.

      wenn sie auch ihren Untergang dabei voraussahen. Ihre Gesinnungen sind gleich ehrenwert.

      Für König Friedrich hatte das Ereignis zunächst die Folge, daß er in Person nach Schlesien gehen mußte, unter Umständen, die ihm selbst sehr bedenklich schienen. Dem Prinzen Ferdinand von Braunschweig schrieb er am 29. Juni 1760, er dürfe sich nicht wundern, wenn er in kurzem schlechte Nachrichten von ihm erhalte. Am 17. August aber konnte er demselben die Nachricht geben, daß er »Dank dem Himmel« einen großen Vorteil über den Feind davongetragen habe. Seit seiner Ankunft in Schlesien habe er alles mögliche getan, um Schweidnitz oder Breslau zu erreichen, »aber alle Mühe«, sagt er, »war vergeblich; an der Stellung der Österreicher und der Wachsamkeit Lascys und Laudons scheiterten alle meine Pläne. Von den Russen gedrängt, die nicht nach Schlesien vorrücken wollten, wenn die Österreicher nicht erst eine Schlacht gewonnen hatten, beschloß Daun mich anzugreifen. Laudon sollte auf den Höhen von Liegnitz zu meiner linken Flanke Stellung nehmen, während mich Daun in der Front angreifen würde. Von dieser Absicht unterrichtet, besetzte ich die Höhen von Pfaffendorf, welche Laudon einnehmen wollte.« Wir wiederholen hier einfach die Nachricht, die Friedrich dem befreundeten Herzog gab. Um sich die Vorfälle des Kampfes lebhaft zu vergegenwärtigen, muß man einmal den Kirchturm von Liegnitz besteigen. Friedrich stieß nun mit Laudon zusammen, der soeben heranzog; indem er die erforderlichen Anstalten traf, um Daun an seiner Stelle festzuhalten, schlug er mit Laudon und ward desselben so vollkommen Meister, daß dieser


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