Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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sondern auch für ein paar Feldzüge bereitzuhalten, so mußte ein beträchtlicher Teil der finanziellen Erträge in einen Schatz, der dazu hinreichen konnte, vereinigt werden.411 Dabei ward doch die Idee des Privatlebens, die späterhin auf dem Kontinent fast abhanden gekommen ist, möglichst gewahrt; die Bevölkerung sollte nicht durch das militärische Bedürfnis erschöpft werden, was ja die Selbständigkeit des Landes in andrer Hinsicht gefährdet hätte. Seine Kriege wollte Friedrich mit dem Überschuß der Kräfte des Landes führen, ohne damit den friedlichen Einwohnern in ihrer Behausung oder ihrem Gewerbe zur Last zu fallen. Er behielt die Staatsverwaltung, wie sie sein Vater mit Umsicht und Sinn eingerichtet hatte, im ganzen bei; er scheute sich an die bürgerlichen Verhältnisse zu rühren; auch die religiöse Organisation ließ er seiner Skepsis zum Trotz bestehen, wie er sie vorfand. Ideen einer allgemeinen Reform lagen ihm ferne, aber innerhalb des Kreises der herkömmlichen Regierungsgewalt folgte er nur seinen eigenen Intentionen, die er mit rücksichtsloser Beharrlichkeit festhielt: unter allen Umständen sollte die Verwaltung die für das Heer und seine Kriegsbereitschaft erforderlichen Mittel liefern. Er verband gerechte Landesväterlichkeit und wohlwollende Fürsorge mit einseitig durchgreifender Unordnung, die nicht immer ihr Ziel erreichte, und eisernem Gebot.

      Der preußische Staat bildete das eigentümlichste Ganze, in welchem ein Moment das andre bedingte, eins in das andre eingriff, alle zu dem Zwecke der Macht zusammenwirkten; ein Gemeinwesen, das aber keineswegs durch freien Entschluß aus der Nation hervorgegangen, sondern aus dem Gefühl der Gesamtstellung, die sich in der Persönlichkeit des Fürsten konzentrierte, erwachsen war, zwangvoll und drückend für die Individualitäten, die aber wieder durch die politische Bedeutung, an der sie Anteil hatten, befriedigt wurden. Eine Art von Kultus, den man dem König widmete, von dem man wußte, daß er nur in dem öffentlichen Dienst lebte und webte, bedeckte alle Mängel.

      Man hat damals die Schrift eine Satire auf Friedrich II. genannt. Sie verdient diese Bezeichnung nicht, aber wahr ist es: sie ist in allen ihren Teilen gegen die Regierungsweise des eben verstorbenen Königs gerichtet. Auf das dringendste und in seinem beredten Ausdruck warnte Mirabeau den neuen Fürsten, nicht zuviel zu regieren. Denn wozu wolle er in die bürgerlichen Angelegenheiten eingreifen, wenn sie in einen Stand gebracht seien, daß sie von selbst gehen können? Ebendas machte man dem Verstorbenen zum Vorwurf, daß er von seinem Kabinett aus zuviel habe anordnen, regieren wollen, sich in alles gemischt habe. Vor allem andern greift er das Militärsystem, die Grundlage der ganzen Einrichtung, an. Das Kantonwesen, worauf es seit Friedrich Wilhelm I. beruhte, bezeichnet er als eine militärische Sklaverei, die so viele Jahre dauernde Dienstpflicht als eine Schmach für das Volk. Die Neigung namentlich der jungen Leute, sich der Verteidigung des Vaterlandes zu widmen, sei so natürlich; wie habe die Tyrannei so schwachsinnig sein können, eine Last daraus zu machen? Er rät dem König, Nationalgarden in den Pfarren einzurichten; aus deren Reihen nach ihrer Wahl möge er dann die Rekruten für seine Regimenter nehmen; jeder Abgang werde von den Eingesessenen, und zwar nicht durch Offiziere und Beamte, sondern durch Stimmenmehrheit, ersetzt werden.

      Den Vorzug des Militärs vor dem Zivil will er abgestellt wissen; es sei eine Manie Friedrichs II. gewesen, fortwährend die Uniform zu tragen. Hauptsächlich aus militärischen Rücksichten hatte Friedrich II. den Unterschied des Adels und der Bürgerlichen auch beim Ankauf der Güter festgehalten, denn in den Edelleuten sah er die Pflanzschule für seine Offiziere, wogegen er auch wieder den Landbesitz der Bauern gewahrt wissen wollte und auf Erleichterung der Frondienste drang, weil er sonst keine Soldaten finden würde; übrigens aber behauptete er die Prärogative des Adels altväterisch unbeugsam. Von dem Motiv des Verfahrens hatte Mirabeau keine Vorstellung; er kehrte nur die unleugbaren Mängel desselben hervor, vor allem die nachteiligen Folgen für die Nationalwirtschaft, sowie den schädlichen Einfluß auf die Entwicklung der beiden Stände: der Adel werde dadurch stumpf und bleibe arm; Bürgerliche von einigem Wohlstand, die das Land blühend machen könnten, veranlasse man auszuwandern und sich in benachbarten Gebieten, z. B. Mecklenburg, niederzulassen.


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