Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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gründe, umzubilden.

      In alledem ist gar manches, was allgemein gefühlt und gesagt wurde, doch hatte es Mirabeau nicht bloß auf gute Ratschläge abgesehen; sein Schreiben ist zugleich die Manifestation des neuen Systems von politischen Ideen, das den Anlauf nahm sich Bahn zu machen. Der Grundgedanke ist, daß der Staat sich auf eine freie Teilnahme der Nation und eine lebendige Bewegung aller Kräfte gründen müsse. Von konstitutionellen Formen oder gar republikanischen Idealen war dabei nicht die Rede. Mirabeau zählte auf die höchste Autorität des Königs und, wie gesagt, selbst auf den Schatz, den er zertrümmern wollte. Er fordert Friedrich Wilhelm II. auf, seinen Untertanen alle die Freiheit zu geben, die sie ertragen können. Ein mit vielem Bedacht gewählter Ausdruck, welcher die monarchische Gesinnung verrät, die Mirabeau sein ganzes Leben hindurch mit einem gleichwohl sehr weitgreifenden Liberalismus verband. Wie die in Frankreich herrschende Meinung gegen die intermediären Gewalten, den hohen Adel und den hohen Klerus anstrebte, so ruft Mirabeau den König auf, sich von der Rücksicht auf seinen Adel loszumachen. Die Aristokratie erdrücke von einem Ende der Erde zum andern das menschliche Geschlecht; das Interesse der Könige liege in populären Grundsätzen, denn woher stamme sonst die Macht und der Glanz des Fürstentums als vom Volke? Den Aristokraten liege nur daran, daß der König der erste unter ihnen, aber doch ihnen gleich sei; dagegen finde auch die absoluteste Monarchie einen Rückhalt in der Nation.

      Diese Ideen trägt nun Mirabeau ziemlich in dem Umfang, in dem sie damals zur Geltung kamen, vor. Er fordert Unabsetzbarkeit der Richter, unbeschränkte Toleranz, welche auch den Juden bürgerliche Freiheit gewähren müsse, vollständige Freiheit der Presse, die den Fürsten selber erleuchte und belehre, Abschaffung der Todesstrafe. Genug, die Summe der neuen Ideen, welche die Welt in Gärung setzten, stellte Mirabeau dem preußischen Staate, wie er damals war, zugleich als Ausgangspunkt und Ziel der vorzunehmenden Reformen entgegen. Es ist, als sähe man den Genius der Zeit neben dem neueintretenden König erscheinen, um ihn in seine Bahnen zu reißen. Abgesehen aber von dem Ton, den die Schrift gegen den großen König anschlug, dem darin Beschränktheit, geistige Verirrung, Manie und Tyrannei vorgeworfen wurde, konnte auch ihr Inhalt überhaupt keinen günstigen Eindruck machen. Auf die Motive der bestehenden Einrichtungen wurde darin keine Rücksicht genommen, sie waren dem Autor größtenteils unbekannt. Er schien fast mehr gekommen zu sein, um zu lehren, als zu lernen. Die Neugestaltung der militärischen Verfassung, die er forderte, würde, wenn man sie unternahm, die Macht des Staates in Frage gestellt, die der finanziellen wahrscheinlich zunächst zerstörend gewirkt haben. Joseph II. konnte ähnlichen Tendenzen Raum geben, weil sie seiner Absicht, den Partikularismus der Provinzen zu zerstören, entsprachen. In Preußen hätten sie den Nerv, auf welchem die Individualität des Staates und seine Weltstellung beruhte, unmittelbar gebrochen.

      Darum dürfte man doch die Bedeutung dieser Schrift nicht leugnen. Sie stellt die Aufgabe des preußischen Staates dar, die Entwicklung der Macht und die öffentliche Wohlfahrt zu vereinigen, die fridericianischen Formen nicht als die unbedingt bindenden anzusehen, den begründeten Forderungen der fortschreitenden Zeit gerecht zu werden. Eine Aufgabe, welche die folgenden Zeiträume beherrscht hat, und deren Lösung das innere Leben des Staates ausmacht.

      Von philosophisch-reformatorischen Ideen ging Hertzberg dabei nicht aus, aber er kam denselben entgegen, wenn auch nur wenige und sorgfältig abgemessene Schritte. Die Macht ließ er nicht allein unerschüttert, er zeigte einen Weg, sie auf der bestehenden Grundlage zu beleben und zu verstärken. Von großem Wert war es nun, daß dieser Minister das Vertrauen des neuen Monarchen in hohem Grade genoß und einige Jahre hindurch behauptete.

       Es folgten einige Reformen, namentlich Abstellung der gewaltsamen Werbungen für das Heer und Aufhebung der Regie; weiteres unterblieb, da das Hauptaugenmerk der Staatsleitung Hertzbergs auf die auswärtige Politik gerichtet war. – Josephs II. Besuch in Neiße 1769, S. 3–6. Josephs II. Reformen in Österreich, S. 35–44.

      47. Der Rückzug aus Frankreich 1792

       Inhaltsverzeichnis

      Ursprung und Beginn der Revolutionskriege, Werke Bd. 45 S, 232-247.

      Der Gedanke des vielgewandten Dumouriez war dahin gegangen: indem die Verbündeten französische Gebiete besetzten, sich auf die österreichischen Niederlande zu werfen. Er zweifelte nicht, daß diese infolge der mannigfachen Verbindungen, die er daselbst unterhielt, in seine Hände fallen würden. Durch seinen Einfall dachte er die Streitkräfte der Verbündeten zu trennen und zu paralysieren; durch eine auswärtige Eroberung glaubte er Frankreich am besten zu verteidigen, denn hiezu seien die eben zusammengerafften Truppen, nicht aber zu einem Verteidigungskriege fähig. Er hatte so viel Ansehen bei seinen Generalen, daß sie diesem Entwurf in einem großen Kriegsrat beistimmten, aber der Kriegsminister, dem derselbe erst vorgelegt werden mußte, setzte seine Autorität dagegen ein. Servan meinte, in den Argonnen besitze Frankreich ein unüberwindliches Bollwerk; da würden die französischen Kriegsscharen den deutschen Streitkräften Widerstand leisten, wie einst die amerikanischen den englischen bei Saratoga; die Kraft eines freien Volkes werde erwachen. Auf Servans Anweisung, wohl auch durch eigene Überlegung bewogen, stellte sich Dumouriez in dem Passe von Grandpré, den er einmal für die Thermopylen Frankreichs erklärt hat, den verbündeten Armeen entgegen.

      Aber noch war die preußische Strategie der französischen überlegen. Der Herzog von Braunschweig gab den Kommandeurs der Truppen seinem wohldurchdachten Plane entsprechende Instruktionen; alle seine Anweisungen wurden ausgeführt. Das Glück wollte den Verbündeten so wohl, daß sie die Position bei St. Croix au bois, welche die Franzosen nicht gehörig gewürdigt hatten, ohne Mühe nahmen und dann gegen einen Anlauf derselben glücklich verteidigten. Hauptsächlich dadurch sah sich Dumouriez veranlaßt, seine Stellung bei Grandpré eiligst zu verlassen. Man hat vielleicht nicht ohne Grund gesagt, daß es dem Herzog möglich gewesen wäre, die davonziehenden Franzosen einzuholen und zu zerstreuen. Aber auch die deutschen Truppen waren durch den langen angestrengten Marsch auf grundlosen Wegen erschöpft, und schon machte sich ein Mangel an Lebensmitteln bemerklich. Nur die leichte Kavallerie erreichte, durch eine Furt setzend, die Feinde; 12 000 Franzosen flohen vor 1200 preußischen Husaren, ein Sieg ward nicht erfochten. Dumouriez nahm eine


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