Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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zu unterstützen. Gerade diese sollte den ersten Stoß erfahren. Denn noch lebte in der preußischen Armee der wiederholt angefachte Wunsch, es zu einer Schlacht zu bringen. Man meinte wohl, die ungeschulten Feinde würden bei einem ernstlichen Angriff nach Paris oder Chalons zu entrinnen suchen, worauf dann ein Unternehmen gegen die Hauptstadt ausgeführt werden könne.

      So bald als möglich, abermals in einem angestrengten Marsche, rückte nun die preußische Armee auf die Gegend an, in der sich die feindlichen Streitkräfte vereinigen sollten. Die vornehmste Position bildeten die Höhen von Valmy, wo Kellermann sein Geschütz aufgefahren hatte. Er begrüßte die Ankunft der Preußen mit Kanonenschüssen; aber sie rückten in der besten Ordnung vor, wie die Anwesenden sagten: als vollzögen sie nur ein Manöver bei Tempelhof oder Potsdam. Niemand zweifelte, daß man den Feind aus dem Felde schlagen werde, wenn man nur mutig auf ihn losgehe. Der Herzog von Braunschweig war jedoch nicht dieser Ansicht, da die Franzosen eine unerwartet gute Haltung zeigten, wie denn eine preußische Brigade, die dem Feinde zu nahe gekommen, sich bereits zurückgezogen hatte. Er meinte die Stellung des Feindes erst erschüttern zu müssen, ehe er zu wirklichem Angriff schreite; er hat dem Prinzen von Nassau-Siegen die Stelle bezeichnet, an der er das ins Werk zu setzen gedachte. Auch er gebot über treffliches Geschütz, das an einer von den Franzosen früher besetzten Stelle, La Lune, aufgefahren war; es brachte jedoch nicht die erwartete Wirkung hervor. Der Herzog scheint mehr von der Aufstellung einer andern Batterie erwartet zu haben, die nicht zustande kam; er hat immer angegeben, es habe ihm an Munition gefehlt. Unter solchen Umständen glaubte er – vielleicht mit Recht – die Franzosen in der vorteilhaften Stellung, die sie eingenommen hatten und behaupteten, nicht angreifen zu können. Er rechnete darauf, daß sie des folgenden Tags sich doch zurückziehen würden. Dem Könige, der einen unmittelbaren Angriff am liebsten gesehen hatte, gab er die Antwort, man müsse einen solchen verschieben.

      In dieser Lage und der gegenseitigen Schonung bedürftig begann man eine Unterhandlung bei Gelegenheit oder unter dem Vorwande der Auslieferung von Gefangenen. Dumouriez war unendlich entgegenkommend, gleichsam anbietend, wie der Fürst Reuß sagt, der erst gefragt worden war, ehe man sich in Verhandlungen einließ. Im preußischen Lager faßte man die Hoffnung, mit Hilfe des kommandierenden Generals der Feinde noch zu einem erträglichen Abkommen zu gelangen. Noch hielt die preußische Politik daran fest, Ludwig XVI. zu befreien und ihm eine nicht unwürdige Stellung zu verschaffen; dagegen war sie geneigt die Sache des Klerus und des Adels fallen zu lassen; die Emigranten sollten entschädigt werden, aber außerhalb Frankreichs leben. Daß Dumouriez, wie er nachher selbst einmal ausgesprochen hat, es wirklich nur darauf abgesehen hatte, Zeit zu gewinnen, läßt sich doch nicht ohne weiteres annehmen; eine unter seiner Vermittlung durchgeführte Abkunft würde ihm eine der größten Positionen in der Welt verschafft haben. Und die Vorschläge, die er machte, wären an sich der Idee der Girondisten nicht ungemäß gewesen. Aber schon war diese Partei durch ein neues Ereignis in Paris aller Autorität entkleidet. Hätte sie bei den Wahlen die Oberhand behalten, so würde man bei der bisherigen Verfassung möglichst stehen geblieben sein; man würde das Königtum beibehalten haben, nur in vollkommner Abhängigkeit von der Nationalversammlung. Der Konvent aber warf den Gedanken, daß der König selbst Repräsentant der Nation sein könne, weit von sich; er faßte die souveräne Nation nur im Gegensatz gegen das Königtum und dekretierte dessen Abschaffung in Frankreich, denn an das Bestehen der königlichen Würde knüpften sich alle reaktionären Tendenzen, alle Elemente die gegen die Nationalsouveränität anstrebten, und die Absichten der verbündeten Höfe. Mit dem republikanischen Gedanken verschmolz sich der nationale; das revolutionäre Gemeinwesen trat in Gegensatz zu dem übrigen Europa. Wie ganz anders wurde dadurch die Lage der Verbündeten und ihrer Armeen! Auch alle jene Möglichkeiten, die bei den ersten Verhandlungen mit Dumouriez ins Auge gefaßt waren, erschienen jetzt als Unmöglichkeiten.


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