Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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guter Diplomat wäre er nicht geworden. Die Eigenschaften aber, welche zur obersten Leitung der Geschäfte gehören: Bewußtsein der eigenen Stellung und ihrer Grundlagen, natürlichen Scharfblick des Geistes, vor dem jede Täuschung zerrinnt, Gefühl von dem was sich ausrichten läßt, kluge Mäßigung, verschlagene Entschlossenheit, besaß er von Natur und bildete sie täglich mehr aus. Nur dadurch konnte ihm die nach dem Begriffe der Zeit verwegenste Unternehmung gelingen; das politische Talent hatte daran nicht geringeren Anteil als die Heerführung.

      Noch entsprach die Stellung, die er nun einnahm, mit nichten dem, was man sich im allgemeinen von einer neu zu begründenden Macht hätte denken können. Wäre es auf Friedrich angekommen, so würde er sich in ein ganz andres Verhältnis zu Deutschland gesetzt, Westpreußen an sich gebracht, die Grenzen nach der sächsischen Seite erweitert haben, denn höchst ungern sah er seine Hauptstadt den Anfällen eines gefährlichen Nachbarn ausgesetzt und die östlichen preußischen Lande von den übrigen Provinzen getrennt; er hätte sich wahrscheinlich auch zur See bewaffnet. Allein die gemachten Erfahrungen verboten ihm jeden Gedanken dieser Art.

      Aber auch in den beschränkten Grenzen, in denen er sich halten mußte, hatte er eine Macht gegründet, unantastbar und unüberwindlich, dem Wesen nach von niemand abhängig. Ihre letzte historische Grundlage war das reichsgesetzmäßige Fürstentum mit seinen Erbrechten und Anwartschaften; allein die Monarchie Friedrichs erschien hiervon losgerissen, ihre Notwendigkeit in ihrem Dasein tragend. Der protestantisch-kontinentale norddeutsche Staat, zu dem jahrhundertelang Volk und Fürst, Anstrengung und Talent sowie das gute Glück gewirkt, war zustande gekommen.

       Bauten in Berlin und Potsdam, S. 281-284. Die Gesellschaft von Sanssouci, S. 284-291.

      43. Ausbruch des Siebenjährigen Krieges

       Inhaltsverzeichnis

      Zur Geschichte von Österreich und Preußen, Werke Bd. 30 S. 231-236.

      Friedrich täuschte sich nicht darüber, daß sein Angriff auf Österreich dazu dienen konnte, die gegen ihn gefaßten feindseligen Entwürfe zur Reife zu bringen. Eben sein Unternehmen aber war auch imstande sie zu zerstreuen und ihn auf immer zu sichern; es erschien ihm dazu als das einzige Mittel. Keine Erwägung der Welt wäre fähig gewesen ihn davon zurückzuhalten; die Sinnesweise, die ihn belebte, mit der er geboren war, trieb ihn unwiderstehlich dazu vorwärts. Wer kann die Umstände beherrschen, die zukünftigen Handlungen ermessen, den aufwogenden Elementen gebieten? In dem Konflikt der Weltverhältnisse und der persönlichen Gesinnung entspringen die großen Entschließungen. Die Fortentwicklung der Menschheit beruht darauf, daß es Staaten gibt, welche die innere Kraft besitzen, und Fürsten an ihrer Spitze, die den Mannesmut haben, unter allen Umständen ihre Stelle zu behaupten und ihre Selbständigkeit, welche ihr inneres Leben ist, gegen überlegene Feinde zu verteidigen.

      In dieser Gesinnung griff Friedrich zu den Waffen. Es war am 28. August 1756, eines Sonnabends, früh gegen fünf Uhr, daß er auf dem Paradeplatz in Potsdam zu Pferde stieg, die Truppen eine kleine Schwenkung machen ließ, sich dann an ihre Spitze setzte und den Weg nach der sächsischen Grenze einschlug. Mit ihm war sein Bruder Heinrich als Führer seines Regiments; eine freudige Stimmung beseelte die Mannschaften. Den folgenden Tag wurde die sächsische Grenze von verschiedenen Abteilungen der drei Kolonnen in weitem Umkreis überschritten.